Thomas Jahn Düsseldorf
E
ine Bürovermietung? Für Adam
Neumann war WeWork immer
schon viel mehr als das. Es sei
ein Unternehmen für das „Wir
gegen ich“. Allein in den Prospek-
ten für den jetzt abgesagten Börsengang ist
150-mal das Wort „Gemeinschaft“ zu lesen.
Zum Jahresanfang benannte der Mitbegrün-
der von WeWork das Unternehmen in „We
Company“ um. „Als Bürgermeister, Führer,
Vorstandschefs ist es unsere Verantwortung,
den Lauf der Zukunft zu bestimmen“, sagte
Neumann 2018. „Und der Trend der Zukunft
ist ,wir statt ich‘.“
Allerdings ist nicht mehr viel vom Wirge-
fühl zu hören. Mit dem gefloppten Börsen-
gang kamen einige Dinge zutage, die sich vor
allem um das Ich des Gründers drehen. So
sollte Neumann Sonderaktien erhalten, die
ihm die Stimmenmehrheit sichern. Im Unter-
nehmen regierte er fast allein durch. Jetzt ist
er gefeuert – und erhält zum Abschied 1,7 Mil-
liarden Dollar.
Für besondere Leistung kann das Geld
nicht gewesen sein. Die Verluste beliefen sich
im vergangenen Jahr auf ganze 1,9 Milliarden
Dollar, im ersten Halbjahr 2019 auf mehr als
900 Millionen Dollar. Die Bewertung für We-
Work fiel von 47 auf jetzt acht Milliarden Dol-
lar. Der tiefe Fall ist vor allem durch die zuvor
großzügigen Investments von Softbank zu er-
klären. Der Chef des japanischen Investment-
fonds, Masayoshi Son, ließ sich auf immer
höhere Bewertungen in den Finanzierungs-
runden ein. Neumann konnte Son um den
Finger wickeln mit dem Wirgefühl.
Denn nicht für eine Bürovermietung mit
hippen Möbeln zahlte Softbank so viel Geld,
sondern für ein Lebensgefühl einer neuen
Generation, die kollaboriert und teilt, digital
denkt und es trotzdem gerne kuschlig hat.
Neumann verkaufte WeWork als „physisches
soziales Netzwerk“, als eine Plattform für das
Teilen von Arbeitsfläche, als eine Kulturbewe-
gung des Wirgefühls.
Heute wollen Son und Softbank nichts
mehr von Neumann wissen. Der Investment-
fonds drängte ihn aus dem Unternehmen –
und musste dafür einiges springen lassen.
Wie bei vielen anderen hochbewerteten
Start-ups hat Neumann mehr Stimmrechte
als Anteile. Seine Aktien waren 20-mal so
mächtig wie die der anderen Teilhaber.
Die Mitarbeiter von WeWork sind wütend.
Ihre Aktienoptionen können sie aufgrund der
stark gefallenen Bewertung nicht einlösen.
4 000 Angestellte sollen laut Medienberich-
ten gehen, knapp ein Drittel der Belegschaft.
Marcelo Claure, der neue Verwaltungsrats-
chef von WeWork, hält mit seiner Einschät-
zung nicht hinter dem Berg: „Das sind harte
Zeiten für das Unternehmen, in denen es neu
aufgestellt wird“, schrieb Claure in einer
E-Mail an die Mitarbeiter. Claure ist Ge-
schäftsführer von Softbank und arbeitete als
Verwaltungsratschef von Sprint maßgeblich
an der Fusion mit der US-Telekom-Tochter
T-Mobile. Sein Urteil über Neumann fällt ver-
nichtend aus: WeWork würde es an „Fokus
im Kerngeschäft“ fehlen.
WeWork entstand 2010 fast aus Zufall. Die
Gründer Neumann und Miguel McKelvey hat-
ten sich zuvor mit anderen Start-ups eine blu-
tige Nase geholt. Neumann versuchte, Baby-
kleidung mit eingenähten Schutzschonern zu
verkaufen, McKelvey hatte in Tokio ein Portal
für Englischkurse aufgebaut. Die beiden lern-
ten sich in New York durch einen Arbeitskol-
legen von McKelvey kennen und waren mit
ihrem Arbeitsraum in Brooklyn nicht zufrie-
den, den sie sich mit Architekten oder Hut-
machern teilten: „Die Internetverbindung
war langsam, die Klimaanlage schlecht“, sag-
te McKelvey. Am schlimmsten aber fand er
die Isolation der Mieter, man sprach nicht
miteinander. „Wir wollten all diese Leute ei-
nander vorstellen, um sie durch ihre Verbin-
dungen und potenzielle Zusammenarbeit
stärker zu machen.“ Der erste Name Green
Desk änderte sich schnell in WeWork.
Die Persönlichkeit der Woche
Ich schlägt Wir
WeWork-Gründer Adam Neumann machte mit dem
Gemeinschaftsgefühl Milliarden. Die Mitarbeiter gehen leer aus.
Adam Neumann:
WeWork entstand
2010 fast aus Zufall.
PETER PRATO/The New York Times/R
Als Bürger -
meister, Führer,
Vorstandschefs
ist es unsere
Verantwortung,
den Lauf der
Zukunft zu
bestimmen.
Adam Neumann
Das sagte der
WeWork-Gründer 2018.
Bernhard Günther
Hoffnung auf
Aufklärung
Jürgen Flauger Düsseldorf
V
or eineinhalb Jahren war Innogy-Fi-
nanzvorstand Bernhard Günther Op-
fer eines Anschlags geworden. Am 4.
März 2018, nach einer Joggingrunde, wurde
Günther in der Nähe seines Hauses in Düssel-
dorf-Hahn überfallen und mit Säure übergos-
sen.
Jetzt meldete die Staatsanwaltschaft Wup-
pertal überraschend eine Festnahme. Den
Durchbruch brachten anonyme Hinweise:
„Die Hinweise und die sich anschließenden
Ermittlungen der Kriminalpolizei haben zu
einem dringenden Tatverdacht gegen einen
32-jährigen Mann geführt, der am 18. Oktober
2019 im Rahmen einer Sportveranstaltung in
Köln festgenommen wurde“, teilte die Behör-
de mit. Der Tatverdächtige befinde sich der-
zeit in Untersuchungshaft.
Daneben habe es aber auch gegen „weite-
re, mutmaßlich an der Tat beteiligte Perso-
nen“ Durchsuchungsmaßnahmen in mehre-
ren Städten gegeben. Die umfangreichen Er-
mittlungen, insbesondere die Auswertung
der bei den Durchsuchungen sichergestellten
Beweismittel, dauerten an. Mehr wollte die
Behörde aus „ermittlungstaktischen Grün-
den“ nicht mitteilen.
Tatsächlich hatten die Ermittlungsbehör-
den kaum noch Hoffnungen, Klarheit über
Täter und Motiv zu bekommen. Schon vor
über einem Jahr hatte die Staatsanwaltschaft
Wuppertal die Ermittlungen wegen versuch-
ten Mordes eingestellt. Günther selbst und
sein Unternehmen gaben die Hoffnung aber
nicht auf. Innogy setzte sogar eine Belohnung
von 80 000 Euro für Hinweise aus, die zur
Ergreifung der Täter führen.
Günther selbst wollte sich auf Anfrage
nicht zur Festnahme äußern. Für den 52-Jäh-
rigen muss es aber eine enorme Erleichte-
rung sein, schließlich sind die Umstände der
Tat bis heute mysteriös. „Natürlich ist es be-
sonders schwierig, mit so einer Tat umzuge-
hen, solange sie nicht aufgeklärt ist“, hatte er
einige Monate nach der Tat im Interview mit
dem Handelsblatt gesagt: „Wenn man nicht
weiß, warum sie erfolgt ist. Ist man noch be-
droht? Sind andere bedroht?“
Letztlich hatte Günther, wie er selbst sagt,
„Glück im Unglück“. Die Ärzte konnten sein
Augenlicht retten. Trotzdem ist die Behand-
lung langwierig. An der Bilanzpressekonfe-
renz im März 2019 nahm Günther mit getön-
ter Brille und schwarzem Stirnband teil.
Seine Arbeit hat der Manager aber längst
wieder mit Engagement aufgenommen. Gün-
ther ist der einzige Vorstand von Innogy, der
nach der inzwischen abgeschlossenen Über-
nahme durch Eon an Bord geblieben ist. Er
soll gemeinsam mit Eon-Vorstand Leonhard
Birnbaum gewährleisten, dass die Integration
der beiden Unternehmen gelingt.
Bernhard Günther: Anderthalb Jahre
nach dem Säureanschlag hat die Polizei
einen Tatverdächtigen verhaftet.
dpa
Namen
des Tages
WOCHENENDE 25./26./27. OKTOBER 2019, NR. 206
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