Die Welt Kompakt am Sonntag - 20.10.2019

(Rick Simeone) #1

A


ls Markus Söder Annegret
Kramp-Karrenbauer auf die
Bühne des CSU-Parteitags
in München begleitet, wirkt
er völlig abwesend. Beinahe
verstört blickt er immer wieder in die
Reihen der Delegierten, als wäre er ei-
ner der Sicherheitsbeamten der CDU-
Chefin. Anders als die Saarländerin lä-
chelt er niemanden an. Gerade hat er
nämlich seine schlimmste Niederlage
als CSU-Chef hinter sich.


VON THOMAS VITZTHUM

Söders Desaster hat vier Buchstaben:
„soll“. Der Triumph hätte auch vier
Buchstaben gehabt: „muss“. Söder woll-
te seiner Partei eine Reform verordnen,
die eine Frauenquote auf Kreisebene
einschloss. Eigentlich sollte auf dem
Parteitag beschlossen werden, dass dort
künftig eine 40-Prozent-Quote umge-
setzt werden „muss“.
Doch am Ende einer kontroversen,
teils auch derb geführten Debatte einig-
te man sich auf eine Umformulierung,
auf ein Nicht-Ergebnis. Nun gibt es eine
„Soll“-Bestimmung. Söder musste den
Notausgang nehmen, um keine noch
herbere Niederlage zu kassieren. Zeit-
weise sah es nämlich so aus, als würde
der Parteitag sogar die bestehende, acht
Jahre alte Frauenquote auf Landes- und
Bezirksebene wieder abschaffen wollen.
Söder kann damit nicht glaubhaft
vermitteln, dass die CSU sich der Frau-
enförderung ohne Wenn und Aber ver-
schreiben will. Das ist für ihn bitter. Für
Generalsekretär Markus Blume, der die
Parteireform konzipiert, ist das eben-


falls eine große Niederlage. Der Re-
formprozess stockt, die Basis macht
nicht mit. Blume muss sich von seinem
Chef sicher fragen lassen, ob die geplan-
te Reform gut genug vermittelt war.
Sein Gesicht wirkte während der zwei-
stündigen Diskussion wie versteinert.
Auch der Verlauf dieser Debatte wird
die CSU noch lange beschäftigen. Denn
es handelte sich mitnichten um die be-
eindruckende Auseinandersetzung, die
einige Mitglieder des Vorstands in ihren
Beiträgen zu beschwören versuchten.
Wer vor acht Jahren die Debatte über
die Frauenquote – bei der der damalige
Chef Horst Seehofer noch einen Erfolg
verbuchen konnte – erlebt hatte, erlebte
viele Déjà-vus. Wie damals argumen-
tierten die Gegner der Quote, dass
Frauen schon heute alles werden könn-
ten, wenn sie denn wollten. Wie damals

behaupteten selbstbewusste Kreisvor-
sitzende, dass sie schon jetzt die Frauen
gebührend förderten. Wie damals be-
tonten einige, dass es nicht genügend
Frauen gebe, die sich einbinden lassen
wollten. Wie damals hieß es, die Quote
sei „ein grüner Schmarrn“, den man
nicht mitmachen müsse.

SIGNALE DER DEBATTEObendrein
hieß es nun, die bisherige Quote habe
gar nichts gebracht. Daraus schlossen
einige Redner, dass man sie auch gleich
wieder abschaffen könne, also eine neue
erst recht nicht brauche. Auffallend war,
dass dieses Argument vor allem, ja ei-
gentlich nur von Männern kam. Anders
als vor acht Jahren kämpften diesmal
deutlich mehr Frauen für die Quote,
auch manche, die damals noch dagegen
gesprochen hatten wie die heutige baye-
rische Landwirtschaftsministerin Mi-
chaela Kaniber.
Männer gegen Frauen – das war ein
Signal dieser Debatte. Ein weiteres war
unten gegen oben. Den größten Applaus
bekam ein junger Mann, der nach einem
guten Dutzend Beiträgen darüber
schimpfte, wie der Parteivorstand ver-
suche, die Basis zu beeinflussen. Dieser
emotionale Ausbruch zeigte eindrück-
lich, dass Söder zu schnell vorgegangen
war, seiner Partei doch strukturell wie
thematisch viel zu viel Erneuerung zu-
mutet. Bei der Wiederwahl zum Partei-
chef am Freitag war diese Enttäuschung
noch nicht erkennbar. Da erhielt Söder
91,3 Prozent und damit vier Prozent-
punkte mehr als noch im Januar. Wahr-
scheinlich hätte der Parteichef ein
schlechteres Ergebnis einem Erfolg bei

seiner Reform klar vorgezogen. Doch es
kam eben anders.
Am Freitag schien es sogar so, als rei-
che sein Wort aus, um alle von seinen
Plänen zu überzeugen. Die CSU bot ein
Bild großer Geschlossenheit. Dass Sö-
der keine Konkurrenz hat, hat die Par-
teiführung aber wohl blind und taub für
den Frust gemacht. Nach diesem Partei-
tag gehen einige Risse durch die CSU.
Zwischen Frauen und Männern, zwi-
schen Basis und Vorstandsetage.
Söder machte das Bild, das seine CSU
abgab, wütend. Die Forderung, der Vor-
stand solle sich nicht einmischen, wies
er zurück: „Es soll uns keiner kommen
und sagen, hier sollt ihr nix sagen, aber
die Wahlen sollt ihr dann gewinnen.“
Schließlich empfahl er, den von der
Frauenunion unterbreiteten Kompro-
miss anzunehmen, also „muss“ durch
„soll“ zu ersetzen. Söder warnte die
CSU vor den Folgen einer kompletten
Ablehnung der Quote. „Bei den ganz
jungen Frauen schneiden wir verhee-
rend ab. Ihr werdet erleben, dass uns
der Nachwuchs fehlen wird und dass
uns die Akzeptanz fehlen wird.“ Der
Verzicht auf die Quote werfe die Partei
um Jahre zurück. „Es fällt mir schwer“,
sagte er schließlich. Aber: „Packen wir
die Brechstange ein, packen wir anderes
Kriegsgerät ein, bauen wir eine Brücke.
Wir werden versuchen, gemeinschaft-
lich den Schritt der 40 Prozent selbst zu
erfüllen.“ Die Tür zum Notausgang war
damit auf, die Partei folgte beinahe
schweigend. Wer je einen Notausgang
genommen hat, der ist sich bewusst,
dass man beim Reingehen nie weiß, wo
man rauskommt.

Starker Mann


beugt sich den


Männern


CSU-Chef


Markus Söder wird


von der Parteibasis


rüde ausgebremst –


wegen seiner


geplanten


Frauenquote.


Ein verheerendes


Signal, findet er


„Um Jahre zurückgeworfen“ So beurteilte Markus Söder am Samstag die Lage nach der Ablehnung einer Frauenquote in der CSU

AFP

/CHRISTOF STACHE

10 DEUTSCHLAND & DIE WELT WELT AM SONNTAG NR.42 20.OKTOBER

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