Der Spiegel - 19.10.2019

(John Hannent) #1
SPIEGEL: Schon am Anfang Ihrer Karriere
hatten Sie gezaudert, Sie hielten sich für
einen gescheiterten Schwimmer.
Frodeno:Ja. Ich habe erst mit 15 mit
Schwimmen angefangen und mich lange
innerlich richtig fertiggemacht, dass ich
nicht so gut bin wie die anderen, die schon
mit 6 angefangen hatten. Mithilfe von Psy-
chologen bin ich dann in meinen Kopf ein-
gestiegen, weil ich erkannt habe, dass da
das größte Potenzial überhaupt liegt.
SPIEGEL: Mit welchen Methoden haben
Sie gearbeitet?
Frodeno:Zum Beispiel mit individualisier-
ter Hypnose. Ich hatte anfangs ein Audio-
tape, auf das ich meine Probleme gespro-
chen und mir gesagt habe, dass es okay ist,
dass es an der Zeit ist weiterzugehen, mich

das Vergangene nur aufhält. Um sicherzu-
gehen, dass ich mich nur mit dem Hier und
Jetzt beschäftige und nicht mit dem, was
vor zehn Jahren war. Über die Jahre habe
ich mir einige Tools zusammengestellt, um
täglich in jeder Situation Mentaltraining
betreiben zu können.
SPIEGEL:Welche Techniken gehören noch
dazu?
Frodeno:Ich arbeite auch mit Bildern.
Wenn ich tagträume, stelle ich mir gern
eine Nasa-Rakete vor. Dieses Bild, diese
Power, ist für mich so positiv behaftet, dass
sich dadurch sofort meine Stimmung hebt.
Im Wettkampf ist das oft die halbe Miete,
wenn ich kurz davor bin aufzugeben. Es
gibt aber auch Sprichwörter.
SPIEGEL:Zum Beispiel?

Frodeno:Memento mori. Sei dir deiner
Sterblichkeit bewusst. Es entstand, als ich
fast von einem Lkw überfahren wurde.
Macht man sich bewusst, dass das Leben
jederzeit vorbei sein kann, erlebt man Mo-
mente intensiver. Mir zumindest hat es ge-
holfen, meinen Alltag mehr zu genießen.
SPIEGEL: Was war das für eine Situation
mit dem Lkw?
Frodeno:Das war vor knapp zwei Jahren.
Ich war in Australien in der Pampa unter-
wegs, als ein Lkw aus einer Seitenstraße
rauskam. Ich hatte Vorfahrt, aber er hat
einfach draufgehalten. Und in dieser Aero-
Position, in der wir auf den Zeitfahrrädern
sitzen, gibt es relativ wenig Möglichkeiten
auszuweichen, und schon gar keine zu
bremsen. Es war eine Sache von Zentime-

DER SPIEGEL Nr. 43 / 19. 10. 2019 97

FRANK HAU / BEAUTIFUL SPORTS

am vergangenen Samstag auf Hawaii: »Ich stelle mir gern eine Nasa-Rakete vor«

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