für die akademische Lehre uninteressant. Er foto-
grafiere alles so gleich, moniert Elisabeth Neudörfl,
Professorin für Dokumentarfotografie in Essen.
Warum Salgado instinkthaft große Themen vor
anderen erkennt, lässt sich aus seiner Biografie
erahnen: Er hat Entwurzelung, zerstörte und intak-
te Natur schon früh mitbekommen. Aufgewachsen
ist er auf dem Land, einer bergigen Region, nördlich
von Rio. Es ist ein Landstrich, wo Portugal als Kolo-
nialmacht afrikanische und indigene Sklaven nach
Gold und Diamanten schürfen ließ, wo bis heute
Erz gefördert wird. Salgado wuchs auf der Farm sei-
ner Familie auf, studierte später Volkswirtschaft an
renommierten Unis. Auch in Brasilien waren die
68er-Jahre eine unruhige Umbruchphase. Aber an-
ders als in Europa oder den USA waren die Studen-
tenproteste, an denen sich Salgado beteiligte, le-
bensgefährlich wegen der Repression der regieren-
den Militärs. Salgado ging mit seiner Frau Lélia ins
Exil nach Paris. Dort leben sie bis heute.
Er arbeitete als Ökonom für die Internationale
Kaffeeorganisation, reiste um die Welt, auch für die
Weltbank, und begann, mit der Leica seiner Frau
zu fotografieren. 1973 macht er sich selbstständig
als Fotograf, schon bald im Auftrag von renom-
mierten Agenturen, bis er 1979 zu Magnum wech-
selte. „Meine Fotos haben sicherlich eine ästheti-
sche Dimension“, entgegnet er auf Vorwürfe, er
würde trostloses Elend ästhetisch darstellen. Das
sei unbestritten. „Meine Sprache ist das Licht.
Denn es ist auch und vor allem die Mission, Licht
auf Ungerechtigkeit zu werfen, die meine Arbeit als
Sozialfotograf bestimmt.“
Seine Bilder wirken so plastisch, weil Salgado
Licht und Schatten in extrem vielen Grautönen ein-
fängt. Deshalb beschäftigt der Künstler einen
Mann, der die Belichtungszeiten für jede Aufnah-
me in vielen Stunden berechnet. Wim Wenders
wollte diesem Anspruch in seinem Film nahekom-
men. Doch er gab nach kurzer Zeit auf, erzählte er
dem Handelsblatt, weil das sein Budget gesprengt
hätte.
In Wenders Film ist zu sehen, wie Salgado in ei-
ner immer frenetischeren Frequenz in die politi-
schen Konflikt gebiete Afrikas reist. Die Fotos, die er
zurückbringt, sind kaum zu ertragen in ihrer Inten-
sität. Auch Salgado bezahlte dafür. „Ich wurde in
dieser Geschichte verletzt. Ich sah den Tod auf eine
schreckliche Weise und die Gewalt, die wir selbst
verursacht haben. Ich glaubte nicht mehr, dass die
menschliche Spezies eine Überlebenschance hät-
te.“ Salgado wurde krank, hörte auf zu fotografie-
ren.
Und kehrte im Jahr 2000 auf seine Farm zurück,
wo er aufgewachsen war. Doch das Paradies seiner
Kindheit war verödet: Wo er im Atlantikregenwald
noch das Spiel von Licht und Schatten erlebt hatte,
klaffte eine Mondlandschaft. „Sie war genauso ver-
wundet, so tot wie ich.“ Er begann das Land aufzu-
forsten. Inzwischen hat er 2,5 Millionen Bäume ge-
pflanzt auf den 700 Hektar. Aus der braunroten
Brache ist ein Regenwald geworden mit Hunderten
von neuen Bächen, wilden Tieren. „Auch wenn du
kein einziges Foto gemacht hättest, Sebastião,
wärst du trotzdem ein Held des Friedens. Dann
würden die fast drei Millionen Bäume für dich
sprechen“, sagt Wenders in der Frankfurter Pauls-
kirche bei der Preisverleihung.
Warum Salgado letztendlich den Friedenspreis
bekommen hat, erklärt Wenders so: „Weil er sich
Zeit genommen hat für die Grundlagenforschung,
die jedem dauerhaften Frieden vorgelagert ist.“ Sal-
gados nächstes Werk soll 2021 erscheinen. Das The-
ma wird sein: Amazonien.
Mitarbeit: Susanne Schreiber
Kunstmarkt
WOCHENENDE 25./26./27. OKTOBER 2019, NR. 206
65
Sebastião
Salgado: GENESIS
Lélia Wanick
Salgado,
Hardcover mit 17
Ausklappseiten,
520 Seiten,
Taschen Verlag,
60 Euro
Sebastião
Salgado: Gold
S. Salgado, L.
Wanick Salgado,
A. Riding,
Hardcover,
208 Seiten,
Taschen Verlag,
50 Euro
Sebastião
Salgado: Kuwait.
Eine Wüste in
Flammen
S. Salgado, Lélia
Wanick Salgado
Hardcover,
208 Seiten,
Taschen Verlag,
50 Euro
Gefälschter Richter
BERLIN Die Kunstwelt hat einen
neuen Betrugs- und Fälschungsskan-
dal: Der Berliner Galerist Michael
Schultz (67) ist vergangene Woche
festgenommen worden, weil er im
dringenden Verdacht steht, mehrere
Personen um etliche Millionen Euro
betrogen und Urkunden gefälscht zu
haben. Gegen Auflagen ließ der
Haftrichter den Kunsthändler auf-
grund seines schlechten Gesund-
heitszustands einstweilen wieder
frei. Die Ermittlungen sind noch
nicht abgeschlossen.
Schon jetzt ist eine spektakuläre Fäl-
schung eines Bildes von Gerhard
Richter entlarvt worden: Das Gemäl-
de „Abstraktes Bild (705 —2)“ von
1989 tauchte bei Christie’s in New
York auf. Einlieferer war ein Samm-
ler, der dem offenbar in finanziellen
Schwierigkeiten steckenden Kunst-
händler Geld geliehen hatte. Als
Schultz den Kredit nicht zurückzah-
len konnte, gab er dem Sammler
stattdessen das angebliche Richter-
Gemälde, das dieser dann bei Chris-
tie’s versteigern lassen wollte. Eine
Echtheitsanfrage richtete das Aukti-
onshaus wie üblich an das Gerhard-
Richter-Archiv der Staatlichen
Kunstsammlungen Dresden. Diet-
mar Elger, dem Archivleiter und Au-
tor des Richter-Werkverzeichnisses,
kam das Werk bekannt vor. Er hatte
das Original 2015 in einer Ausstel-
lung bei Schultz gesehen und foto-
grafiert. An dem Foto von Christie’s
erkannte er sofort erhebliche Ab-
weichungen. Für Elger ist diese
Form der Fälschung neu: „Das ist
bislang der erste Fall, dass jemand
ein Bild von Gerhard Richter ko-
piert, also nachmalt. Fälle von neu-
en Kompositionen im Stil von Rich-
ter gibt es öfter“, sagte Elger dem
Handelsblatt am Telefon. „Es wäre
interessant zu wissen, wer das Origi-
nal heute besitzt. Ich hoffe auch,
dass sich im Zuge der aktuellen Be-
richterstattung der Besitzer bald
meldet.“ Regine Müller
Fälschung:
Aus der Galerie
Schultz (o.).
Original:
Gerhard Richter
„Abstraktes
Bild (705—2)“
von 1989.
Gerhard Richter
Sebastião
Salgado: Vor
Menschen und
Autos ergreift der
Elefant in Sambia
S,Salgado/ Amazonas Images die Flucht.
IN KÜRZE
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