Handelsblatt - 21.10.2019

(Brent) #1

Ingo Narat Frankfurt


A


merica First: Mit diesen zwei Wörtern
lässt sich die Fondsbilanz der ersten
drei Quartale des Jahres bündeln. An-
leger schafften nach Angaben der Ra-
tingagentur Scope Analysis mit Pro-
dukten für Aktien aus den USA hohe Erträge.
Fonds für Standardtitel kommen auf durchschnitt-
lich 24,7 Prozent Gewinn, die für Nebenwerte auf
22,6 Prozent (siehe Grafik). Mit der Branchenbrille
betrachtet erreichten Technologietitelfonds mit na-
turgemäß hohen Anteilen an US-Konzernen sogar
28 Prozent. „Das sind beeindruckende Zahlen, ge-
rade in einer Periode, in der wir so viel über Krisen
reden“, kommentiert Scope-Analyst André Härtel,
der die Zahlen für das Handelsblatt errechnete.
Übertroffen werden die Topwerte nur noch von
den Ergebnissen der Nischenfonds für Edelmetall-
aktien.
Die Fondsbilanz stellt die Durchschnittsergebnis-
se der Produkte in 36 wichtigen Anlageschwer-
punkten für die ersten neuen Monate des Jahres
zusammen. Eine längerfristige Orientierung bieten
die ergänzten Erträge der vergangenen fünf Jahre.
Ein Vergleich beider Zeithorizonte offenbart: Der
Vorsprung der Wall Street wie der Tech-Werte ist
kein neues Phänomen. Diese Fondsgruppen liefer-
ten auch über die längere Zeitdistanz zweistellige
prozentuale Jahreserträge. Europäische Aktienpro-
dukte erreichten weniger als die Hälfte. Der Trend
ist sogar noch älter. „Seit der Finanzkrise macht
die Wall Street mehr Tempo als Europa“, sagt Cars-
ten Roemheld, Kapitalmarktstratege bei Fidelity In-
ternational.
Die US-Börsen sind maßgeblich von Technologie-
konzernen wie Amazon, Apple, Netflix, Google ge-
trieben, ebenso von anderen Wachstumsfirmen et-
wa aus dem Biotech-Sektor. Eine Amazon-Aktie ist
heute 30-mal so teuer wie am Ende der Finanzkri-
se, für Netflix müssen Anleger 70-mal so viel zah-
len. „Eine grandiose Performance“, meint Volker
Schilling, Chef des Vermögensverwalters Greiff Ca-
pital Management. Da kann Europa und insbeson-
dere Deutschland mit wenigen Branchenwerten
wie SAP nicht mithalten, beim Vergleich der Kurs-
entwicklungen schon gar nicht. Schilling ergänzt
ernüchtern: „Bei allen Tech-Themen finde ich die
besseren Aktien-Alternativen in den USA oder auch
in Asien.“ Die politischen Unruhen in Europa inklu-
sive des Brexits würden den heimischen Kontinent
zusätzlich benachteiligen.

Aktienrückkäufe beflügeln


Zwei spezielle Faktoren stärken die transatlanti-
sche Führungsrolle in der jüngeren Vergangenheit.
Für einen ist US-Präsident Donald Trump verant-
wortlich, für den zweiten die Konzerne. „Die Steu-
erentlastungen im letzten Jahr und die hohen Aus-
gaben der Unternehmen für Rückkäufe eigener Ak-
tien haben die Gewinne getrieben. Das kennen wir
so in Europa nicht“, sagt Roemheld. Der positive
Steuereffekt dürfte zwar nachlassen. Doch die Ak-
tienrückkäufe dauern an. Auch aus diesem Grund
sieht der bekannte Vermögensverwalter Jens Ehr-
hardt anhaltenden Rückenwind für die Märkte in
Übersee. Allein in den vergangenen zehn Jahren
seien für Rückkäufe rund fünf Billionen Dollar ein-
gesetzt worden. Sie sind für ihn der wichtigste Ein-
fluss an der Wall Street.
Unterstützen könnten auch neue Entwicklungen
im laufenden Handelskonflikt zwischen den Ame-
rikanern und Chinesen. „Trump wird in der heißen
Phase des Wahlkampfs im nächsten Jahr eine Eini-
gung anstreben, denn eine Rezession würde ihn
das Amt kosten“, sagt Roemheld. Der Mann im
Weißen Haus habe noch ein wenig Zeit: „Vielleicht
im Frühjahr können wir das erwarten.“
Beim Blick nach vorn ist Schilling grundsätzlich
überzeugt: „Die Wall Street wird auch künftig die
Masse des neu anzulegenden Kapitals aufnehmen.“
Analyst Härtel glaubt ebenso an einen intakten
Trend der Wall-Street-Outperformance, wie es im
Finanzjargon heißt. Wer diese Idee offensiv mit-
spielen will, der kann auf eine Reihe gut bewerte-

Die ewige


Wall Street


Fondsanleger haben in diesem Jahr


mit US-Aktien viel Geld verdient.


Experten warnen aber davor, dem Heimatkontinent


Europa ganz den Rücken zu kehren.


-0,7


-1,4


-0,3


%


%


%


Fondsbilanz
Durchschnittliche Wertentwicklung in wichtigen Anlageschw erpunkten, 1. bis 3. Quartal 2019

Rang | Anlageschwerpunkt der Fonds Wertentwicklung laufendes Jahr 5 Jahre p. a.


HANDELSBLATT • Ultimo: 30.9.2019; *Alle anderen Anlageausrichtungen schneiden schlechter ab • Quelle: Scope Analysis

+35,0


+28,0


+24,7


+22,6


+21,5


+19,0


+19,0


+18,0


+18,0


+17,9


+16,9


+16,1


+16,1


+15,9


+15,9


+15,3


+15,0


+14,7


+14,5


+14,3


+14,1


+13,4


+13,0


+12,8


+12,3


+12,1


+11,5


+9,5


+7,7


+7,4


+7,3


+6,5


+6,3


+1,9


+0,9


+0,1


% % % % % % % % % % % % % % % % % % % % % % % % % % % % % % % % % % % %
+6,9

+15,3


+11,3


+10,5


+8,2


+4,1


+7,1


+8,0


+5,4


+5,4


+4,7


+8,6


+8,4


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+5,1


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+1,7


+7,9


+4,1


+1,8


+3,2


+2,2


+3,1


+0,9


+2,2


+1,9


0


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Aktien Goldminen

Aktien Technologie Welt


Aktien Nordamerika


Aktien Nordamerika Nebenwerte


Aktien Nachhaltigkeit/Ethik Welt


Aktien Mittel-/Osteuropa


Aktien Welt


Aktien Welt Nebenwerte


Aktien Telemedien Welt


Aktien Euroland


Aktien Europa


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Aktien Japan Nebenwerte


Aktien Europa Nebenwerte


Aktien Euroland Nebenwerte


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Aktien Asien Pazifik ohne Japan


Aktien Deutschland Nebenwerte


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Aktien Emerging Markets


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Anleihen Euro


Immobilien Welt


Anleihen Euro kurz


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Geldanlage


MONTAG, 21. OKTOBER 2019, NR. 202


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