Der Spiegel - 19.10.2019

(John Hannent) #1
pokern, weil sie wissen, dass Koch keine
Wahl hat. Am Verkauf von Real hängt auch
seine Zukunft bei der Metro. Er hat den
Eigentümern versprochen, den Konzern
ganz auf den Großhandel zu konzentrieren.
Koch hatte sich bereits im Frühjahr auf
Redos festgelegt. Doch das Unternehmen
will nur eine Minderheit der Läden behal-
ten und den Deal erst dann abschließen,
wenn die deutschen Händler genügend
überzählige Filialen übernehmen. Rund
60 Läden sollen bei Redos verbleiben, Me-
tro bliebe daran mindestens drei Jahre
lang mit 24,9 Prozent beteiligt.
Die Hängepartie belastet Real. Lieferan-
ten, allen voran die Konsumgüterkonzerne,
nutzen die unsichere Lage aus. Sie bieten
Real schlechtere Konditionen bei den Ein-
kaufspreisen an. Das drücke bereits emp-
findlich auf die Marge, sagen Insider. Das
operative Ergebnis sei in dem Ende Sep-
tember abgelaufenen Geschäftsjahr um
einen zweistelligen Millionen-Euro-Betrag
gesunken.
Dabei brauchte Real gerade jetzt Geld
für ein Projekt, mit dem das Unternehmen
das staubige Image seiner Filialen abstrei-
fen will. Aus Supermärkten sollen Markt-
hallen mit Eventcharakter werden, in de-
nen Köche Pizza backen oder den Grill
anwerfen. Einzelne Verkaufsstände sollen
darin Lebensmittel wie auf einem Wochen-
markt anbieten. 4 Real-Läden wurden be-
reits zu solchen Markthallen umgebaut,
37 weitere sind auf dem Weg dahin. Der
Umbau erfordert jedoch Investitionen, die
Koch lieber den neuen Eigentümern über-
lassen würde.
»Es ist ein schwieriger und herausfor-
dernder Prozess«, sagt Koch. Aber Real

sei eine der letzten Möglichkeiten, an gro-
ße Flächen im deutschen Lebensmittel -
einzelhandel zu kommen.
Da wundert es, dass der Erzrivale Kauf-
land, eigentlich interessiert an rund hun-
dert Läden, laut Insidern kein Angebot ab-
gegeben hat. Dabei hatte sich die Handels-
kette früh in Stellung gebracht und sich
mit dem Bieterpartner X+Bricks, ebenfalls
ein Immobilieninvestor, verbündet. Das
gemeinsame Angebot hatte Koch im Früh-
jahr jedoch ausgeschlagen. Es habe kartell-
rechtliche Bedenken gegeben, sagt der Me-
tro-Chef. Womöglich hindert der Vertrag
mit X+Bricks Kaufland nun daran, im Al-
leingang zu bieten.
In der Branche wird auch bezweifelt,
dass Schwergewicht Rewe eine größere
Zahl von Filialen übernehmen will. Und
Edeka könnte selbst bei vorhandenem In-
teresse nicht beliebig viele Märkte kaufen:
Erst vor ein paar Jahren hatte das Kartell-
amt dem Branchenriesen verboten, den
Konkurrenten Tengelmann komplett zu
erwerben.
Wenn der Deal nicht mangels ausreichen -
der Gebote ohnehin scheitert, würde Koch
Wochen brauchen, um die Offerten zu prü-
fen und mit jenen Händlern zu verhandeln,
die für dieselben Standorte bieten. Und
dann müssen auch die Wettbewerbshüter
noch ihren Segen geben. Frühestens im
Dezember wäre das Geschäft besiegelt.
Der Metro blieben selbst dann noch Alt-
lasten: Sie müsste womöglich einen Teil
der Kosten für einen Stellenabbau bei Real
übernehmen. Die Pflicht, Geld nachzu-
schießen, sei bei rund 50 Millionen Euro
gedeckelt, heißt es im Konzernumfeld. Die
Summe sei in dem erhofften Verkaufserlös
schon berücksichtigt.
Seit Koch 2012 an die Metro-Spitze ge-
rückt ist, müht er sich mit dem Konzern-
umbau ab. Er stieß Kaufhof ab, spaltete
den Elektronikhandel ab und verkaufte
zuletzt das Chinageschäft. Das Geld aus
dem Chinadeal will Koch nutzen, »um
Schulden abzubauen und im zweiten
Schritt im Großhandelsgeschäft zuzu -
kaufen«.
Dem Aktienkurs hat der Dauerumbau
bislang kaum geholfen. Koch gilt deshalb
schon seit Längerem als angezählt. Ver-
gangenes Jahr beschloss Hauptaktionär
Haniel, Anteile an den tschechischen Mil-
liardär Daniel Křetínský zu verkaufen. Der
würde Metro gern unter seine Kontrolle
bringen. Gelänge es Koch, den Aktienkurs
hochzutreiben, würde eine Übernahme
für Křetínský teurer und schwieriger.
Scheitert der Real-Verkauf, dürfte der Kurs
weiter leiden – Koch muss sich dann nicht
nur um den Sanierungsfall Real kümmern,
sondern auch um seine berufliche Zukunft.
Kristina Gnirke, Martin Hesse
Mail: [email protected]

74 DER SPIEGEL Nr. 43 / 19. 10. 2019


Wirtschaft

SVEN SIMON / IMAGO IMAGES

Sorgenkind Real
Umsatzrendite* in Prozent

+0,3

2014 2015 2016 2017 2018

+0,1

+1,4
+0,3

+3,3 +3,4

+4,4

+3,5 +3,4


  • 1,1


Real

Metro
Großhandel

*Operatives Ergebnis im Verhältnis
zum Umsatz, Quelle: Bloomberg

A


n seinen Lieferzeiten muss Metro-
Chef Olaf Koch noch arbeiten. Ur-
sprünglich wollte der Großhändler
den Verkauf der Supermarktkette Real spä-
testens im Juni besiegeln. Doch inzwi-
schen ist klar: Vor Jahresende wird der
Metro-Chef den bis zu 500 Millionen Euro
schweren Deal kaum verkünden können.
Wenn überhaupt.
Seit Monaten verhandeln die Metro-
Manager mit dem Immobilieninvestor Re-
dos, der einen Großteil der 279 Filialen
weiterreichen will an Konkurrenten wie
Rewe, Edeka und Kaufland. Die hatten
eine vermeintlich finale Frist bis zum



  1. Oktober bekommen, um ihre Angebo-
    te abzugeben – doch selbst die ließen eini-
    ge Interessenten verstreichen. In seiner
    Not hat Koch die Deadline nun um zehn
    Tage verschoben, auf den 24. Oktober.
    Die Konkurrenz lässt den Metro-Chef
    zappeln und schwächt damit nicht nur ihn
    persönlich: Das Verkaufstheater macht
    Real mit seinen 34 000 Mitarbeitern zum
    Spielball der Branche. Die Konkurrenten


Poker


um Real


HandelDer Verkauf
der Einzelhandelskette soll für
Metro-Chef Olaf Koch zum
Befreiungsschlag werden. Doch
der Deal steht auf der Kippe.

Manager Koch: Belastende Hängepartie
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