Handelsblatt - 21.10.2019

(Brent) #1

Ölfeld in Saudi-Arabien: Warten
auf Quartalszahlen.


Susanne Schier Frankfurt


W


er ein Handy, ei-
nen Staubsauger
oder eine Matrat-
ze kaufen will,
sucht oft im In-
ternet nach geeigneten Produkten.
Viele Verbraucher orientieren sich
am Testurteil von Stiftung Warentest.
Im Internet gibt es aber auch viele
weitere Testseiten. Während einige
Anbieter Verbrauchern eine echte Al-
ternative zu den etablierten Testinsti-
tuten bieten, gibt es auch schwarze
Schafe: Webseiten mit erfundenen
Tests oder Tests, die auf fragwürdige
Weise zustande kommen.
Laut Digitalverband Bitkom nutzen
45 Prozent der Onlineshopper Test-
berichte als Entscheidungshilfe vor
dem Kauf. Umso wichtiger ist es, dass
sie sich auf diese Tests verlassen kön-
nen. Manche Tester haben aber an-
deres im Sinn: Sie wollen Verbrau-
cher zum Kauf der Produkte verlei-
ten. Vermeintliche Testsieger können
dann auch absolute Flops sein, warnt
die Stiftung Warentest in Heft 8/2019.
Der Verlierer sei der Verbraucher: Er
könne den meisten Testseiten nicht
mehr über den Weg trauen und müs-
se genau hinsehen, um einen echten
von einem erfundenen Test zu unter-
scheiden.
Für Georg Tryba von der Verbrau-
cherzentrale NRW ist das Problem
umfassend: „Für ihre Kaufentschei-
dung verlassen sich Onlinekäufer ger-
ne auf angebliche ,Testsieger‘, ,Top-
Seller‘ oder Produkte mit Fünf-Ster-

ne-Bewertungen. So landen sie
schnell bei großen Internethändlern
wie Amazon.“ Es seien längst nicht
nur Fake-Testseiten, die die Kunden
zu Amazon und Co. weiterleiten.
Auch Blogger, Influencer und einige
bekannte Medienhäuser arbeiten mit
sogenannten Affiliate-Links, die die
Leser zu den Onlineriesen führen.
„Verbrauchern ist in der Regel nicht
bewusst, was für eine gigantische Ma-
schinerie das bezahlte Empfehlungs-
Marketing mittlerweile ist“, betont er.
Bei den Testseiten funktioniert das
in der Regel so: Über einen Button,
bei dem ein Link hinterlegt ist, wer-
den die Besucher einer Testseite di-
rekt zu großen Shops befördert.
Wenn der weitergeleitete Nutzer dort
etwas kauft, erhält der Webseitenbe-
treiber eine Provision vom Online-
händler. Solche Affiliate-Links nutzen
sowohl große reichweitenstarke Web-
seiten als auch Nischenseiten zu be-
stimmten Produktgruppen.
Ein Problem ist, wenn diese Seiten
gar nichts testen – dies zugleich aber
behaupten. Das ist nicht erlaubt, wie
Rechtsanwalt Christian Solmecke von
der Kanzlei Wilde Beuger Solmecke
ausführt: „Wo Test draufsteht, sollte
natürlich auch ein Test drin sein.“
Laut Gesetz ist eine geschäftliche
Handlung irreführend, wenn sie un-
wahre Angaben über wesentliche
Merkmale der beworbenen Ware
oder Dienstleistung enthält. Ein Pro-
dukttest, der nicht stattgefunden hat,
sei daher rechtswidrig.

In manchen Fällen schmücken sich
die Webseiten mit Testberichten von
Stiftung Warentest. Urteile werden
mitunter verkürzt oder verändert
dargestellt. „Wenn Test- oder Ver-
gleichsportale unrechtmäßig mit un-
serem Namen oder Logo werben, ge-
hen wir auch juristisch dagegen vor“,
betont Sandra Schwarz, Redakteurin
bei Stiftung Warentest. Das sei oft
schwierig: Ein Portal werbe nicht
mehr mit „Urteilen von Stiftung Wa-
rentest“, sondern nur noch mit „Ur-
teilen der Stiftung“. Da es massenhaft
Stiftungen in Deutschland gebe, kön-
ne man diese Aussage kaum untersa-
gen.
In oben genanntem Artikel verweist
Stiftung Warentest auf die Seite
dmkg.org. Als das Handelsblatt Anfang
Oktober mit der Recherche begann,
war die Seite unverändert online. Auf
der Startseite war zu lesen: „Testsieger
& Testberichte der Stiftung Waren-
test“. Getestet wurden beispielsweise
Negligés, Nebelmaschinen und Nie-
rengurte. Stiftung Warentest hat mit
der Seite aber nichts zu tun. Eine Stel-
lungnahme von dmkg.org ließ sich
nicht einholen, da der Betreiber der
Webseite für das Handelsblatt nicht er-
kennbar war. Doch die Nachfragen
auch bei Onlinehändler Amazon zeig-
ten offenbar Wirkung. Wer dmkg.org
abrufen will, kann inzwischen nur
noch lesen: „Sorry, wir arbeiten gera-
de an der Seite.“
Ein Amazon-Sprecher will sich zu
konkreten Fällen nicht äußern. Er sagt

Internetportale


Wann ein Test ein Test ist


Testberichte sind für viele Verbraucher eine wichtige


Orientierungshilfe bei der Kaufentscheidung. Manche sind seriös,


manche weniger. Darüber entscheiden in vielen Fällen die Gerichte.


Onlineshopping:
Verbraucher sollten
bei Testseiten
genauer hinschauen.

mauritius images / teguh jati / Alamy

45


PROZENT


der Onlineshopper
nutzen Testberichte
als Entscheidungshilfe
vor dem Kauf.

Quelle: Bitkom Research


Saudi Aramco


Weltgrößter


Börsengang


verschoben


Mathias Brüggmann Berlin


D


ie für diesen Sonntag erwar-
tete Bekanntgabe des welt-
größten Börsengangs ist er-

neut verschoben worden. Saudi


Aramco, der bisher staatliche, mit


Abstand führende Ölförderer welt-


weit, teilte am Freitag eine erneute


Verschiebung der IPO-Pläne mit:


„Das Unternehmen ist bereit, und


der Zeitpunkt wird von der Marktlage


abhängen und zu einer Zeit erfolgen,


den die Aktionäre wählen.“ Vor der


Bekanntgabe der angepeilten Erstno-


tierung an der Börse Riad (Tadawul)


sollten noch die Zahlen für das dritte


Quartal abgewartet werden, hieß es


bei an der Emission beteiligten Fi-


nanzinstituten.


Offiziell soll es darum gehen, die


bilanziellen Auswirkungen der – in-


zwischen reparierten – verheerenden


Schäden eines Drohnen- und Rake-


tenangriffs auf die wichtigste Ölaufbe-


reitungsanlage und ein großes Ölfeld


Mitte September zu berücksichtigen.


Dabei hatte Aramco für einige Wo-


chen gut die Hälfte seiner Förderka-


pazitäten eingebüßt.


Ein wichtiger Faktor sei jedoch


auch die Bewertung des Unterneh-


mens: Saudi-Arabiens Kronprinz Mo-


hammed bin Salman, der 2016 erst-


mals den geplanten Börsengang an-


kündigte, hat immer wieder die


Bewertung Aramcos mit zwei Billio-


nen Dollar gefordert. Aramco fördert


rund zehn Prozent des weltweiten


Ölverbrauchs und damit so viel wie


kein anderer Ölkonzern.


Zugleich weisen Analysten darauf


hin, dass Aramco, selbst wenn es mit


nur 1,5 Billionen Dollar bewertet wür-


de, immer noch vor Apple der wert-


vollste Konzern der Welt wäre. Wenn


bei diesem Bewertungsniveau nur


zwei Prozent der Aramco-Anteile an


die Börse gebracht würden, wäre der


IPO mit 30 Milliarden Dollar der welt-


größte Börsengang. 2014 hatte der


chinesische Internetkonzern Alibaba


25 Milliarden Dollar eingespielt.


Ursprünglich war eine Erstemissi-


on von fünf Prozent der Aramco-An-


teile für 100 Milliarden Dollar ange-


peilt – parallel auch an internationa-


len Börsenplätzen. Bei einigen der 25


von Aramco für den IPO angeheuer-


ten Investmentbanken heißt es nun,


vor Dezember oder Januar könne der


Börsengang nicht stattfinden.


imago images / UIG

Private Geldanlage
MONTAG, 21. OKTOBER 2019, NR. 202

36

Free download pdf