Um das zu ermöglichen, müsse die Fahr -
zeug architektur so aufgebaut werden, dass sie
nie ausfalle, sagt Kesselgruber. Allerdings müs-
sen auf dem Weg zum autonomen Fahren noch
zahlreiche Rechts- und Haftungsfragen beant-
wortet werden, sagt Thomas Laubert, Chefjus-
tiziar bei Daimler. „Wir müssen klären, wie das
System reagiert, wenn unvorhersehbare Ereig-
nisse eintreten. Das Verhalten in solchen Situa-
tionen müssen wir auch rechtlich vereinheitli-
chen, und das zumindest europaweit.“
Wie schwer es ist, einen Rechtsrahmen für
das autonome Fahren zu etablieren, zeigen
die USA. Dort habe man Laubert zufolge eine
bundesweite Regelung angestrebt, ist daran
aber gescheitert. Bislang gibt es lediglich
Richtlinien zum autonomen Fahren, die je-
doch rechtlich nicht bindend sind. Das sieht
VW-Manager Hitzinger als ernste Gefahr.
„Wenn es ernste Unfälle mit unreifer Techno-
logie gibt, kann es die Entwicklung des auto-
nomen Fahrens in der gesamten Industrie um
Jahre zurückwerfen.“
Neben den technischen und rechtlichen
Hürden muss das autonome Fahren auch
wirtschaftlich machbar sein. „Die Kosten für
die Sensorik müssen auf ein akzeptables Ni-
veau gesenkt werden“, sagt Hitzinger. Lidar-
Sensoren beispielsweise sind für Personen-
kraftwagen von Privatkunden viel zu teuer.
Daher sind sich alle Autohersteller und Zulie-
ferer einig, dass das autonome Fahren sich zu-
nächst im Nutzfahrzeugbereich beziehungs-
weise in der gewerblichen Anwendung durch-
setzen werde.
Auch müsse die Computerleistung bezahl-
bar sein, sagt der VW-Entwickler. Zudem steht
den Rechnern in Elektroautos nur eine be-
grenzte Menge an Energie zur Verfügung.
Trotz dieser Herausforderungen glaubt Kes-
selgruber von Schaeffler, dass bereits in 15 bis
17 Jahren rund 40 Prozent der Fahrzeuge im
Straßenverkehr höhere Automatisierungsgra-
de besitzen werden. „Wir stehen im Bereich
des autonomen Fahrens in Deutschland gar
nicht so schlecht da. Die meisten Fahrerassis-
tenzsysteme beispielsweise haben deutsche
Unternehmen entwickelt.“
Jutta Kleinschmidt: Die ehemalige Rallye-Fahrerin liebt die
Beschleunigung von Elektroautos.
Marc-Steffen Unger für Handelsblatt
Zukunfts -
forscher
Matthias Horx:
Geschwindigkeit
ist eine Droge. Marc-Steffen Unger für Handelsblatt
Fahrgefühl
Schön statt Sound
Auf dem Vorabend des Autogipfels wurde darüber diskutiert, was vom
Fahrgefühl bleibt, wenn Elektroautos den Verbrenner ersetzen.
M
atthias Horx hat eine klare und pro-
vokante Meinung zur deutschen
Automobilindustrie: „Sie ist einer
der größten Drogendealer der Welt“, sagt der
Zukunftsforscher auf dem Vorabend des Han-
delsblatt Autogipfels. Und er gibt zu, dass er
sich beim Dahingleiten auf der Autobahn
durchaus zu den Abhängigen zählt.
Gemeinsam mit Rallye-Dakar-Gewinnerin
Jutta Kleinschmidt und Porsche-Designer
Matthias Kulla hat Andrea Rexer, Handels-
blatt-Ressortleiterin Unternehmen & Märkte,
über das Fahrgefühl in Zeiten der Elektromo-
bilität diskutiert. Die entscheidende Frage
des Abends war, was vom ursprünglichen
Fahren übrigbleibt, wenn der Verbrennungs-
motor verschwindet und mit ihm die Motor-
geräusche und -vibrationen.
Für Horx ist es die Geschwindigkeit – und
die sorge ähnlich wie beim Drogenkonsum
zu einer Dopaminausschüttung im menschli-
chen Gehirn. Es ändere sich auch die Wahr-
nehmung des Antriebs. Während der Ver-
brennungsmotor Kraft produziere, suggeriert
der Elektromotor dem Zukunftsforscher zu-
folge Energie.
Porsche-Designer Matthias Kulla hingegen
glaubt, dass die Optik eines Autos mit der
E-Mobilität in den Vordergrund rücke. „Die
optische Differenzierung ist bei E-Autos wich-
tiger, weil das Motorgeräusch als Distinkti-
onsmerkmal wegfällt“, sagt Kulla. Damit wer-
de das Fahrzeugdesign in Zukunft der Haupt-
botschafter einer Marke sein.
Über das Aussehen eines Elektrofahrzeugs
wird sich auch dessen Erfolg definieren. „Tes-
la hat gezeigt, dass ein E-Auto nicht ulkig aus-
sehen muss“, sagt er.
Jutta Kleinschmidt, die 2001 die Rallye Da-
kar als erste und bislang einzige Frau gewon-
nen hat, ist Motorsportlerin durch und durch,
dem Verbrennungsmotor weint sie dennoch
keine Träne nach.
Beschleunigung begeistert
„Ich mag es, schnell zu fahren“, sagt Klein-
schmidt und erzählt von ihrer ersten Erfah-
rung mit einem Elektroauto: „Die brachiale
Beschleunigung des elektrischen Antriebs hat
mich sofort begeistert.“
Die Physik-Ingenieurin ist davon überzeugt,
dass viele Autofahrer noch immer auf die
Leistung ihres Fahrzeugs großen Wert legen:
„Ich glaube, dass es Autofahrern weiterhin
wichtig sein wird, ein Fahrzeug zu haben, mit
dem sie schnell fahren können, wenn sie wol-
len.“
Den Motorsport sieht Kleinschmidt beim
Thema Umweltschutz noch am Anfang. Aller-
dings glaubt sie nicht, dass E-Antriebe die
richtige Wahl seien. Denn bei ihrer Fahrweise
überhitzen die Batteriefahrzeuge doch relativ
schnell nach nur wenigen Runden auf der
Rennstrecke. Die Motorsportlerin hofft auf ei-
ne Alternative. „Der Umstieg auf die Brenn-
stoffzelle bietet sich im Motorsport eher an
als auf Elektroantriebe“, sagt Kleinschmidt.
Roman Tyborski
Mobilität der Zukunft
WOCHENENDE 25./26./27. OKTOBER 2019, NR. 206
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