Der Spiegel - 19.10.2019

(John Hannent) #1

nicht mit dem Internet verbunden und
zeichne nichts auf. Huber hält seine eige-
nen Daten deshalb für sicher. »Mir wird
ja keiner die Hand abhacken«, sagt er.
Björn Holmén, Datenschützer bei TUI
in Stockholm, war zwar »alarmiert«, als
er das erste Mal von dem Mikrochip hörte.
Inzwischen hält der 51-Jährige ihn mit
Blick auf den Datenschutz für unbedenk-
lich. Empfehlen würde Holmén ihn trotz-
dem nicht. »Das muss jeder Kollege selbst
entscheiden.« Er selbst will auf gar keinen


Fall ein Implantat – aus Prinzip und aus
Angst vor Allergien.
Politiker im Europäischen Parlament
sind dagegen deutlich besorgter. Sie ließen
2018 die »Nutzung von Chipimplantaten
in Arbeitnehmern« in einer Studie unter-
suchen. Jeder EU-Bürger habe das Recht
auf körperliche Unversehrtheit, zwingen
können Firmen ihre Mitarbeiter also nicht,
heißt es darin. Doch selbst vom freiwilli-
gen Chippen rät die Studie ab – aus Da-
tenschutzgründen. »Die Chiptechnologie

ist nicht vollständig sicher«, so das Fazit.
Sie könne gehackt werden, Lauschangriffe,
Klonen, Deaktivierung oder Manipulatio-
nen seien keineswegs auszuschließen.
Patrick Kramer versucht deutsche Fir-
men für das Chippen zu begeistern. Der
49-Jährige betreibt in Hamburg den On-
linehandel Digiwell, er setzt, wie Öster-
lund, Implantate ein. Sein Geld verdient
er mit Vorträgen über das »Upgraden von
Menschen«.
Privat trügen 4000 bis 5000 Deutsche
einen Mikrochip in der Hand, schätzt Kra-
mer. In seinem Webshop verkauft er Sets
zum Selbstchippen: Implantat, Handschu-
he, Spritze für 49,90 Euro.
Doch in den deutschen Unternehmen
ist das Echo verhalten. Vor zwei Jahren
lud der Elektronikhändler MediaMarkt -
Saturn Kramer zu einem Event nach In-
golstadt ein. Dort spritzte er etwa 30 Mit-
arbeitern ein Implantat. Das Unterneh-
men aber schuf keine Anwendungsmög-
lichkeiten für den Chip und hatte das auch
nicht vor. »Das war damals ein Gag«, sagt
eine Sprecherin.
Wie groß das Misstrauen in Deutsch-
land ist, hat auch TUI-Manager Huber er-
lebt. Im Mai hielt er in Berlin einen Vor-
trag bei der Re:publica: »Warum die Nord-
europäer digitale Vorreiter sind«. Als er
die Zuhörer fragte, wer einen Mikrochip
haben wolle, habe er in entgeisterte Ge-
sichter geblickt. Die Leute hätten bloß
nach Datenschutz, Sicherheit und Gesund-
heit gefragt, sagt er. Huber versteht die
Sorge vor Missbrauch zwar, aber er hält sie
für naiv: Die meisten Leute hätten ständig
ihr Handy bei sich und ließen sich orten.
»Ein Mikrochip dringt weniger in die Pri-
vatsphäre ein als das Smartphone.«
Doch das gilt womöglich nicht mehr lan-
ge. Three Market Square arbeitet schon
an einem neuen Implantat, das erstmals
ein GPS-Ortungssystem enthalten soll.
Und dann wäre da noch Elon Musk. Der
Techunternehmer will Menschen mit Ma-
schinen verbinden. Musk finanziert das
Start-up Neuralink in San Francisco. Dort
arbeiten Forscher an einer Mensch-Ma-
schine-Schnittstelle, die sie derzeit an Rat-
ten erproben.
Ein Sensor mit Tausenden Elektroden
wird durch die Schädeldecke ins Innere
implantiert und mit einem Computer ver-
bunden. Die hauchdünnen Fäden sollen
Aktivitäten von Nervenzellen aufzeichnen
und diese steuern. Die Vision: Der Mensch
steuert Maschinen allein durch seine Ge-
danken.
Externe Wissenschaftler halten das für
Spinnerei, doch den Milliardär schert das
nicht. Musk hat mehr als einmal beweisen,
dass seine verrückten Ideen machbarer
sind, als viele glauben. Kristina Läsker
Mail: [email protected]

73

Piercer Österlund: »Upgraden von Menschen«

FOTOS: LAURA STEVENS / PICTURE PRESS / CAMERA PRESS
Free download pdf