Berliner Zeitung - 23.10.2019

(Brent) #1
Peter Uehling

„Berlin“


in


Berlin


J


etzt musste ich doch glatt
googeln, wie eigentlich der
große Hitvon Fischer-Z hieß.
Schlimm. Daswar „Berlin“.
Manchmalhörtmanden Wald
vorlauter Gitarren nicht.Der
Songist von1981unddieBand
gibt es immer noch –oder
schon wieder.Bei Fischer-Z
weißmandasniesogenau.Bis
aufden GründerJohnWattsist
schonseitewigenZeitenkeiner
ausder Urbesetzungmehrda-
bei.Ihrenx-tenFrühlingerleb-
tenFischer-Z,diezudenHoch-
zeitendesbritischenPunkund
NewWavegegründet wurden,
2017anlässlichdes40-jährigen
Bandjubiläums.Seitdemgabes
zwei starke,neue Platten, wie
immer politisch grundiert.
Zwar sind die Hallen nicht
mehr ganz so groß wie in den
80ern, alsFischer-Z noch mit
ThePoliceunddenDireStraits
auftraten, aber dasColumbia-
Theater macht es auch.Und
dieZugabeistnatürlichgesetzt:
„Berlin“.FrankJunghänel

Fischer-Z20 Uhr, Columbia-Theater,
Columbiadamm 9–11

Pop


KINO KINO


KALENDER KALENDER


DenkenSie


aneine


StadtmitB


B


elfast, Birmingham,Bris-
tol,Brighton,Berlin–aber
nichtdassSiedenken,dassdie
irische Formation TheDivine
ComedynurStädtemitBini h-
rerHerbsttournee bedenken
würde .Oder dass es hier tat-
sächlichumDantes„Göttliche
Komödie“ ginge.Der Musiker
und vielleicht auchPhilosoph
und Dichter (vulgo Sin-
ger/Songwriter)Neil Hannon,
dersichseitfast30Jahrenmit
wechselndenMitspi elernum-
gibt und quer durch dieStile
und Gedankenwelten wildert
(von Popzur Kammermusik,
vonLyrik zu Filmzitaten), um
doch wieder seinen eigenen,
eingängigenSound aus allem
zugenerierenundihnderWelt
in mittlerweile 13 Alben zu
präsentieren, „OfficePolitics“
heißtdasAlbumdiesesJahres.
Neil Hannon also,heute in
Berlin, danach inBrüssel und
Brest(wirklich, das denke ich
mir nicht aus!)–und im No-
vember inBilbao.PetraKohse

TheD ivine Comedy18.50Uhr (sic!),Ad-
miralspalast, Friedrichstr.101

Popetc.


Die ukrainische Dirigentin OksanaLyniv ist Generalmusikdirektorin in Graz. In Berlin tritt sie im Pierre-Boulez-Saal auf. DPA

Was


machen


Frauen


anders?


Undwiederstehenzwei


FrauenvorBerliner


Orchestern,beideaus


demOstenEuropas.


Dennochhatderalte


weißeMannausdem


Westennochnichtvöllig


ausgedient...


D

irigierenFrauen anders
als Männer?Komponie-
rensie anders?Spielen
sie anders Klavier oder
Geige?WasanM usikkönnteAnsatz-
punkt für eine genderspezifische
Differenz sein?In der Literatur mag
man den weiblichen Ansatz an
„Frauenthemen“ erkennen –aber
damit bewegt sich dieBetrachtung
schon außerhalb derForm,die das
eigentliche „Thema“ derMusik ist.
Undwas ist mit denGefühlen, füh-
lenFrauennichtanders?
Vielleicht, aber auch das Fühlen
vonFrauenwurdevonderüberwäl-
tigendenMehrheit derKomponis-
ten-Männer längst musikalisch ko-
difiziert, und noch hat sich keine
Frau darüber beschwert, dass Hän-
del, Mozart, Wagner oderStrauss es
als Männer gewagt haben, dasGe-
fühlsleben liebender,betrogener
oder alternderFrauen darzustellen.
Gegen diese jahrhundertelangevon
MännerngeübteDefinitionsarbeit–
falls sie „männlich“ ist–muss ein
„weiblicher“Zugriff –sollte es ihn
geben–ersteinmalankommen.
VonderWartederFormauskann
es uns vollkommen egal sein, ob

Männlein oder Weiblein Musik
macht. DieDirigentinnen-Frage ist
allein eine gesellschaftspolitische.
Undhier bestehtReserviertheit ge-
genDirigentinnen,zweifellos.And er
StaatsoperhabenSimoneYoungund
EunSun Kimsich ersteSporen ver-
dientundhatAlondradelaP arraein
Einspringer-Debüt gegeben. Und
dennoch lässt man die ukrainische
Dirigentin Oksana Lyniv,General-
musikdirektorin in Graz, nur im
Pierre-Boulez-Saal auftreten mit ei-
nem Programm aus seltsamenPeti-
tessen mit ProkofjewsSymphonie
ClassiquealsHöhepunkt.Dabeiver-
körpertsiezudemdieseltsameSchi-
zophrenie deutschenMusikleben s:
Die1978 Geborene absolvierte in
Dresden einAufbaustudium, lernte
beideutschenDirigenten,warAssis-
tentin bei denBambergerSympho-
nikern, hatStipendien ohneEnde
bezogen –und dann erntet man
diese Investitionen hierzulande nur
inKammermusiksälen?
MirgaGražinyte-Tyla erhält da
bessereUnterstützung,nämlichvon
GidonKremer,der sie nicht nur als
Dirigentin seiner KremerataBaltica
einsetzt, sondernmit ihr auchAuf-

KLASSIK

MirgaGražinyte-Tyla:24. 10., 20 Uhr,
Konzerthaus am Gendarmenmarkt

EdgarVarèse:24. &25. 10., 20 Uhr,
26.10., 19 Uhr,Philharmonie,
Herbert-von-Karajan-Str.1

Galina Ustwolskaja:29. 10., 19.30 Uhr,
Pierre-Boulez-Saal, Französische
Straße 33 d

OksanaLyniv:30. 10., 19.30 Uhr,
Pierre-Boulez-Saal

nahmenfürdieDeutscheGrammo-
phon gemacht hat.MirgaGražinyt,
1986inLitauengeboren,hatihreers-
tenOperndirigateinOsnabrückund
Heidelbergabsolviert,istaberlängst
ein international hoch gehandelter
Name –nicht zuletzt alsNachfolge-
rinvonSimonRattleundAndrisNel-
sons als Chefdirigentin des City of
BirminghamSymphony Orchestra.
Im Rahmen der Kremer-Hommage
am Konze rthaus wirdsie neben
Schostakowitschs Erstem Klavier-
konzer tauchdie ZweiteSymphonie
vonMieczysławWeinbergdirigieren,
dem 1996 gestorbenen polnischen
Komponisten,denbekannterzuma-
chenKremersgroßesAnliegenist.
Polen,L itauen,Ukraine,Russ-
land: Was wäre unser Musikleben
ohne die großenBegabungen aus
dem Osten Europas?Vielleicht wäre
es –innovativer? Denn oft hat man
dochdenEindruckeinerVerwaltung
desRepert oire-Stillstandsaufgewiss
höchstemNiveau.AuchKremersEn-
gagement fürWeinberggilt keinem
Komponisten, der dem Hörer etwas
Neuesab verlangenwürde–wieetwa
die russische KomponistinGalina
Ustwolskaja.Diesechs Klaviersona-

ten der Schostakowitsch-Schülerin
sind anders als die sinfonischen
Epen de sSchostakowitsch-Adepten
WeinbergExerzitien in donnernder
Kargheit, spirituelle Übungenvon
höchsterZuspitzung.Frauenmusik?
DaraufwürdevomHörenwohl nie-
mand raten. Aufgeführtwerdens ie
vondem ÖsterreicherMarkus Hin-
terhäuser,derimNebenberufInten-
dantderSalzburgerFestspieleist.
DerKomponistEdgar Varèse er-
hoffte sichImpulse weder aus dem
Ostennoch überhaupt ausEuropa.
ErgingindieUSA,komponiertedas
krachend-brausende Orchesterwerk
„Amériques“ undversuchte einen
neuen,ingenieurshaftenKomponis-
tentypzuetablieren.BeláBartókwar
ebenfalls einFreund reißbretthafter
Klarheit –aberalserindieUSAemi-
grierte ,war ihm eher nach Rück-
schau zumute wie imDritten Kla-
vierkonzert.BeideWerkewerdendie
Berliner Philha rmoniker unter Lei-
tungde sfabelhaft enFrançois- Xavier
Roth aufführen, am Sonnab end in
derLateNight gibtes fast dieg e-
samte Kammermusik vonVarèse
oben dr auf. Ganz totist de rWesten
nochnicht.

glaubt an die eine, sowohl männlichewie
weiblicheMusik. Wenn FrauenMänner-
musikdirigieren, findet erdasgenau so
schön, wiewennein Mann Klaviermusik
einer Frauspielt.

Tagestipp


26 Berliner Zeitung·Nummer 246·Mittwoch, 23. Oktober 2019 ·························································································································································································································································································


Tagestipp


···········································Berliner Zeitung·····························································Nummer 246·································Mittwoch, 23. Oktober 2019·····························································································^27 ·····················································

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