mehr weitergehen«, sagt Claudia Dantsch-
ke von der Beratungsstelle Hayat, »die
traumatisierten Kinder kennen nur ein
Leben in Angst, den Krieg, die Bomben
und dann die Mangelernährung im Lager.«
Doch das Auswärtige Amt bleibt zu-
rückhaltend. Grundsätzlich sei man bereit,
Kinder zurückzubringen, heißt es aus dem
Ministerium. Aber vorher müsse durch
DNA-Tests zweifelsfrei nachgewiesen wer-
den, dass es sich um deutsche Kinder hand-
le. Das Prozedere dauere Monate, man sei
auf Hilfsorganisationen angewiesen.
Durch die aktuellen Entwicklungen werde
die schon vorher sehr schwierige Situation
weiter erschwert.
Berlin weigert sich vor allem, mit den
Kindern auch ihre Mütter nach Deutsch-
land zu holen, obwohl das Berliner Ver-
waltungsgericht auf eine Klage des Rechts-
anwalts Dirk Schoenian hin genau das
verlangt hat.
Die Richter ordneten im Fall einer
Wolfsburger IS-Anhängerin, die mit drei
Kindern im Lager al-Haul sitzt, bereits im
Juli eine sofortige Identitätsprüfung an.
Wenn die abgeschlossen sei, müsse die
Regierung die Kinder mitsamt der Mutter
nach Deutschland holen.
Das Auswärtige Amt legte Beschwerde
ein, bald soll das Oberverwaltungsgericht
entscheiden. Rund ein Dutzend weiterer
Familien wartet angespannt auf den Aus-
gang des Verfahrens.
Die Fälle, mit denen sich die deutschen
Behörden befassen müssen, sind oft so
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verworren wie der Bürgerkrieg. Danisch
Farooqi sitzt in seiner Wohnung in
Hamburg-Billstedt. Der Vater sucht im
Internet nach Nachrichten aus Syrien. Er
hat das Stichwort »Roj« bei Google ein-
getippt.
In dem Internierungslager für IS-Frauen
und deren Kinder lebt Aaliya, seine neun
Jahre alte Tochter, mit Farooqis Ex-Frau
in einem Zelt.
Seit Jahren hat er sein Mädchen nicht
mehr gesehen. Im Sommer 2014 war Fa-
rooqis Ex-Frau mit ihrem neuen Mann und
der damals dreijährigen Aaliya fortgegan-
gen, um im »Islamischen Staat« zu leben.
Ende 2017 wurden sie von Kurden festge-
nommen. Der neue Ehemann, ein tunesi-
scher IS-Kämpfer, kam in ein Gefängnis.
Die Frau in das Lager für IS-Familien.
Wie es seiner Tochter geht, erfährt der
Hamburger Vater nur indirekt über die Be-
ratungsstelle Hayat, die Kontakt zu deut-
schen IS-Familien in den Lagern hat. »Ich
habe alles versucht, um meine Tochter
nach Deutschland zurückzuholen«, sagt
Farooqi. Er habe Briefe geschrieben, an
Bundeskanzlerin Angela Merkel und Bun-
desaußenminister Heiko Maas. Genützt
habe alles nichts.
Seit dem Einmarsch der Türkei kriegt
Farooqi nun kaum mehr ein Auge zu, aus
Sorge um sein Kind.
Hubert Gude, Martin Knobbe,
Roman Lehberger, Christoph Reuter,
Wolf Wiedmann-Schmidt
Tatsache, dass das Land gegen französi-
sche IS-Kämpfer, die in den Irak überstellt
wurden, prompt die Todesstrafe verhäng-
te, dämpften in Berlin die Hoffnungen.
Zwar trafen sich erst vergangene Woche
in Kopenhagen Vertreter mehrerer EU-
Staaten, darunter Deutschland. In diesem
Zirkel war die Idee eines aus irakischen
und westlichen Richtern besetzten Tribu-
nals entstanden, was die eklatanten Män-
gel der dortigen Justiz ausbügeln solle.
Doch eine schnelle Umsetzung sei uto-
pisch, sagt ein Regierungsbeamter: »Uns
läuft die Zeit davon.«
So sieht es auch Stephan Thomae, In-
nenpolitikexperte der FDP. »Ein inter -
nationales Tribunal einzurichten würde
Monate dauern, eher Jahre«, sagt er.
»Dafür ist es jetzt zu spät.«
Thomae hatte bereits vor Monaten ge-
fordert, die deutschen IS-Kämpfer aus
Syrien auszufliegen und hierzulande vor
Gericht zu stellen – und teils heftige Kritik
geerntet. Jetzt fühlt er sich bestätigt. »Die
Untätigkeit der Bundesregierung rächt sich
nun«, sagt der FDP-Mann.
Verantwortung müsste die Bundesrepu-
blik nach Ansicht von Oppositionspoliti-
kern wie Irene Mihalic (Grüne) vor allem
auch für die mehr als hundert Kinder über-
nehmen, die anders als ihre Eltern keine
Täter sind, sondern Opfer.
Bislang halfen deutsche Diplomaten
lediglich drei Waisenkindern sowie einem
schwer kranken Säugling aus dem Bürger-
kriegsland heraus. »Es kann so nicht
DPA
IS-Kämpfer in Syrien 2017: »Brüder sterben, und sie lächeln«