Handelsblatt - 23.10.2019

(Jacob Rumans) #1

Christoph Schlautmann München


A


n diesen Rückschlag erinnert sich Kai
Sannwald heute mit Vergnügen. 2018
hatte der Reisekonzern Thomas
Cook, den der Broker aus München-
Pasing bis dahin mit Urlaubs-Mietwa-
gen versorgte, seinen Droschken-„Tender“ europa-
weit neu ausgeschrieben. Im November setzte sich
der Wettbewerber Sixt durch, unter persönlichem
Engagement von Gründergattin Regine Sixt. Ge-
meinsam mit Thomas Cook biete Sixt nun einen
„Rundum-sorglos-Urlaub“, schwärmte sie nach der
Vertragsunterzeichnung.
Die anschließende Megapleite des Reisekonzerns
ging somit fast spurlos an Sannwalds Firma Sunny
Cars vorüber. Fast – denn die Einbindung seines
Münchener Konkurrenten ins Thomas-Cook-Sys-
tem hakte mancherorts derart, dass ausgewählte
Konzernagenturen entgegen der neuen Vereinba-
rung an Sunny Cars festhielten.
Damit landet der hochgewachsene Unternehmer
nun doch noch auf der Insolvenztabelle des briti-
schen Urlaubsriesen – „voraussichtlich aber nur mit
einem fünfstelligen Betrag“, wie er vermutet. „Bei
einer anderen Entscheidung aus London“, sagt der
52-Jährige, „hätte es viel schlimmer kommen kön-
nen.“
Dass es nun ausgerechnet Sixt trifft, dürfte den
gebürtigen Stuttgarter mit Genugtuung erfüllen –
ohne dass er es nach außen zeigt. Vor Jahren schon
hatte Mietwagen-Patriarch Erich Sixt Vermittler wie

Sunny Cars, Holiday Autos oder Auto Europe öf-
fentlich geschmäht. Für ihn ergäben Broker keinen
Sinn, erklärte er in einem Interview. „Sie haben
keinen Platz in der Wertschöpfungskette zwischen
Mietwagenfirmen und Reisebüros“, kritisierte
Münchens Mietwagenkönig. Unter den 130 Flotten-
anbietern, mit denen Sannwald kooperiert, fehlt
Sixt bis heute.
Andere, wie etwa Hertz, beendeten vor rund 15
Jahren offiziell den Kleinkrieg gegen die Broker.
Viele aus gutem Grund: Die Software-Anbindung
mit den einzelnen Reisebüros, Urlaubsseiten im In-
ternet und Spezialveranstaltern erschien den meis-
ten angesichts der überschaubaren Urlauberumsät-
ze zu mühsam. Den eigenen Vertrieb konzentrier-
ten sie deshalb lieber auf eine profitablere Klientel:
die Firmenkunden.
Um sich dem automobilen Wohl der Urlauber zu
widmen, stand Sannwald früh bereit. 1991 hatte er
das in Deutschland bis dahin fast unbekannte Ge-
schäftsmodell aus Großbritannien abgekupfert –
und brach für die Firmengründung sein BWL-Stu-
dium an der TU Berlin ab.
Gestartet wurde in einem dunklen Kellerbüro.
„Ich bin mit meinem Mietwagensortiment zu-
nächst von Reisebüro zu Reisebüro getingelt“, erin-
nert sich der Firmenchef, der auch heute noch un-
gern am Tisch sitzt und im Gespräch immer wieder
aufspringt. „Dabei war mein Angebot in den ersten
zwei Jahren noch ziemlich löchrig.“

Wie bei einer Handvoll deutscher Wettbewerber
blüht Sannwalds Geschäft, von Urlaubern meist
unbemerkt, zwischen den Autohöfen der Vermie-
ter und den Computerterminals der Reisebüros.
Ausgestattet mit einem Mengenrabatt, beschafft
sich Sunny Cars Kontingente von den Flottenbetrei-
bern in den Urlaubsgebieten – nicht nur von Groß -
anbietern wie Hertz, Enterprise oder Europcar,
sondern auch von lokalen Firmen wie „Cicar“ auf
den Kanaren oder „Sicily by Car“ in Italien.
Dass Sunny Cars mit 8 000 vermittelten Mietwa-
genstationen in 120 Ländern der größte unabhängi-
ge Ferienauto-Vermittler im deutschsprachigen
Raum ist, dürfte kaum einem Urlauber auffallen.
80 Prozent der Feriensuchenden buchen das Sun-
ny-Cars-Angebot über Reisebüros, Online-Reisepor-
tale oder Meta-Suchmaschinen wie „Billiger-Miet
wagen.de“ und „Check24“.
Nur ein kleiner Hinweis auf dem Voucher verrät,
mit wem die Touristen den Mietvertrag geschlos-
sen haben. Über den Abholstationen leuchten
schließlich die Werbetafeln von Hertz, Europcar
oder Alamo. „Im Prinzip“, beschreibt Sannwald
sein Geschäftsmodell, „funktionieren wir ähnlich
wie der Online-Hotelvermittler Booking.“
Damit die Buchungen automatisch verarbeitet
werden, hat er etliches in die IT von Sunny Cars
investiert. „Wir besitzen Schnittstellen zu allen
Reisebüros und sind in den großen Reservie-
rungssystemen wie Amadeus integriert“, sagt der
Firmenchef. Die 50 größten Flottenbetreiber hat
er ebenso online mit dem Brokersystem verbun-
den. „Mir liegt das Tüfteln an der IT“, sagt Sann-
wald, „wahrscheinlich, weil ich gebürtiger Schwa-
be bin.“

Kräftiges Plus bei den Buchungen


Dem Problem, dass in den Urlaubsgebieten nicht
selten fragwürdige Mietwagenanbieter den Ferien-
spaß verderben, begegnet Sunny Cars mit einem
umfassenden Reporting. Kundenreklamationen ge-
hen unmittelbar weiter an die Stationen. Häufen
sie sich weiter, werden Verträge gekündigt – wie zu-
letzt 2013 in einem großen Rundumschlag. „Wir
können es uns nicht erlauben“, erklärt Sannwald,
„in den Reisebüros als unsicherer Anbieter dazu-
stehen.“
Bislang scheint ihm dies zu gelingen. Auf der On-
line-Bewertungsplattform „Trustpilot“ liegt Sunny
Cars, gemessen am Anteil der Bestnoten, aktuell
mit 80 Prozent branchenweit vorn. Der einstige
deutsche Marktführer Holiday Autos, nach mehre-
ren Besitzerwechseln heute Tochter der irischen
IT-Firma Etrawler, kommt lediglich auf eine Quote
von 72 Prozent. Auto Europe, seit 2006 im Besitz
des US-Finanzinvestors Court Square, muss sich
mit 62 Prozent begnügen. Noch weit dahinter lie-
gen die zwei deutschen reiseveranstaltereigenen
Broker Tui Cars und Drive FTI.
Auch der Deutsche Reiseverband (DRV) stellt
dem Pasinger Mietwagen-Broker, den er eigenen
Mitgliedern mit einem Sonderrabatt vermittelt, gu-
te Noten aus. „Wir arbeiten mit Sunny Cars seit Jah-
ren zuverlässig und reibungslos zusammen“, heißt
es dort.
Dem Unternehmen mit seinen 170 Mitarbeitern
hat all dies in den vergangenen Jahren einen kräfti-
gen Zuwachs gebracht. 830 000 Buchungen zählte
man im vergangenen Jahr, 2015 waren es gerade
einmal 580 000. Bei einem Vermittlungsumsatz
von 270 Millionen Euro, von dem 72 Millionen
Euro über das eigene Konto gingen, blieb Sunny
Cars 2018 ein Nettogewinn von stattlichen 7,4 Mil-
lionen Euro.
„Seit 1997 finanzieren wir uns aus dem eigenen
Geschäft“, gibt Autoverleiher Sannwald zu Proto-
koll, der selbst ein 911er-Youngtimer-Cabrio steuert.
Auf Banken oder Finanzinvestoren brauche er kei-
ne Rücksicht zu nehmen.
Entsprechend locker nimmt er es deshalb, dass
er das Jahresziel für 2019 wohl um die Hälfte ver-
fehlt. Angepeilt hatte Sannwald ursprünglich ein
Wachstum von zehn Prozent, bis ihm die überra-
schende Flaute der Reisebranche einen Strich
durch die Rechnung machte. „Trotzdem sind wir
auch mit einem Plus von fünf Prozent ganz hap-
py“, bleibt er entspannt.

Kai Sannwald


Das Auto der

anderen

Hinter den Kulissen der deutschen Urlaubsindustrie wächst


Sunny Cars zum Großanbieter im Mietwagengeschäft –


ohne selbst Fahrzeuge zu besitzen.


Kai Sannwald:
Er startete mit
seinem Unter-
nehmen in
einem dunklen
Kellerbüro.

Alice Vogel/SunnyCars

Im Prinzip


funktionieren


wir ähnlich


wie der


Online-Hotel -


vermittler


Booking.


Kai Sannwald
Chef Sunny Cars

Familienunternehmen


des Tages


MITTWOCH, 23. OKTOBER 2019, NR. 204


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