Handelsblatt - 23.10.2019

(Jacob Rumans) #1

Jan Mallien Frankfurt


D


er japanische Yen gehört aktuell zu
den Lieblingswährungen vieler In-
vestoren. In den vergangenen zwölf
Monaten hat er um etwa sieben Pro-
zent gegenüber dem Euro aufgewer-
tet und um über drei Prozent im Vergleich zum US-
Dollar. Der Höhenflug hat vor allem einen Grund:
die weltweite Unsicherheit.
Der eskalierende Handelskrieg und die Unklar-
heit um den nahenden Brexit schüren die Angst
vor einem weltweiten Abschwung. In diesem Um-
feld suchen Anleger Zuflucht in sogenannten siche-
ren Häfen. Aktuell fällt ihre Wahl dabei vor allem
auf den Yen. Devisenexperten sehen vor allem im
Falle eines stärkeren weltweiten Abschwungs wei-
teres Aufwertungspotenzial für die japanische
Währung. „Der Yen ist am Devisenmarkt die beste
Absicherung gegen eine weltweite Rezession,“ sagt
Manuel Andersch, Devisenexperte der Bayern LB.
Er geht davon aus, dass sich der Yen nach der deut-
lichen Aufwertung in diesem Jahr weiter stabil zum
Euro entwickelt. „Wenn es weltweit zu einem stär-
keren wirtschaftlichen Abschwung kommt, gibt es
weiteres Aufwertungspotenzial.“ Dann seien Mar-
ken von 110 oder 100 Yen zum Euro möglich. Aktu-
ell kostet ein Euro etwa 120 Yen. „Ein schwächerer
Yen ist eigentlich nur zu erwarten, wenn sich die
Weltkonjunktur besser entwickelt als prognosti-
ziert, zum Beispiel durch eine Einigung im Han-
delskonflikt oder im Brexit-Streit.“
Als sichere Häfen gelten Währungen, die in Pha-
sen hoher Unsicherheit besonders gefragt sind,
wenn Investoren jegliche Risiken meiden. Neben
dem Yen zählen dazu auch der Schweizer Franken
und der US-Dollar. Welche Kriterien diese Länder
auszeichnen, ist umstritten. Andersch verweist da-
rauf, dass Japan einen Überschuss in der Leistungs-
bilanz hat, also im Handel mit Gütern und Dienst-
leistungen mit dem Ausland. Außerdem werden
die japanischen Staatsanleihen fast ausschließlich
von Inländern gehalten, und es gibt in Japan eine
politische Grundstabilität.
Die Schweiz erfüllt diese Kriterien ebenfalls. Dort
sind die Zinsen aber stärker im negativen Bereich.
In der Schweiz liegt der Leitzins aktuell bei minus
0,75 Prozent – in Japan dagegen bei minus 0,1 Pro-
zent. Für Investoren heißt das, wenn sie in den
Schweizer Franken fliehen, müssen sie für die ge-
wonnene Sicherheit erheblich draufzahlen. In Ja-
pan dagegen sind die Minuszinsen niedriger. Das
macht den Yen im direkten Vergleich attraktiver.
Der Euro-Raum ist vielen Investoren politisch zu
unsicher.
Die USA dagegen weisen hohe Leistungsbilanz-
defizite auf. Unter dem Strich importieren sie deut-
lich mehr Waren und Dienstleistungen aus dem
Ausland, als sie dorthin verkaufen. Im Prinzip ist
das kein Problem, weil der Dollar weltweite Leit-
währung ist. Die USA können die Defizite durch Ka-
pitalzuflüsse aus dem Ausland finanzieren. Weil US-
Präsident Trump den Dollar jedoch vermehrt auch
als politische Waffe nutzt, schichten einige Länder
derzeit ihre Devisenreserven um. Zum Beispiel hat
die russische Notenbank zuletzt einen größeren
Teil ihrer Dollar-Reserven verkauft. Auch die chine-
sische Notenbank hält hohe Dollar-Bestände, die
sie zumindest teilweise verkaufen kann.
Zudem sorgt der erratische Kurs von US-Präsi-
dent Donald Trump für stärkere politische Unsi-
cherheit. Ein Tweet von ihm kann zu größeren
Kursreaktionen führen. Florian Hense, Volkswirt
bei Berenberg, verweist außerdem darauf, dass die
jüngsten Wirtschaftsdaten für die USA vergleichs-
weise schlecht ausgefallen sind. Dies deutet darauf
hin, dass die US-Notenbank Fed die Zinsen noch
weiter senken wird. Dadurch würden sich die Ren-
diteaussichten amerikanischer Vermögenswerte
verringern und Vermögenswerte aus anderen Wirt-
schaftsräumen, wie etwa japanische Anleihen, re-
lativ besehen attraktiver.

Die beste Währung


für den Abschwung


Der japanische Yen hat in den vergangenen zwölf Monaten deutlich


aufgewertet. Devisenexperten sehen weiteres Aufwertungspotenzial


im Falle eines weltweiten Abschwungs.


Tokio: Der Yen hat
im vergangenen Jahr
an Wert gewonnen.

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MITTWOCH, 23. OKTOBER 2019, NR. 204


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