Bankentagung in Washington
US-Banken protzen, Europäer klagen
Beim Treffen der globalen
Finanzelite zeigt sich: Die
Schere zwischen
europäischen und US-Banken
geht weiter auseinander.
Andreas Kröner Washington
G
ut gelaunt betreten Jamie Di-
mon und James Gorman bei
der Tagung des Weltbanken-
verbands IIF in Washington die Büh-
ne. Die Chefs der US-Banken JP Mor-
gan und Morgan Stanley haben in
den vergangenen Tagen Milliardenge-
winne im dritten Quartal präsentiert.
Sorgenfalten wie ihre Kollegen aus
Europa, die unter niedrigen Zinsen
und der Konjunkturabkühlung lei-
den, haben die Amerikaner nicht.
„Wir sind beide Optimisten“, sagt
Gorman. Die Stimmung bei den Kon-
sumenten in den USA sei sehr gut.
Und wegen der globalen Handelskon-
flikte solle man nicht in Panik verfal-
len. Der tatsächliche Schaden sei bis-
her vergleichsweise gering. „In den
vergangenen 100 Jahren gab es Krie-
ge und wirkliche geopolitische Um-
brüche“, sagt Gorman. „In einer sol-
chen Phase sind wir heute nicht. Es
gibt lediglich Handelskonflikte.“
Das Geschäft mit Firmenkunden
sei wegen der Handelsstreitigkeiten
zwar etwas schwieriger, räumt sein
Kollege Dimon ein, der mit JP Mor-
gan alleine im vergangenen Quartal
einen Gewinn von gut neun Milliar-
den Dollar eingefahren hat. Wie die
Bank das schafft? „Wir profitieren da-
von, dass wir in den vergangenen
fünf bis 15 Jahren die richtigen Ent-
scheidungen getroffen haben“, er-
klärt Dimon. Nun gehe es für das In-
stitut darum, seinen Wettbewerbs-
vorteil auszubauen.
Wer in Washington mit Bankern
aus Europa spricht, bekommt ein völ-
lig anderes Bild präsentiert. „Euro-
päische Banken haben mit einer
Kombination aus gedämpftem globa-
lem Wachstum und niedrigen Zinsen
zu kämpfen“, klagt Commerzbank-
Chef Martin Zielke. Hinzu kämen po-
litische Unsicherheiten wie Handels-
konflikte und der Brexit. „Das ist eine
wirkliche Herausforderung.“
Hauptverantwortlich für die Mise-
re ist aus Sicht von Zielke und ande-
ren deutschen Bankern die Geldpoli-
tik der Europäischen Zentralbank
(EZB). Europäische Banken müssen
seit Mitte 2014 Negativzinsen bezah-
len, wenn sie über Nacht Geld bei
der Notenbank halten. Amerikani-
sche Geldhäuser bekommen dagegen
positive Zinsen auf ihre Überschussli-
quidität.
Reformen gefordert
Allein durch diesen Effekt sei die Er-
tragssituation bei den US-Banken in
den letzten fünf Jahren um gut 120
Milliarden Euro besser gewesen als
bei Instituten aus dem Euro-Raum,
erklärte der deutsche Privatbanken-
verband BdB. „Das ist eine dramati-
sche Zahl“, sagt BdB-Präsident Hans-
Walter Peters. „Da kann man nicht
gegen ankommen.“
Wie viele Banker hat Peters beim
Treffen der globalen Finanzelite in
Washington auch amerikanische Po-
litiker getroffen. Und er ist neidisch,
dass in den USA große Einigkeit
herrscht, dass das Land starke Ban-
ken braucht. Die Stärke der amerika-
nischen Banken sei auch eine Folge
der regulatorischen Rahmenbedin-
gungen, sagt Peters. „Die können vor
Kraft kaum laufen. In Europa ist es
das Gegenteil.“
Der BdB-Präsident geht davon aus,
dass die Schere zwischen amerikani-
schen und europäischen Banken in
den nächsten Jahren noch weiter aus-
einandergehen wird. Denn es sei
nicht zu erwarten, dass die neue
EZB-Präsidentin Christine Lagarde in
der Zinspolitik einen raschen Kurs-
wechsel hinlege.
Die EZB habe bei der Krisenbe-
kämpfung zunächst einen guten Job
gemacht, sagt Commerzbank-Chef
Zielke. Aber mittlerweile seien die
positiven Effekte der Geldpolitik im-
mer geringer und die Nebenwirkun-
gen immer größer. „Die Aufgabe des
neuen EZB-Teams ist es, aus dieser
Falle herauszukommen“, fordert Ziel-
ke. Die EZB müsse ihren Kurs unter
Lagarde „eher früher als später“ än-
dern.
Viele Bankchefs fordern in Wa-
shington auch strukturelle Reformen,
um die Lage der europäischen Ban-
ken zu verbessern. Besonders wichtig
sei es, Verbriefungen von Kreditrisi-
ken voranzutreiben, sagt Jean Le-
mierre, der Chef der französischen
Großbank BNP Paribas. In den USA
sei dies bereits vor einigen Jahrzehn-
ten geschehen.
Eine einheitliche europäische Ein-
lagensicherung (Edis), über die seit
Jahren gestritten wird, sei dagegen
weniger wichtig, erklärte Unicredit-
Chef Jean Pierre Mustier. Er brauche
Edis nicht, um eine paneuropäische
Bank wie Unicredit zu führen, be-
kannte Mustier. „Was wir brauchen,
ist ein wirklicher paneuropäischer Fi-
nanzsektor.“
Andreas Treichl, der Chef der ös-
terreichischen Erste Group Bank,
sieht das ähnlich. Das Fehlen einer
europäischen Kapitalmarktunion sei
das größte Problem für die Banken.
„Deshalb hat Europa einen Nachteil
gegenüber den USA und an anderen
Weltregionen wie Asien, die intensiv
daran arbeiten, ihre Kapitalmärkte
schneller zu entwickeln als wir in
Europa.“ Dass die neue EU-Kommis-
sion das Problem löst, glaubt Treichl
nicht. „Die Chancen, dass wir es ver-
masseln, liegen deutlich über 50 Pro-
zent.“
Aus Sicht von Experten ist die
Schwäche des europäischen Ban-
kenmarkts auch auf Überkapazitä-
ten zurückzuführen. Große Über-
nahmen oder Fusionen hat es in
den vergangenen Jahren trotzdem
nicht gegeben. Und die meisten
Banker in Washington gehen auch
nicht davon aus, dass sich daran in
den nächsten zwei bis drei Jahren
etwas ändert.
Fusionen nicht in Sicht
Ein wichtiger Grund dafür ist, dass es
in den verschiedenen Mitglied staaten
nach wie vor unterschiedliche Regeln
gibt. „Die Politik in Europa stellt sich
gerne hin und fordert grenzüber-
schreitende Fusionen“, sagt BdB-
Hauptgeschäftsführer Christian Os-
sig. Aber solange Institute Kapital
und Liquidität nicht frei innerhalb
der Euro-Zone bewegen könnten, er-
gebe ein Zusammenschluss für viele
Geldhäuser keinen Sinn.
Aus Sicht von Unicredit-Chef Mus-
tier ist der Hauptgrund für das Aus-
bleiben von Fusionen der niedrige
Aktienkurs vieler Geldhäuser. Da-
durch sei es schwer, Kapitalerhöhun-
gen für mögliche Fusionen zu stem-
men. „Man macht Fusionen, um Kos-
ten zu sparen“, sagt Mustier. Um
Kosten zu senken, müsse man jedoch
zunächst Geld für die Restrukturie-
rung aufbringen. Zudem brauche
man möglicherweise zusätzliches Ka-
pital, um höhere Anforderungen der
Aufsichtsbehörden zu erfüllen. Bei
den aktuellen Bewertungen sei es für
Banken aber nicht attraktiv, neue Ak-
tien für eine Fusion auszugeben.
Mustiers Schlussfolgerung: „Es wird
ziemlich lange keine grenzüber-
schreitenden Fusionen geben, auch
keine inländischen.“
BNP-Chef-Lemierre sieht das ähn-
lich. „Investmentbanker verstehen
unter dem Wort Konsolidierung Fu-
sionen, Übernahmen und Gebühren.
Aber in der Realität gibt es eine Kon-
solidierung von Marktanteilen.“ Ban-
ken nehmen anderen Instituten also
lieber Geschäfte ab, als mit ihnen zu
fusionieren. Das wird aus Sicht von
Lemierre noch einige Zeit so weiter-
gehen.
JP-Morgan-Chef
Jamie Dimon (Mitte):
„Wir profitieren
davon, dass wir in den
vergangenen fünf
bis 15 Jahren die rich-
tigen Entscheidungen
getroffen haben.“
Bloomberg
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MONTAG, 21. OKTOBER 2019, NR. 202
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