Franz Hubik Stuttgart
E
inen Luftsprung hat Daimler-Chef Ola
Källenius nicht gewagt, aber der
Schwede zeigte sich beim Handelsblatt-
Auto-Gipfel doch sichtlich erleichtert,
nach Milliardenverlusten im Sommer
nun wieder Gewinne vorweisen zu können. „Es
war ein ordentliches Quartal“, kommentierte Käl-
lenius seine zweite Zwischenbilanz als Vorstands-
chef des Mercedes-Herstellers.
Dank eines starken Absatzes bei der Kernmarke
mit dem Stern konnte der Stuttgarter Dax-Konzern
die Schmach roter Zahlen hinter sich lassen und
von Juli bis September ein Ergebnis vor Steuern
und Zinsen (Ebit) von rund 2,7 Milliarden Euro er-
wirtschaften. Das ist ein Plus von acht Prozent im
Vergleich zum Vorjahr. Auch der Umsatz legte um
acht Prozent auf 43,3 Milliarden Euro zu.
Für Källenius ist das ein positiver Zwischen-
schritt, der aber nicht davon ablenken soll, wie der
50-Jährige selbst sagt, in welch schwieriger Lage
sich der Auto- und Lastwagenhersteller befindet:
„Wir sind in der Transformation. Da kommt noch
viel Gegenwind. Wir haben noch sehr viel zu tun.“
Einerseits stehe seine Industrie, die von freiem
Warenverkehr und geringen Zöllen in den vergan-
genen Jahren enorm profitiert hat, durch zuneh-
mende Handelsbarrieren unter Druck. Anderer-
seits muss Daimler wie der Rest der Branche eine
„Jahrhundertaufgabe“ meistern, erläutert Källeni-
us: die klimaneutrale Mobilität. Autos, die bisher
vorwiegend mit Benzin und Diesel angetrieben
werden, müssen künftig mit grünem Strom oder
Wasserstoff fahren. „Das ist nicht etwas Vorüberge-
hendes, das ist eine grundlegende Veränderung“,
sagt der Manager.
Daimler will bis 2039 seine Neuwagenflotte kom-
plett klimaneutral darstellen, um etwa die CO 2 -Zie-
le der EU erfüllen zu können. Auch die Sportwa-
gentochter AMG – der bis dato größte Spritschlu-
cker mit zugleich den höchsten Renditen im
Daimler-Konglomerat – soll ergrünen. „Der nächste
Schritt für AMG ist eine vollumfängliche Hybridisie-
rung“, kündigte Källenius an. „Das geht los in circa
einem Jahr.“ Der 1,95 Meter große Schwede ist
überzeugt: Ein Stück weit muss Daimler als Erfin-
der des Automobils die „Erfindung neu erfinden“.
Das gilt auch für PS-Boliden wie jene von AMG, die
künftig neben einem Verbrennungsmotor mit ei-
nem Akkupaket ausgestattet werden.
Um die Transformation zu meistern, fordert Käl-
lenius einen Schulterschluss aller Akteure. Am
- November wollen sich die Bundesregierung und
die Autoindustrie erneut bei einem Gipfeltreffen
darüber austauschen, wie sich mehr E-Autos auf
die Straße bringen und die Ladeinfrastruktur ver-
bessern lassen. „Meine Erwartungshaltung für No-
vember ist, dass man erste Beschlüsse treffen kann
und muss“, erklärte Källenius. Er wolle seinen Kun-
den die Stromautos nicht aufzwingen, sondern ih-
nen diese vielmehr mit guten Rahmenbedingungen
schmackhaft machen.
Dieser grüne Wandel verschlingt freilich enorm
viel Kapital. Källenius bläut seinen 300 000 Mitar-
beitern weltweit daher seit Monaten verstärktes Ef-
fizienzbewusstsein ein. „Um die Transformation in
den nächsten Jahren zu meistern, müssen wir die
Anstrengungen allerdings noch erheblich steigern:
Wir müssen unsere Kosten deutlich reduzieren
und den Cashflow konsequent stärken.“
Tatsächlich liegt bei Daimler noch vieles im Ar-
gen. Vom eigenen Anspruch („Das Beste oder
nichts“) sind die Schwaben noch immer weit ent-
fernt. Nach einem Dreivierteljahr hat sich der Ge-
winn im Vergleich zu 2018 mehr als halbiert.
Schlimmer noch: der Free Cashflow ist negativ, be-
trägt minus 522 Millionen Euro. Daimler hat bis En-
de September de facto kein Geld verdient. Kon-
zernchef Källenius will nun drastisch gegensteuern
und forciert daher Sparprogramme in den einzel-
nen Divisionen.
Die Effizienzkataloge mit Namen wie „Move“ für
Mercedes, „Boost“ für Vans, „Go4four“ für Daimler
Trucks, „Fit4Tomorrow“ für Daimler Mobility und
„Move ParentCo“ für die Daimler AG als Dachge-
sellschaft sollen den Mittelabfluss massiv reduzie-
ren. Details dazu will Källenius aber erst auf einem
Kapitalmarkttag am 14. November in London vor-
stellen. Dann soll der öffentliche Kassensturz erfol-
gen. Mit den jüngsten Quartalszahlen konnte Daim-
ler bereits überzeugen. Am Donnerstag legte der
Aktienkurs der Schwaben um teils mehr als vier
Prozent zu.
Hoffnung bereiten den Anlegern vor allem die
besseren Verkaufszahlen bei der Autosparte Merce-
des. Die Marke mit dem Stern konnte im Juli, Au-
gust und September jeweils zweistellig wachsen
und drehte damit den zuvor rückläufigen Absatz
nach neun Monaten ins Plus. Nach drei Quartalen
hat Mercedes 1,72 Millionen Fahrzeuge abgesetzt,
ein Zuwachs von 0,6 Prozent. Während der Weltau-
tomarkt schrumpft, kann Mercedes zulegen.
Einen Rückschlag muss Daimler dagegen bei sei-
nen Trucks hinnehmen, der zweitgrößten Sparte
nach dem Pkw-Geschäft. Der weltgrößte Lastwa-
genhersteller passt seine Prognose an. Für das Ge-
samtjahr 2019 rechnet Daimler Trucks nur noch
mit einer Umsatzrendite von sechs bis acht Pro-
zent. Daimler-Finanzchef Harald Wilhelm betonte
zudem, man sehe die Rendite „eher am unteren
Ende der Bandbreite“. Zum Vergleich: Bisher hatte
Daimler Trucks eine Marge von bis zu neun Pro-
zent in Aussicht gestellt.
Daimler-Chef
„Die Erfindung
neu erfinden“
CO 2 -freie Mobilität verändert Daimler
komplett. CEO Ola Källenius will selbst die
Sportwagentochter AMG elektrifizieren.
Mercedes AMG GT: Auch Daimlers Sportwagen-
tochter soll elektrische Antriebe bekommen.
Bloomberg/Getty Images
Daimler-Chef Ola Källenius (r.) mit Handelsblatt-Chefredakteur Sven Afhüppe: „Wir haben noch sehr viel zu tun.“
Marc-Steffen Unger für Handelsblatt
2018
Daimler
Kennzahlen für das 3. Quartal
40 ,
43,
2,
2,69 559 539
604 655
+8,1 %
+8,
%
+7,
%
HANDELSBLATT
Umsatz
in Mrd. Euro
Ergebnis (Ebit)
in Mrd. Euro
Pkw-
Absatz*
*Mercedes Benz Cars • Quelle: Unternehmen
2019
Aufmerksames Publikum: Großes Interesse an
den Diskussionen rund um die Mobilitätswende.
Mobilität der Zukunft
WOCHENENDE 25./26./27. OKTOBER 2019, NR. 206
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