Die Welt am Sonntag - 20.10.2019

(Sean Pound) #1
Das Schöne am Fußball war lange Zeit,
dass er so leicht zu verstehen war. 22
Männer (oder Frauen), ein Ball, zwei
Tore. Fußball war der universelle See-
lenwärmer, das kurzbehoste Esperanto,
dem der kleine Mann am liebsten
lauschte. Und wenn er auch nicht im-
mer verstand, irgendwie war alles gut.

2006 war so ein Seelenwärmer-Mo-
ment. Da flatterten auf einmal deutsche
und türkische Fahnen in Eintracht auf
den Straßen. Das Spiel brachte die Men-
schen für kurze Zeit zusammen. Doch
dann mischten sich die großen Männer
ein. Autokraten inszenierten sich in den
Kurven, der Fußball wurde zur Staats-
angelegenheit. Nichts war mehr gut.
Dass der Fußball zum Spielfeld von
Nationalismen wird, ist nicht neu. Er
war schon immer ein Spiegelbild der
politischen Lage. Und die ist meist
kompliziert. Oder wie der große Welter-
klärer Giovanni Trapattoni einst resü-
mierte: „Fußball ist nicht nur ding.
Fußball ist ding, dang, dong.“
Nimmt man den Fußball als Kri-
senbarometer, ist es um die allge-
meine Lage derzeit nicht zum
Besten bestellt. Die Dinge eska-
lieren. Zum Beispiel in Istan-
bul, wo türkische National-
spieler auf dem Platz einen
militärischen Salut entbo-
ten. In Sofia, wo englische
Fußballer rassistisch be-
schimpft wurden. Oder in
London, wo Mesut Özil
ein Interview gab, in dem
er Deutschland attestier-
te, fremdenfeindlich zu
sein. Schrille Töne.
Alarmsignale. „Ich finde
es erschreckend, was da
passiert“, sagte Berti
Vogts WELT AM SONN-
TAG. Der ehemalige Bun-
destrainer zeigte sich an-
gesichts der rassistischen
Vorfälle in Sofia entsetzt.
Er verurteilte aber auch
den Militärgruß türkischer
Fußballer. „Meines Erach-
tens ist da die Fifa gefordert,
die Verbände zu unterstützen
und einzuschreiten.“
Die Verbände warteten nicht
auf die Fifa, sie schritten selber
zur Tat. Sie drohten allen Verei-
nen, deren Spieler sich zum Mili-
tärgruß hinreißen lassen, mit emp-
findlichen Strafen, von Geldbußen bis
hin zum Punktabzug. In einem Schrei-
ben des Nordostdeutschen Fußballver-
bands (NOFV), das dieser Zeitung vor-
liegt, heißt es: „Der Fußball darf nicht
für Provokationen, Diskriminierungen,
politische Aussagen und menschenver-
achtende Verhaltensweisen miss-
braucht werden.“ Entsprechend werde
das Salutieren als „grob unsportliches
Verhalten“ eingestuft.
Ähnlich sieht es der Fußballforscher
Robert Claus. „Ich halte die Militärgrü-
ße der Fußballer für eine Gewalt befür-
wortende Geste“, sagt der Experte der
Kompetenzgruppe Fankulturen und
Sport bezogene Soziale Arbeit (KoFas).
Er kritisiert auch die Solidaritätsbekun-
dungen von Nationalspielern wie Ilkay
Gündogan oder Emre Can in sozialen
Medien. Die beiden hatten am vergan-
genen Wochenende ein Bild des im hes-
sischen Wetzlar geborenen türkischen
Nationalspielers Cenk Tosun geliked,
das die türkischen Nationalspieler
zeigt, wie sie beim Torjubel geschlossen
salutieren. Später hatten Gündogan und
Can das Like wieder entfernt und eine
politische Positionierung bestritten.
„Es ist ein politisches Statement“, sagt
Claus. „Das im Nachhinein entpolitisie-
ren zu wollen, finde ich nicht besonders
überzeugend“. Der DFB war darum be-
müht, die Sache abzumoderieren, doch
da hatte die Diskussion die Grenze des
Sportlichen längst überschritten.
An den Sympathiebekundungen mit
dem türkischen Militär entzündete sich
eine Debatte um die Identität der in

Deutschland lebenden Bürger mit türki-
schem Migrationshintergrund. Mit zum
Teil heftigen Reaktionen. „Wir lassen
uns nicht auf der Nase rumtanzen und
von Minderheiten kaputtmachen“, sag-
te etwa der nordrhein-westfälische
Sportfunktionär Hans-Otto Matthey,
nachdem die Spieler dreier Amateur-
sportvereine im Kreis Recklinghausen
durch entsprechende Salute aufgefallen
waren. Der FC St. Pauli entließ gar sei-
nen türkischen Stürmer Cenk Sahin,
weil er sich eindeutig zur Militärinvasi-
on der Türken in Nordsyrien bekannt
hatte. In Berlin meldete sich der türki-
sche Botschafter zu Wort: „Es grenzt
wirklich an Fremdenfeindlichkeit, Dis-
kriminierung und Rassismus“, sagte Ali
Kemal Aydin zur Debatte in Deutsch-
land. Er konstatierte eine „antitürki-
sche Stimmung“. Kurz darauf beklagte
Ex-Nationalspieler Mesut Özil im ame-
rikanischen Magazin „The Athletic“,
Deutschland sei nicht mehr nur an sei-
nen Rändern, sondern aus der Mitte he-
raus rassistisch.
Einer, der die Stimmung in der Mitte
der Gesellschaft kennt, ist Ecevit
Özman. Der 43-jährige Türke
ist Sportlicher Leiter bei
Türkiyemspor Berlin,
einer der ältesten
deutschtürki-
schen Fuß-
ballverei-
ne der
Re-

pu-
blik.
Seit
mehr als
vierzig Jahren
integriert der
Klub Spieler aller
Nationen. In der Ersten
Mannschaft spielen derzeit
neben Türken auch Kurden, Grie-
chen, Syrer und viele andere Nationali-
täten. Erdogans Einmarsch in Syrien,
wo das türkische Militär eine blutige
Offensive gegen die Kurden führt, sei
kein Streitthema im Klub, sagte Özman.
„Wir verstehen uns alle bestens. Wir
sind aber entsetzt über den Shitstorm,
der da losgetreten wurde.“ Die Empö-
rung, die Türken und Deutschtürken
momentan entgegenschlage, hält er für
völlig überzogen. „Das heißt doch nicht,
dass die Spieler für Krieg sind oder Er-
dogan gut finden. Es heißt nur, dass wir
mit unseren Soldaten fühlen, mehr
nicht. Deswegen muss man uns doch
nicht behandeln wie Außerirdische.“
Wie Außerirdische. Özmans Wortwahl
macht nachdenklich. So wie er leben vie-
le Türken bereits in der dritten, vierten
Generation in Deutschland. Sie sind hier
geboren, haben den deutschen Pass oder
die doppelte Staatsbürgerschaft. Und
doch scheint es, als wäre ihnen das Zuge-
hörigkeitsgefühl abhanden gekommen,

als sei Deutschland für sie ebenso weit
weg wie die Türkei. „Menschen mit türki-
schem Familienhintergrund werden in
Deutschland leider generell verdächtigt,
der deutschen Gesellschaft und den hie-
sigen staatlichen Institutionen gegen-
üüüber nicht loyal zu sein“, gibt KoFas-For-ber nicht loyal zu sein“, gibt KoFas-For-
scher Claus zu Bedenken. Menschen oh-
ne Migrationsgeschichte werde dies
kaum vorgehalten. Er sieht darin rassisti-
sche Tendenzen. Die resultierten auch
aus einem Mangel an Verständnis für die
türkische Minderheit. Klubfunktionär
Özman beklagt angesichts der Debatte
um den Militärgruß etwa, dass die Deut-
schen die besondere Beziehung der Tür-
ken zu den Soldaten nicht verstehen wür-
den. „Das Militär hat bei uns einen ganz
anderen Stellenwert als in Deutschland.
Wir haben ein entspanntes Verhältnis
zum Militär, weil es für uns der Wächter
des Laizismus und der Demokratie ist.“
Dass es sich bei dem türkischen Angriff
auf kurdische Gebiete in Syrien um
einen völkerrechtswidrigen Akt
handelt, unterschlägt
Özman dabei.
Die

Salu-
te der Fuß-
baller sind auch
deswegen so umstritten,
weil in ihnen zwei verschiedene, zum
Teil sehr konträre kulturelle Identitäten
kollidieren. Orient und Okzident fallen
in den Biografien junger Fußballer zu-
sammenfallen. Ein Zwiespalt, der auch
Özil, Gündogan oder Can umtreibt. Als
Nationalspieler, die zum Teil auch die
doppelte Staatsbürgerschaft haben,
sind sie ständig mit zwei Identitäten
konfrontiert – und mit den daran ge-
knüpften Konflikten. Sie repräsentieren
die multikulturelle Gesellschaft mit all
ihren Widersprüchen. Keine leichte
Aufgabe. Da kann sogar ein Like, ob nun
gedankenlos abgesetzt oder nicht, zur
Staatsaffäre werden.
Die sozialen Medien spielen dabei ei-
ne wichtige Rolle. Sie sind der Ort, an
dem Identität heutzutage verhandelt
wird. Und zwar in Windeseile. Mit ein
paar Klicks lässt sich das eigene Profil

schärfen, anderes ablehnen. Der Tübin-
ger Kulturwissenschaftler Özkan Ezli
sieht darin eine Gefahr. „Es geht in so-
zialen Medien weder um das Darstellen
noch um das Verstehen komplexer poli-
tischer Zusammenhänge, es geht eher
darum, dass hier etwas abgeführt wer-
den muss, eine Spannung, ein kulturel-
les Unbehagen, um Affekte.“ Der Druck,
am immer rasanter geführten öffentli-
chen Diskurs teilnehmen zu müssen,
fördert den gedanklichen Kurzschluss
und erschwert die kühle Analyse. Bei
Fußballern, aber auch bei den Medien.
Doch auch jenseits des medialen Dis-
kurses wird die Verständigung schwieri-
ger. „Es geht heute nicht mehr darum,
KKKulturen wirklich zu verstehen“, sagtulturen wirklich zu verstehen“, sagt
Ezli. „Es geht darum, sich zu positionie-
ren. Identitätsbildungsprozesse sind
daher in erster Linie Schließungs- und
AAAbgrenzungsprozesse.“ Was zu einerbgrenzungsprozesse.“ Was zu einer
Spaltung der Gesellschaften führt. Die
Politik hilft kräftig mit. Entweder durch
Untätigkeit oder indem sie ein be-
stimmtes Selbstverständnis forciert.
Der türkische Präsident Recep Tayyip
Erdogan ist jemand, der sich auf Letzte-
res versteht. „Viele Deutschtürken ha-
ben sich lange Zeit weder der Türkei
noch Deutschland wirklich zugehörig
gefühlt“,sagt Ezli. „Erdogan ist
dann mit einer sehr cleveren
Identitätspolitik in diese
Lücke hineingestoßen,
indem er ihnen bei-
spielsweise die
Möglichkeit zur
Teilnahme an
WWWahlen inahlen in
der Türkei
gegeben
hat.“

Dies
habe die
AAAbkehr ei-bkehr ei-
nes Teils der
Deutschtürken
von Deutschland
bewirkt und pro-
gressive Modelle wie
den Doppelpass torpe-
diert. Vor 20 Jahren wurde
die doppelte Staatsbürgerschaft
eingeführt, vorausgegangen waren
heftige Debatten und eine rechtspopu-
listische Kampagne des damaligen hes-
sischen Ministerpräsidenten Roland
Koch. So wurde das Ziel, den migranti-
schen Mitbürgern die Integration zu er-
leichtern, schon diskreditiert, bevor der
erste Doppelpass überhaupt ausgestellt
worden war. Politisch und gesellschaft-
lich bekamen die Deutschtürken in der
Folge nur selten das Gefühl, gleichbe-
rechtigt zu sein. „Wir vermissen die Un-
terstützung der Politik“, sagt Özman.
Der Türkiyemspor-Leiter beklagt das
Klima, das durch die NSU-Morde und
das Erstarken der AfD in Deutschland
entstanden ist: „Es wird immer schlim-
mer.“Die Zerrissenheit wurde durch
den Doppelpass eher zementiert, als
dass sie zu mehr Verständnis geführt
hätte. Gefüllt wurde dieses Vakuum
durch die sozialen Medien, durch Auto-
kraten – und auch durch den Fußball.
Das Spiel wärmt immer noch die See-
len. So verschieden sie auch sind. Bis
deutsche und türkische Fahnen wieder
gemeinsam auf den Straßen zu sehen
sind, wird es aber wohl noch dauern.

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Abgezeichnet von:
Artdirector

Abgezeichnet von:
Textchef

Abgezeichnet von:
Chefredaktion

Abgezeichnet von:
Chef vom Dienst

27


20.10.1920. OKTOBER 2019WSBE-HP


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2 0. OKTOBER 2019 WELT AM SONNTAG NR. 42 * SPORT 27


DAS MILITÄR HAT


BEI UNS EINEN


GANZ ANDEREN


STELLENWERT


ECEVIT ÖZKAN,
TÜRKIYEMSPOR BERLIN

,,


D


VONCHRISTOPH CÖLN
UND LARS GARTENSCHLÄGER

Wir


Außerirdischen


Die Debatte um salutierende Fußballer


zeugt von einem fundamentalen Problem.


Viele Deutsche und Türken stehen sich


immer noch als Fremde gegenüber


ICH HALTE DIE


MILITÄRGRÜSSE


FÜR EINE GEWALT


BEFÜRWORTENDE


GESTE


ROBERT CLAUS,
FUSSBALLFORSCHER

N


ach dem Unentschieden ge-
gen Frankfurt und Dort-
mund will es Werder Bremen
diesmal wissen. Gegen Hertha BSC
aber reicht es erneut nicht zum Sieg,
am Ende steht es 1:1 (1:0), was einer
gerechten Punkteteilung entspricht.
Florian Kohfeldt nennt Hertha im
Vorfeld „die Mannschaft der Stun-
de“. Verständlich bei zuletzt drei
Siegen in Folge, allerdings bekamen
es die Berliner dabei mit Paderborn,
Köln und Düsseldorf zu tun. Und: In
Bremen weiß man natürlich, dass
Hertha seit 13 Jahren an der Weser
nicht gewinnen konnte.
Und so starten die Grün-Weißen
mit viel Mut und Engagement und
werden dafür schon früh belohnt.
Die 7. Minute: Eggestein bringt den
Ball von rechts herein. US-National-
spieler Josh Sargent nimmt ihn aus
15 Metern direkt, Herthas Boyata
fälscht den Schuss noch ab, Jarstein
hat dadurch keine Chance.
Die Führung gibt Bremen Sicher-
heit, Werder ist die bessere Mann-
schaft. Daran ändert auch ein schö-
ner Fernschuss von Mittelstädt
nichts, der die Latte touchiert (17.).
Zwingende Torszenen bleiben in der
ersten Halbzeit Mangelware, Hertha
ist am gefährlichsten durch Daridas
Eckbälle, stellt sich im Strafraum je-
doch nicht sehr geschickt an.
In Halbzeit zwei kommt Dodi Lu-
kebakio für Dilrosun (56.), ein Wech-
sel, der sich auszahlt. Mit dem Bel-
gier kommt mehr Dampf ins Offen-
sivspiel der Berliner. In der 70. Mi-
nute tanzt er drei Bremer aus (Sar-
gent, Gebre Selassie, Veljkovic),
zieht beherzt ab und trifft mit links
ins untere rechte Eck.
Nicht unverdient, dieser Aus-
gleich, denn Hertha hat mehr getan
seit dem Wechsel. Covic will den
Sieg erzwingen, bringt Selke für Ibi-
sevic. Doch Werder lässt nichts mehr
anbrennen. ws

Lukebakio


erlöst Hertha


in Bremen


I


m Kampf um die Meisterschaftm Kampf um die Meisterschaft
hat RB Leipzig es verpasst, einhat RB Leipzig es verpasst, ein
Ausrufezeichen zu setzen. DasAusrufezeichen zu setzen. Das
Team kam im Spitzenspiel daheimTeam kam im Spitzenspiel daheim
gegen den VfL Wolfsburg nur zu ei-gegen den VfL Wolfsburg nur zu ei-
nem 1:1 (0:0).
„Wir sind sehr froh über den„Wir sind sehr froh über den
Punkt, den wir heute noch geholt ha-Punkt, den wir heute noch geholt ha-
ben. Es hat Spaß gemacht, den Jungsben. Es hat Spaß gemacht, den Jungs
beim Fußballspielen zuzusehen. Ichbeim Fußballspielen zuzusehen. Ich
bin höchst zufrieden mit der Leis-bin höchst zufrieden mit der Leis-
tung, die wir geboten haben“, sagte
Wolfsburgs Trainer Oliver Glasner.
Die Leipziger taten sich schwer.
Sie rannten an, hatten zu Beginn
deutlich mehr Ballbesitz und spiel-
ten im ersten Abschnitt mehr als
doppelt so viele Pässe wie die Wolfs-
burger. Nur das nötige Glück fehlte
ihnen. So blieb Wolfsburg im ersten
Abschnitt die verheißungsvollste Ge-
legenheit auf ein Tor vorbehalten.
Leipzigs Upamecano hatte einen
Ball aus dem Mittelfeld hoch zurück
in Richtung Torwart Gulacsi geschla-
gen, der keine andere Möglichkeit
sah, als ihn mit einer Hand noch ins
Toraus abzulenken. Das hatte
Schiedsrichter Aytekin zu Recht als
unerlaubte Rückgabe gewertet, es
gab indirekten Freistoß fast am Elf-
meterpunkt für den VfL. Den wuch-
tigen Schuss aber wehrte Gulacsi
dann ab (18.).
Leipzig hatte sich ja vorgenom-
men, „den Wölfen das Verlieren bei-
zubringen!“, wie der Klub vor dem
Spiel getwittert hatte. Er war als ein-
ziges bis dahin noch ungeschlagenes
Ligateam in den Osten gereist. Das
aber wurde in der 54. Minute zu ei-
nem Stück Geschichte. Durch einen
weiten Abschlag von RB-Schluss-
mann Gulacsi landete der Ball vorn
bei Werner, der seine Durststrecke
von vier Bundesligaspielen ohne Tor
beenden und das 1:0 feiern konnte.
Doch es rächte sich, dass Leipzig
nach der Führung die Offensivbemü-
hungen weitestgehend ruhen ließ.
Wolfsburg drückte, kam zu zahlrei-
chen Chancen. Eine davon nutzte
acht Minuten vor dem Spielende
Weghorst mit seinem fünften Sai-
sontreffer zum „verdienten Aus-
gleich“, wie sein Trainer befand. WS

WolfsburgWolfsburg


bestraft passivebestraft passive


LeipzigerLeipziger


,,


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