Handelsblatt - 23.10.2019

(Jacob Rumans) #1
wichtig und gut“, sagt Caspar. Die Aussagen des
Konzerns zu Datenschutzfragen „lassen jedoch
Zweifel offen“.
Nach der Anfrage des Handelsblatts kündigte der
Konzern an, die Datenschutzerklärung in den
nächsten Tagen anzupassen, um die Verarbeitung
der Daten innerhalb der EU zu verankern.
Es gibt aber noch ein weiteres Problem. Ein be-
sonders sensibler Bereich ist die Frage, ob Sprach-
Assistent-Mitschnitte analysiert und weitergegeben
werden dürfen. Apple und Google waren massiv in
die Kritik geraten, als bekannt wurde, dass Mitar-
beiter in Mitschnitte von Gesprächen reinhören
und diese auswerten dürfen. Google hatte darauf-
hin angekündigt, das System auf ein sogenanntes
Opt-in-Verfahren umzustellen. Standardmäßig ist
die Datenauswertung also nicht gestattet, außer ein
Nutzer willigt aktiv ein.
Telekom-Manager Hagspihl hatte für den Spea-
ker aus dem eigenen Haus betont: „Nur wenn ein

Kunde zustimmt“, würde die Telekom Mitschnitte
verwenden, um die Sprachauswertung zu verbes-
sern. „Sie werden im Einrichtungsprozess gefragt,
ob sie bereit sind oder nicht.“
Ganz so läuft der Einrichtungsprozess jedoch
nicht ab. Zwar wird beim erstmaligen Aktivieren
des Speakers darauf hingewiesen, dass die Tele-
kom Daten auswertet. Der Standard ist damit aber
die aktive Auswertung der Mitschnitte. Ist ein Nut-
zer nicht damit einverstanden, muss er aktiv einem
Link zu einer seitenlangen Datenschutzerklärung
folgen und kann am Ende der Übermittlung der
Daten widersprechen.
Während Google also bereits sein Verfahren so
umgestellt hat, dass Sprachmitschnitte der Nutzer
standardmäßig nicht ausgewertet werden, müssen
bei der Telekom Nutzer ausdrücklich widerspre-
chen. Eine Konzernsprecherin verteidigt das Vorge-
hen und sagt, die Nutzer würden transparent darauf
hingewiesen, dass ihre Daten analysiert würden. Als

Versprochen,


gebrochen


Die Telekom will mit einem smarten Sprachassistenten und der Garantie


strenger Sicherheitsregeln Amazon und Google herausfordern.


Nun aber gerät das Prestigeprojekt in Schwierigkeiten.


Experten werfen dem Unternehmen Mängel beim Datenschutz vor.


Preis


150


EURO


kostet der smarte Lautsprecher
der Deutschen Telekom
pro Gerät.

Quelle: Unternehmen


Smart Speaker:
Seit September ver-
kauft die Telekom das
Gerät an ihre Kunden.

Telekom

Dietmar Neuerer, Stephan Scheuer
Berlin, Düsseldorf

D


er kleine schwarze Lautsprecher soll
ein neues Zeitalter einläuten – zu-
mindest, wenn es nach dem Manage-
ment der Deutschen Telekom geht.
Während der Produktpräsentation
lief Privatkundenchef Michael Hagspihl mit seinen
Sneakern in der Firmenfarbe Magenta hin und her.
Dabei schwärmte er von den Vorzügen des Geräts:
hervorragende Qualität, neues Ökosystem, besse-
rer Zugang für Kunden. Er sprach sogar vom „ers-
ten Smart Speaker aus Europa“.
Hinter dem 150 Euro teuren Lautsprecher, der
auf die Worte „Hallo Magenta“ anspringt, steht ein
großes Versprechen. Mit dem Gemeinschaftspro-
jekt wollen Deutsche Telekom und der französi-
sche Netzbetreiber Orange in das bislang von US-
Konzernen dominierte Geschäft mit Sprachsteue-
rungen vorpreschen. Während Amazon,
Google und Apple bereits einen gro-
ßen Vorsprung haben, setzen die
europäischen Angreifer auf ein
besonderes Argument: einen
hohen Datenschutz.
Smarte Lautsprecher ha-
ben einen tiefen Einblick in
unser Privatleben. Sie sind
darauf ausgelegt, zu Hause
aufgestellt zu werden, und
lauschen bei Gesprächen im
privaten Umfeld. Daher ist es
besonders wichtig, dass sie
verlässlich sind und nicht als
Gefahr wahrgenommen werden.
Amazon und Google mussten sich
bereits mehrmals rechtfertigen, weil ih-
nen vorgeworfen wurde, die Daten nicht ausrei-
chend zu schützen. Deutsche Telekom und Orange
treten an, alles besser zu machen.
Bei Tests eines Probegeräts ist das Handelsblatt
aber auf mehrere Ungereimtheiten gestoßen. So
hatte die Telekom mit dem Werbeversprechen ge-
worben: „Die Verarbeitung der Daten erfolgt aus-
schließlich innerhalb der Europäischen Union.“ Die
Aussage, die auch Telekom-Manager Michael Hag-
spihl in seiner Präsentation betont hatte, gehört zu
den zentralen Verkaufsargumenten des Konzerns.
Wer die Geräte nutzen will, muss jedoch einer
Datenschutzerklärung zustimmen, in der sich die
Telekom das Recht einräumt, die Daten auch au-
ßerhalb der Europäischen Union zu verarbeiten.
Die Telekom informiert, Daten würden unter ande-
rem außerhalb der EU verarbeitet, soweit „es für
unsere Leistungserbringung Ihnen gegenüber er-
forderlich ist“. Diese Formulierung ist so weit ge-
fasst, dass sich der Konzern damit weitgehende
Freiheiten einräumt, sich in der Datenanalyse nicht
innerhalb der europäischen Grenzen zu bewegen.
Auf Nachfrage räumt der Konzern ein, dass es
um „Wartungszugriffe eines unserer Dienstleister“
gehe. Dabei könne es sich um „Softwareupdates
handeln oder um Notfalleingriffe“. Weitere Details
zum Umfang der Eingriffe oder zum Partnerunter-
nehmen will die Telekom auch auf Nachfrage nicht
offenlegen. Der Konzern teilt mit: „Solche War-
tungszugriffe dürfen selbstverständlich nicht ge-
zielt genutzt werden, um personenbezogene Daten
außerhalb der EU zu verarbeiten, insbesondere die
Sprachdaten unserer Kunden.“
Das Vorgehen handelt der Telekom Kritik von
Experten ein. „Letztlich könnte der Wartungszu-
griff auch rund um die Uhr aus Europa erfolgen“,
bemängelt Dennis Romberg vom Verbraucherzen-
trale Bundesverband (VZBV). Es erschließe sich
nicht, wieso Daten außerhalb der Europäischen
Union übertragen werden müssten. „Hier könnte
man das Datenschutzversprechen wirklich ernst
nehmen und es gar nicht zu solchen Situationen
kommen lassen und somit das Vertrauen der Ver-
braucher in den Dienst wirklich stärken.“
Auch der Hamburger Datenschützer Johannes
Caspar äußert datenschutzrechtliche Vorbehalte
gegen den Lautsprecher der Telekom. Das Kon-
zept, mit dem Datenschutz als Standortvorteil in
Europa zu werben, finde er zwar „grundsätzlich

Unternehmen


& Märkte


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MITTWOCH, 23. OKTOBER 2019, NR. 204


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