Der Spiegel - 26.10.2019

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110 DER SPIEGEL Nr. 44 / 26 .10. 2019

Wissenschaft

A


lexander Olek, 50, ist Biochemi-
ker – und notorischer Gründer. Der
Mann kann nicht anders, ihn bestür-
men immer so viele Ideen. So viele gute
Ideen, dass allein 15 davon zur Entstehung
von Start-ups geführt haben.
Wäre es nicht hilfreich, könnte man be-
stimmte Krebserkrankungen schon im
Frühstadium durch einen Bluttest erken-
nen? Das fand Olek schon vor 20 Jahren
und ersann ein Verfahren, mit dem sich
das machen ließ. Muss man sein Kind
der öden staatlichen Schule anvertrauen?
Nein, beschloss Olek, vierfacher Vater,
und dachte sich eine neue Bildungsanstalt
aus. Die Kette bilingualer Privatschulen
»Phorms Education« betreibt heute an elf
Standorten in Deutschland Kitas und Schu-
len, Letztere auch im Ausland.
14 seiner Firmen hat Olek mittlerweile
verkauft. Seine neueste Gründung heißt
»Ark Biodiversity« (»Ark« ist englisch für
»Arche«) und soll den globalen Arten-
schwund bremsen.
Der Mann denkt groß.
Tatsächlich sind rund 18 Prozent aller
Spezies von Landsäugern, Vögeln, Schup-
penkriechtieren und Amphibien Ware im
weltweiten Handel, mahnten Wissen-
schaftler um den Ökologen David Ed-
wards von der britischen University of
Sheffield Anfang Oktober im Fachblatt
»Science«. Handel sei damit, gemeinsam


mit dem Verlust von Lebensraum, einer
der Hauptgründe für den Artenschwund.
Lebewesen wie das Tannenzapfentier oder
der Nashornvogel rückten erst vor Kur-
zem ins Visier von Händlern – und sind
teils schon vom Aussterben bedroht.
Der Markt für geschützte Lebewesen
und ihre Körperteile ist einer der weltgröß-
ten illegalen Wirtschaftszweige. Bis zu
23 Milliarden Dollar werden dem Umwelt-
programm der Vereinten Nationen zufolge
pro Jahr auf dem Schwarzmarkt der
Schöpfung umgesetzt – trotz internatio -
naler Abkommen und Verbote.
»Die Dimension hat mich vom Hocker
gehauen«, sagt Olek. Er sann fortan nach
einem Weg, das Problem einzudämmen:
»Ich habe einfach überlegt, was ich als Bür-
ger gegen das Artensterben tun kann.«

Oft sind Zoll, Naturschutzbehörden und
Gerichte machtlos gegen den Schmuggel –
weil sie schlicht nicht wissen oder nicht be-
weisen können, was der Tourist da im Kof-
fer hat. Oder welches Geschöpf genau es
ist, das auf der Reptilienbörse angeboten
wird. Einen Tiger erkennt jeder, aber bei
den knapp 80 Arten von Waranen wird
es schon schwieriger.
Das internationale Artenschutzrecht lis-
tet mehr als 35 000 Pflanzen- und Tierspe-
zies in unterschiedlichen Schutzkategorien
auf. Für jede von ihnen brauchten die Be-
hörden im Zweifelsfall einen passgenauen
DNA-Test zur Bestimmung der Art.

Deswegen träumt Olek von einer
schlauen, kleinen Box für die Behörden,
Probe rein, Ergebnis raus. Das Testmate-
rial könnte von Tier oder Pflanze selbst
stammen, aber auch von Handtasche oder
Lederjacke, aus einer Creme oder einem
Pulver. Die Voraussetzung dafür, dass es
sie in nicht allzu ferner Zukunft geben
könnte, glaubt er nun geschaffen zu haben.
Die Methode umgeht das große Pro-
blem gängiger DNA-Tests: Statt nach einer
für die gesuchte Art charakteristischen Ab-
folge im Molekülsalat der Erbsubstanz zu
fahnden, lässt Olek spezielle Marker nach
Stellen suchen, die bei allen Arten gleich
sind. In solchen sogenannten Mikrosatel-
liten wiederholen sich kurze DNA-Ab-
schnitte oft Dutzende Male.
Mit diesem Trick braucht es nur noch
eine Art von molekularen Werkzeugen,
um bestimmte Abschnitte aus der Erbsub-
stanz zu fischen, egal ob eine Echsenschup-
pe analysiert werden soll oder Fasern eines
Strickpullovers. Ein Ausgangstest statt
Zehntausender. Und neueste Sequenzier-
geräte sind tatsächlich nur so groß wie ein
Smartphone, sodass solche Checks prak-
tisch überall durchgeführt werden könnten.
Die Tierart und je nach Datenlage sogar
Herkunftsort und Abstammung offenbart
dann eine gewaltige Datenbank, die Olek
indes noch aufbauen muss. Unverwechsel-
bar für die jeweilige Art sind die Anzahl
der Wiederholungen der Mikrosatelliten-
Abschnitte sowie jene DNA-Abschnitte,
die darauf folgen.
Für Papageien hat Olek schon genügend
Daten gesammelt – und nachgewiesen,
dass das Prinzip funktioniert. Namhafte
Artenschützer, Bioinformatiker, Genfor-
scher und, als Investor, den High-Tech
Gründerfonds hat er schon von seinem
Anti-Schmuggel-Test überzeugt.
Als Nächstes will der Gründer Schild-
krötendaten aufnehmen. So lernt er jetzt
auch viele Forscher und Sammler kennen,
er braucht ja von jeder Art eine Probe.
»Der Kühlschrank ist voll«, sagt er.
Geld verdienen werde er mit Firma
Nummer 15 allein deshalb, glaubt Olek,
weil schon die Existenz des Tests die Be-
hörden zwingen würde, ihn anzuwenden.
»Wenn es ein solches Tool gibt«, sagt er,
»hat niemand eine Entschuldigung dafür,
illegalen Handel nicht konsequent zu ver-
folgen.«
Hinzu kämen als potenzielle Kunden
auch Zoos, die Daten für ihre Zuchtpro-
gramme brauchen, private Halter exoti-
scher Tiere, die belegen müssen, dass ihre
Schlangen, Echsen, Wildkatzen legal ge-
halten werden.
Im Alltag hält sich Alexander Oleks Be-
geisterung für seltene Tiere in Grenzen. Er
hat zwei Katzen und einen Hamster.
Julia Koch

Ein Test für


alle Tiere


ArtenschutzIllegaler Handel mit
bedrohten Lebewesen ist
bislang schwer einzudämmen. Ein
neuartiger DNA-Check soll
helfen, Schmuggler zu entlarven.

BRENT STIRTON / GETTY IMAGES
Exportware Tannenzapfentier: Was hat der Tourist da im Koffer?

18 %
aller Landwirbeltiere
(5579 Arten)
werden derzeit
weltweit gehandelt.

Forscher erwarten
einen Anstieg
auf bis zu 28 %

Quelle: Science

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