Die Welt am Sonntag - 20.10.2019

(Sean Pound) #1
SACHSEN-ANHALT

NATUR OHNE GRENZEN


Eine kleine Gruppe Wan-
derer in knallbunten Funk-
tionsjacken steigt er-
schöpft die Betonplatten
des steilen Kolonnenwegs
hinauf. Heutzutage ist das
ein gewöhnlicher Anblick.
Doch über Jahrzehnte hin-
weg waren die grenznahen
Gebiete im Harz Sperrge-
biet. Auf dem Kolonnenweg
fuhren die Geländewagen
der DDR-Grenztruppen
Patrouille und bewachten
die innerdeutsche Grenze
vor Übertritten sogenann-
ter „Republikflüchtlinge“.
Dieses Stück deutsche Ge-
schichte können Wanderer
auf dem Harzer Grenzweg
erleben. Der Weg führt
rund 90 Kilometer entlang
der einstigen Grenze und
verbindet die Zeugnisse
der deutschen Teilung und
die unberührte Landschaft
des Mittelgebirges.

Die Route beginnt an einem
Grenzturm in der Nähe von
Rhoden, verläuft über Ab-
benrode und überquert den
1.142 hohen Brocken, wo der
Grenzweg den bei Wanderern
beliebten Harzer Hexenstieg
sowie den Teufelsstieg kreuzt.
Weiter entlang der Orte
Braunlage, Sorge, Hohegeiß
und Bad Sachsa endet der
Harzer Grenzweg schließ-
lich im Grenzlandmuseum
in Tettenborn. Der teilweise
anspruchsvolle Wanderweg,
sein Höhenprofil erstreckt
sich über 1.000 Höhenmeter,
ist mit einem grünen G für

Grenzweg auf weißem Hin-
tergrund ausgeschildert. Info-
tafeln erklären Biotope und
historische Stätten am Weges-
rand, wie den Grenzfluss Ecker,
den Dreieckigen Pfahl, einen
historischen Dreiländerstein
oder den Grenzöffnungsge-
denkstein zwischen den Orten
Braunlage und Elend. Zudem
gibt es entlang der Route 20
Stempelstellen, die Bestand-
teil der Harzer Wandernadel
sind – eine Ehrung für beson-
ders aktive Wanderfreunde.
Der Harzer Grenzweg hat
über Strecken auch einen ge-
meinsamen Verlauf mit dem
„Grünen Band“. An der 1.390
Kilometer langen innerdeut-
schen Grenzlinie entwickelte
sich in jahrzehntelanger Unge-

störtheit ein einzigartiges
Naturparadies. Nach der
Deutschen Wiedervereini-
gung wurde das Gebiet des
Grünen Bandes unter Schutz
gestellt. Heute leben mehr als
1.200 seltene sowie gefährde-
te Tier- und Pflanzenarten an
der ehemaligen Grenzlinie.
Neben einer vielfältigen Flora
und Fauna gibt es für Wan-
derer auf dem Harzer Grenz-
weg auch Kunst am „Grünen
Band“ zu besichtigen. Bei Sor-
ge schuf der Künstler Herman
Prigann den „Ring der Erinne-
rung“, ein Symbol für die Be-
dingungslosigkeit und gleich-
zeitige Vergänglichkeit von
Grenzen. Auch das Kunstwerk
„Begegnung I und II” zwischen
Vienenburg und Osterwieck,

das von einem Künstlerkollek-
tiv stammt, thematisiert die
ehemalige Grenzlinie.
Lohnenswert für einen kleinen
Abstecher vom Harzer Grenz-
weg ist das Städtchen Oster-
wieck im Harzvorland mit
seinen rund 380 Fachwerk-
häusern in der historischen
Altstadt. Insbesondere der
spätmittelalterliche „Schäfers
Hof“ mit seinem zehneckigen
Taubenturm ist einen Besuch
wert.
30 Jahre nach der Deutschen
Wiedervereinigung steht der
Harzer Grenzweg als ein Sinn-
bild für die Überwindung der
Teilung. Für Naturfreunde bie-
tet er eine ausgezeichnete Ge-
legenheit ein Stück deutsche
Geschichte zu erwandern.

BEWANDERT IN DEUTSCHER GESCHICHTE

DER HARZER GRENZWEG


AM „GRÜNEN BAND“


Wanderer auf dem Harzer Grenzweg vor atemberaubender Kulisse

Erdbeerklee, Salzbinse und Erdbeerklee, Salzbinse und
Tausendgüldenkraut, BraunTausendgüldenkraut, BraunTausendgüldenkraut, Braun-
kehlchen, Kiebitz oder Fisch-kehlchen, Kiebitz oder Fisch-
otter sind nur einige „Bewohotter sind nur einige „Bewohotter sind nur einige „Bewoh-
ner“ des „Grünen Bandes“. ner“ des „Grünen Bandes“.
Die 1.390 Kilometer lange Die 1.390 Kilometer lange
Grenzlinie, die Deutschland Grenzlinie, die Deutschland Grenzlinie, die Deutschland

in Ost und West teilte, war
über vier Jahrzehnte streng
bewacht und durfte nicht
betreten werden. So ent-
wickelte sich ein einzigar-
tiges Naturparadies. Nach
der Deutschen Wiederver-

einigung wurde das Gebiet
des „Grünen Bandes“ unter
Schutz gestellt. Heute haben
mehr als 1.200 seltene sowie
gefährdete Tier- und Pflan-
zenarten ihren Lebensraum
im einstigen Todesstreifen.

Das „Grüne Band“ ist nicht nur
ein Paradies für Flora und Fau-
na, sondern auch eine Schatz-
kammer für Naturliebhaber.
Unter dem Motto „Grenzen
trennen – Natur verbindet“ bie-
tet das Nationale Naturmonu-

ment Besuchern eindrucksvolle
Erlebnisse. In Sachsen-Anhalt
erstreckt sich das Grüne Band
über 343 Kilometer entlang der
Landesgrenze – von der Altmark
über die Börde bis zum Harz.

Ein Paradies für


Aktiv- und
Naturfreunde

In der Altmark befindet es sich
zwischen dem Biosphärenreser-
vat Drömling und der alten Han-
sestadt Salzwedel. Im Mittelalter
waren es die Handelswege des
Salzes, die Salzwedel Wohlstand
brachten. Im 20. Jahrhundert
machte der legendäre Baumku-
chen die Stadt bekannt. Mit ihren
malerischen Fachwerkhäusern
und den imposanten Backstein-
gebäuden gehört sie zur „Deut-
schen Fachwerkstraße“ und zur
„Straße der Romanik“ – ein ide-
aler Ausgangspunkt für Erkun-
dungen am „Grünen Band“. Nur
wenige Kilometer von Salzwedel
entfernt liegt der bis zu 50 Meter
tiefe Arendsee, den auch Tauch-
und Segelsportler sehr schätzen.
Am „Grünen Band“ vereinen
sich Natur, Kultur und Geschich-
te. Das wird zwischen Altmark,
Wendland und Elbe besonders
deutlich – dem Vierländereck,
wo Sachsen-Anhalt, Niedersach-
sen, Brandenburg und Mecklen-
burg-Vorpommern aneinander-
grenzen. Auf dem 190 Kilometer
langen Vier-Länder-Grenzradweg
stehen heute alle Wege offen
und die Besucher haben die
Wahl zwischen einer Vielzahl
von Erlebnissen. Radtouristen,
die ausschließlich die Altmark
erkunden möchten, schwärmen
vom Altmarkrundkurs. Auf rund
500 Kilometern führt er durch
die Dörfer und Städtchen der
Altmark, durch Elbauen, den
Naturpark Drömling, den Elbe-
Havel-Winkel, die Altmärkische
Wische, die Hügel der Altmärki-
schen Schweiz und das Jericho-
wer Land. Der Rundkurs verläuft
auch zu den architektonischen
Sehenswürdigkeiten entlang der
„Straße der Romanik“ und ist
teilweise identisch mit dem be-
liebten Elberadweg. In Havelberg
ergibt sich eine Anschlussmög-
lichkeit zum Havel-Radweg.

Geschichte


erleben


Die Geschichte des „Grünen
Bandes“ als ehemaliger Grenz-
streifen wird in der Magdebur-
ger Börde besonders deutlich
und zeigt auch ihre bedrücken-
den Facetten: Ein wichtiger
Erinnerungsort der Zeitge-
schichte ist die Gedenkstätte
Deutsche Teilung Marienborn.
Dabei handelt es sich um die
DDR-Grenzübergangsstelle an
der Autobahn Berlin-Hannover,
einem der westlichsten Punkte
und der bedeutendste Über-
gang an der einstigen inner-
deutschen Grenze. Die Gebäu-
de sind heute zugänglich und
Ausstellungen zeigen die frühe-
ren Abläufe beim Grenzverkehr.
Einen weiteren tiefen Einblick
in die Vergangenheit gibt das
Grenzdenkmal Hötensleben,
wenige Kilometer von Marien-
born entfernt. Das Denkmal
dokumentiert den Zustand der
DDR-Grenzsperranlagen vor

den Ortschaften direkt an der
innerdeutschen Grenze. Der
erhaltene „Schutzstreifen“ aus
Metallgitterzäunen, Signaldräh-
ten, Minenfeldern, Mauern und
Wachtürmen steht seit 1990
unter Denkmalschutz.
Hötensleben und Marienborn
liegen in der Magdeburger Bör-
de. Ihre weite und flache Land-
schaft mit ihren
fruchtbaren Fel-
dern hilft dabei,
den Kopf wieder
frei zu bekommen.
Die überwiegend
landwirtschaftli-
chen Wege des
Börde-Radweges verbinden mit
knapp 50 Kilometern den Elbe-
radweg an der Alten Elbe in der
Landeshauptstadt Magdeburg
mit dem Aller-Harz-Radweg in
Oschersleben (Bode).
Die innerdeutsche Grenze war
auch im Harz schmerzlich zu
spüren. Die höchste Erhebung
des Mittelgebirges, der Brocken
mit seinen 1.142 Höhenmetern,
lag im militärischen Sperrge-
biet. Für die Menschen in Ost
und West war er nur aus der
Ferne zu sehen. Heute schlän-
gelt sich das Grüne Band durch
die waldreiche Region, die zu
Deutschlands beliebtesten

Mittelgebirgen zählt. Am Band Mittelgebirgen zählt. Am Band Mittelgebirgen zählt. Am Band
entlang verläuft der Harzer entlang verläuft der Harzer entlang verläuft der Harzer
Grenz-weg auf idyllischen Pfa---
den und über die Betonplat---
ten des Kolonnenweges zu ten des Kolonnenweges zu ten des Kolonnenweges zu
historischen Orten der deut---
schen Teilung. Der fast 100 schen Teilung. Der fast 100 schen Teilung. Der fast 100
Kilometer weite Harzer Grenz-Kilometer weite Harzer Grenz-Kilometer weite Harzer Grenz-
weg am „Grünen Band“ folgt weg am „Grünen Band“ folgt weg am „Grünen Band“ folgt
immer der ehemaligen inner---
deutschen Gren---
ze und führt zu ze und führt zu ze und führt zu
den Zeugnissen den Zeugnissen den Zeugnissen
der deutschen der deutschen der deutschen
Teilung. Rad---
freunden bietet freunden bietet freunden bietet
der Harz vielfäl---
tige Möglichkei---
ten – vom Mountainbiken bis ten – vom Mountainbiken bis ten – vom Mountainbiken bis
zum Radwandern. Trainierte zum Radwandern. Trainierte zum Radwandern. Trainierte
Radfahrer oder auch weniger Radfahrer oder auch weniger Radfahrer oder auch weniger
Geübte haben die Wahl zwi---
schen dem Harzrundkurs, dem schen dem Harzrundkurs, dem schen dem Harzrundkurs, dem
Ilse-Radweg und Abschnitten Ilse-Radweg und Abschnitten Ilse-Radweg und Abschnitten
auf dem Europaradweg R1.
Nach fast 30 Jahren Deutscher Nach fast 30 Jahren Deutscher Nach fast 30 Jahren Deutscher
Wiedervereinigung steht das Wiedervereinigung steht das Wiedervereinigung steht das
„Grüne Band“ heute für wun---
derbare, unberührte Natur und derbare, unberührte Natur und derbare, unberührte Natur und
einzigartige Artenvielfalt. Zu---
gleich ist es eine Erinnerungs---
landschaft der deutschen und landschaft der deutschen und landschaft der deutschen und
europäischen Geschichte, in europäischen Geschichte, in europäischen Geschichte, in
der die Menschen wie durch der die Menschen wie durch der die Menschen wie durch
ein Wunder Grenzen friedlich ein Wunder Grenzen friedlich ein Wunder Grenzen friedlich
überwinden konnten.

Mehr Infos unter http://www.erlebnisgruenesband.de und http://www.harzinfo.de Mehr Infos unter http://www.sachsen-anhalt-tourismus.de und http://www.erlebnisgruenesband.de

Grenzmuseum Sorge
Försterbergstraße 5b
38875 Stadt Oberharz
am Brocken OT Sorge
Tel. 0151/23319578
http://www.grenzmuseum-
sorge.de

BESUCHERTIPP

Foto links:
Ehemaliger Grenz-
wachturm zwischen
Marienborn und
Helmstedt

Foto unten: Foto unten: Foto unten:
Reitweg „Grünes Band“ Reitweg „Grünes Band“ Reitweg „Grünes Band“
bei Arendsee in der bei Arendsee in der bei Arendsee in der
Altmark, ein Paradies Altmark, ein Paradies Altmark, ein Paradies
für Pferdefreundefür Pferdefreundefür Pferdefreunde

Mythos Brocken, Plateau mit Brockenhotel,
Brockengarten, Nationalparkhaus und Wetterwarte,
30 Jahre nach der Grenzöffnung ein Berg der Begegnungen

© Fotos: Steffen Lehmann für IMG Sachsen-Anhalt mbH© Fotos: Steffen Lehmann für IMG Sachsen-Anhalt mbH

ehemaliger „DDR“
Grenzpfosten im Harz

DAS „GRÜNE BAND“


SCHATZKAMMER FÜR NATURLIEBHABERSCHATZKAMMER FÜR NATURLIEBHABER


Der sagenumwobene Brocken war unerreichbar. Nirgendwo


außerhalb Berlins war der Riss durch Deutschland so schmerz-


voll wie in Sachsen-Anhalt. Heute ist das „Grüne Band“


zwischen Altmark und Harz Naturfreude pur – ein Erlebnis.


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GRENZEN


TRENNEN –


NATUR


VERBINDET


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