Handelsblatt - 23.10.2019

(Jacob Rumans) #1
Auch andere wie die Bundesbank
warnen bereits seit Längerem vor
Preisübertreibungen zwischen 15
und 20 Prozent in den Großstädten.
Das Forschungsinstitut Empirica ta-
xiert die Übertreibungen in den sie-
ben größten Städten sogar auf 37
Prozent.
Immobilienexperten macht zuneh-
mend Sorgen, dass die Kaufpreise
stärker steigen als die Mieten. Der
Theorie zufolge müssten sich die Ent-
wicklungen auf lange Sicht anglei-
chen. Doch während die Kaufpreise
weiter stiegen, zeichnet sich in den
besonders im Fokus stehenden Me-
tropolen bei den Mieten eine Trend-
wende ab.

Laut Empirica lagen die inserierten
Mieten in der Hauptstadt zuletzt
knapp vier Prozent unter ihrem All-
zeithoch vor einem Jahr. Zudem deu-
te sich auch in anderen Großstädten
eine Stagnation an. Das knappe und
daher teure Angebot treibt potenziel-
le Mieter ins Umland und Ausweich-
städte wie Schwerin, Flensburg oder
Pforzheim, wie Experten feststellen.
Dort steigen die Mieten weiter.
Weil die Europäische Zentralbank
ihre Geldpolitik zuletzt lockerte,
rechnen Branchenvertreter mit an-
haltend hoher Nachfrage nach deut-
schen Immobilien. Wenn allerdings
Mieten stagnieren oder gar fallen,
dürfte sich das auf Dauer in den Im-
mobilienbewertungen niederschla-
gen. Matthias Streit

Jahr 2012, als die Aktie bei 2,05 Euro
stand, schlug Kessler zu und inves-
tierte 3 500 Euro auf einen Schlag. Er
war optimistisch, schließlich ist Bo-
russia Dortmund der „beste Verein,
den es gibt“.
An einem Wochenende kurz nach
dem Kauf bekam er es dann schwarz
auf gelb. Der 27-jährige Lehramtsstu-
dent in Deutsch und Sozialwissen-
schaften hatte das ganze Wochenen-
de gearbeitet: Freunden beim Reno-
vieren geholfen, Nachhilfe gegeben.
Am Ende kamen dabei 80 Euro rum.
Am Montag, nachdem seine Mann-
schaft gut gespielt hatte, waren 150
Euro mehr in seinem Depot als am
Freitag. „Das war mehr, als ich mit
ehrlicher Arbeit verdient habe“, sagt
er. Ein einschneidendes Erlebnis.
Von da an war er überzeugt, dass
sein Investment richtig war. Immer
wenn er wusste, dass er bald Geld
braucht und der Zeitpunkt günstig

war, verkaufte er ein paar Wertpapie-
re und kaufte später wieder hinzu.
„Eigentlich habe ich mir während
des Studiums alle Skiurlaube damit fi-
nanziert“, sagt er. Mittlerweile inves-
tiere er auch in andere Unternehmen
und Indexfonds, ETFs. „Der Aktien-
markt ist einfach zu schnelllebig“,
sagt er. Und in seinem Referendariat
fehlt ihm Zeit dafür.
Und wenn ein Spiel ansteht, lässt
er den Aktienmarkt links liegen.
Dann ist er ganz Fan: „Ich denke im-
mer: Borussia gewinnt!“, sagt er. Al-
les andere sei unsinnig. Auch wenn
er damit allein nicht seine Altersvor-
sorge finanzieren will, ist es ein Lang-
zeitinvestment: „Fußball ist schon
eher ein Wachstumsmarkt.“ Die Aktie
will er so lange halten, bis Borussia
die Champions League gewinnt – und
noch „viel, viel länger“.

*Name auf Wunsch geändert.


Am Rande des
Dortmunder
Westfalen-
Stadions: Wenn
Fan-Liebe zur
Anlagestrategie
wird.

plainpicture/Andreas Zierhut


Es gibt keinen


Grund zur


Panik, aber


wir müssen


vorsichtig


sein.


Jörg Kukies
Staatssekretär
Bundesfinanz-
ministerium

Blasenindex


Rückschlagspotenzial bei Immo-
bilien in Deutschland in Prozent

19 %


37 %


20 %


HANDELSBLATT

Deutschland
gesamt

Top-7-
Städte

Mittelgroße
Städte

Quelle: Empirica

Immobilien


Zunehmende Risiken


Die steigenden Preise für


Wohnimmobilien und höhere


Kredite treiben die Politik


und die Branche um.


D


er Staatssekretär im Bundes-
finanzministerium, Jörg Ku-
kies, erkennt immer größere
Risiken im Immobiliensektor. Der
Ausschuss für Finanzmarktstabilität
müsse sich die Frage stellen, welche
Konsequenzen die „überdurch-
schnittlichen Preisanstiege“ der ver-
gangenen Jahre auf die Risiken am
Markt habe, sagte Kukies auf dem Fi-
nance Day, einem vom Immobilien-
verband ZIA veranstalteten Bran-
chentreff, in Berlin. Wohnimmobilien
haben sich seit 2010 in Deutschland
um rund 50 Prozent verteuert. In
den sieben größten Städten – Berlin,
München, Hamburg, Frankfurt, Düs-
seldorf, Köln und Stuttgart – haben
sich die Preise seitdem verdoppelt.
Belastend findet Kukies bestimmte
Indikatoren: So sei etwa die Lücke
zwischen der Entwicklung der Kre-
ditvergabe und des Bruttoinlandpro-
dukts seit 21 Quartalen gestiegen.
„Das Finanzierungsvolumen hat sich
relativ zur Vermögenssituation also
deutlich erhöht“, sagte Kukies. Dies
müsse man genau im Blick haben.
Zudem deutet der bereits zehn Jahre
anhaltende Immobilienboom im Land
auf eine Spätphase des Branchenzy-
klus hin, wie der frühere Co-Chef von
Goldman Sachs in Deutschland beton-
te. Experten sehen die Branche bereits
„am Ende des Booms“, wie Ralph Hen-
ger, Immobilienökonom des Instituts
IW, sagte. Er verwies auf den Immobi-
lienindex seines Hauses, der zuletzt
drei Quartale in Folge gesunken ist. Ku-
kies betonte aber, die Verschuldung
der Privathaushalte sei im internationa-
len Vergleich noch auf moderatem Ni-
veau: „Es gibt keinen Grund zur Panik,
aber wir müssen vorsichtig sein.“
Analysen des Immobilienfinanzie-
rungsvermittlers Dr. Klein zufolge
nehmen Deutsche allerdings immer
höhere Kredite für Immobilienkäufe
auf. Lag die durchschnittliche Darle-
henssumme im September 2018
noch bei 228 000 Euro, sind es ein
Jahr später 259 000 Euro. Der über
Darlehen finanzierte Anteil des Kauf-
preises kletterte auf knapp 85 Pro-
zent nach zuvor unter 80 Prozent.

 
      
 
 



   
 
 


  


 
 

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Private Geldanlage
MITTWOCH, 23. OKTOBER 2019, NR. 204

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