Handelsblatt - 23.10.2019

(Jacob Rumans) #1

„Ich bin besessen davon,


dass die Allianz 20 20


wieder startet.“


Jean-Dominique Senard,
neuer Chef von Renault, will die Partnerschaft
mit Nissan kitten.

„Wir erwarten eine Einigung,


bevor das Angebot zur


Übernahme von Osram startet.“


Alexander Everke,
Chef des österreichischen Sensorspezialisten AMS

D


ie meisten Konjunkturprognosen der zurücklie-
genden Wochen waren nicht gerade ermuti-
gend. Reihenweise mussten Institutionen wie

der IWF ihre Prognosen nach unten korrigieren. Man-


che Branchen wie die Autoindustrie sehen sich bereits


in der Krise. Das Kontrastprogramm dazu liefert derzeit


die Pharmabranche, wie am Dienstag die Zahlen des


Schweizer Pharmariesen Novartis belegen. Ähnlich wie


zuvor bereits Roche und Johnson & Johnson hat auch


der Branchendritte nach guten Resultaten seine Prog-


nose für 2020 zum dritten Mal in Folge erhöht.


Das spricht dafür, dass sich der positive Trend aus


dem ersten Halbjahr ungebremst fortsetzt. Alles in al-


lem dürfte die globale Pharmaindustrie im Gesamtjahr


um einen höheren einstelligen Prozentsatz zulegen und


steuert damit auf das stärkste Umsatzwachstum seit


Jahren zu. Vor allem zwei Faktoren sorgen für den


branchenweiten Schub in den Geschäften: Zum einen


profitieren viele westliche Pharmahersteller weiter von


der wachsenden Nachfrage Chinas nach modernen Me-


dikamenten.


Vor allem aber zahlt sich der stärkere Fokus auf die
Forschung für etliche Akteure in der Branche nun aus,
wie nicht zuletzt das Beispiel Novartis zeigt. Branchen-
weit hat sich die Zahl der Neuzulassungen von Medika-
menten seit Beginn des Jahrzehnts immerhin in etwa
verdoppelt. Viele dieser Innovationen liefern inzwi-
schen signifikante und weiter steigende Erlöse. Medika-
mente wie das Herzmittel Entresto oder das Multiple-
Sklerose-Medikament Ocrevus von Roche sind dafür
prominente Beispiele. In der Krebstherapie konnte die
Branche in den letzten fünf Jahren mit einer ganzen
Flut neuer Wirkstoffe aufwarten.
Entspannt zurücklehnen können sich die Pharmarie-
sen und ihre Investoren damit sicherlich noch nicht.
Denn noch ist schwer abzuschätzen, ob sich der neue
Wachstumstrend tatsächlich als Beginn eines längerfris-
tigen Booms erweisen wird oder nur als Strohfeu-
er. Denn mehrere kritische Herausforderungen müssen
die Pharmariesen erst noch meistern. Bei vielen wichti-
gen umsatzstarken Mitteln, etwa den Onkologie-Bestsel-
lern von Roche oder dem Rheumamittel Humira von
Abbvie, stehen die Patentabläufe auf dem US-Markt erst
noch bevor. Auch die Debatte um Pharmapreise auf
dem wichtigen US-Markt ist noch keineswegs beendet,
sondern könnte im nächsten Präsidentschaftswahl-
kampf neue Brisanz erhalten.
Aber immerhin sprechen die neuen Zahlen dafür,
dass der neue Fokus auf Innovation zumindest eine
reale Chance bietet, das Geschäft langfristig auszubau-
en. Oder genauer gesagt: wahrscheinlich die einzige
Chance.

Pharmaindustrie


Das Rezept geht auf


Die Arzneibranche boomt, weil
sich die Neuausrichtung der
Forschung für die Unternehmen
bezahlt macht, beobachtet
Siegfried Hofmann.

Der Autor ist Korrespondent in Frankfurt.
Sie erreichen ihn unter:
[email protected]

Die Debatte


um Pharma-


preise


auf dem


wichtigen


US-Markt


ist noch


keineswegs


beendet.


ddp images, Bloomberg, REUTERS

UBS


Langeweile


mit System


W


enn Sergio Ermotti von
der UBS spricht, spart er
selten mit Lob – die Bank
sei „gut positioniert“ oder habe ein
„starkes Franchise“, sagt der UBS-
Chef dann gerne. Doch warum zählt
die Aktie seiner Bank in diesem Jahr
trotzdem zu den Schlusslichtern an
der Schweizer Börse?
Das liegt nicht nur an der drohen-
den Milliardenstrafe wegen Steuer-
hinterziehung in Frankreich, son-
dern auch an der Aufstellung der
UBS: Die Bank ist heute stabiler und
verlässlicher als vor der Finanzkri-
se, aber eben auch ein ganzes Stück
langweiliger. Mitunter wirken die
Schweizer gar wie Gefangene ihrer
eigenen Strategie.
Bankchef Ermotti und der deut-
sche Verwaltungsratschef Axel We-
ber hatten die UBS nach den Exzes-
sen der Finanzkrise ganz auf die
Vermögensverwaltung getrimmt.
Das Geschäft mit den reichen Kun-
den liefert der Bank auch im jüngs-
ten Quartal wieder satte Erträge.
Doch das erhoffte Wachstum fällt
der UBS schwer. Die Bank konnte
zwar viele Milliarden bei wohlha-
benden Kunden einwerben, der Ge-
winn der Vermögensverwaltung
ging aber trotzdem leicht zurück.
Auch im Investmentbanking re-
giert eine neue Bescheidenheit.
Längst vorbei die Zeiten, in denen
die Schweizer in einer Liga mit den
Wall-Street-Banken spielen wollten.
Doch selbst daran gemessen kön-
nen die Schweizer mit den Ergeb-
nissen ihrer hochbezahlten Invest-
mentbanker nicht zufrieden sein.
Ermotti und seine Leute sehen of-
fenbar keinen anderen Weg, als den
Status quo zu verwalten: ein paar
Sparmaßnahmen hier, ein paar In-
vestitionen dort. Die UBS soll digita-
ler und effizienter werden. Große
Übernahmen? Fehlanzeige. Auch
die Kosten bleiben seit Jahren quasi
auf dem gleichen Level. Zu groß
scheint die Sorge, dass der UBS
durch größere Umbauten künftige
Erträge entgehen könnten.
Was bleibt, ist die Hoffnung auf
bessere Zeiten. Bei der größten
Bank der Schweiz halten sie die Löf-
fel aus dem Fenster – doch der
Schokoladenregen lässt auf sich
warten.

Die größte Bank der Schweiz wirkt
wie eine Gefangene ihrer Strategie,
sagt Michael Brächer.

Der Autor ist Korrespondent in
der Schweiz.
Sie erreichen ihn unter:
[email protected]

Unternehmen & Märkte


MITTWOCH, 23. OKTOBER 2019, NR. 204


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