Der Spiegel - 26.10.2019

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Hersteller am Ende womöglich zu bloßen
Zulieferern von Karossen und Fahrwerken
degradiert. Was aber ist ein mit Roboter-
technik gesteuerter BMW noch wert, ohne
die »Freude am Fahren«? Und was bleibt
vom Mythos Mercedes, wenn sein Herz-
stück, der Motor, durch einen elektrischen
Antriebsstrang samt Batterie aus Südkorea
ersetzt wurde und die autonomen Flotten
unter der Flagge amerikanischer Tech -
giganten fahren? Man fliegt ja auch Luft-
hansa oder Emirates und nicht Airbus oder
Boeing.
Wie so oft bei IT-Konzernen aus dem
Silicon Valley ist Waymos Geschäftsmo-
dell auf Größe und Marktbeherrschung
ausgelegt. Die Firma betreibt derzeit schon
eigene Fahrdienstflotten und hat ihre
selbstfahrenden Autos in 25 US-Städten
getestet. In Phoenix holen Waymo-Autos
ihre Kunden demnächst sogar schon ohne
Sicherheitsfahrer ab.
Bei allem Drang zur Dominanz hat
Krafcik aber kein Interesse daran, die alten
Autokonzerne zu verdrängen. Zehn Jahre
Forschungsarbeit und Milliarden an Inves-
titionen hat das Unternehmen in die Zu-
kunftstechnik gesteckt. Der hohe Einsatz
rechnet sich für Waymo erst dann, wenn
die bestehende Autoindustrie sein Robo-
taxi-System kauft und einsetzt.
Nicht zufällig hielt der Waymo-Chef bei
der IAA in Frankfurt die Eröffnungsrede,
ist er gerade auf globaler Werbetour. Sein
Unternehmen, sagt er, wolle die Autoindus -
trie nicht zerstören, sondern unterstützen.
Allerdings sei ihr heute noch gültiges
Geschäftsmodell, vorwiegend Autos zu
verkaufen, ineffizient. Es funktioniere
»nicht wirklich gut«, sagt Krafcik dem
SPIEGEL, »weder für die Umwelt noch für
die Hersteller«.
Die meisten Autos stünden die meiste
Zeit ungenutzt herum. Ein durchschnittli-
cher US-Autobesitzer fahre vielleicht
25 000 Kilometer pro Jahr. In einer auto-
nomen Taxi- oder Fahrdienstflotte hinge-
gen lasse sich die Nutzung der Fahrzeuge
um das Vier- bis Fünffache steigern. Man
brauchte in diesem Szenario wohl weniger
Autos, müsste sie aber öfter austauschen.
Vor allem aber könnten die Autokon-
zerne nach Auffassung Krafciks nicht nur
Geld mit dem Verkauf von Fahrzeugen
verdienen, sondern mit jedem einzelnen
Kilometer, den die Kunden in den Autos
zurücklegen. Als Anbieter von Mobilitäts-
diensten, sagt der Waymo-Chef, hätten die
Autohersteller »viel bessere Möglichkei-
ten, Gewinne zu machen«.
Das gilt umso mehr, wenn im autono-
men Gefährt der menschliche Fahrer als
größter Kostenfaktor komplett wegfällt.
Taxis ohne Taxifahrer, Wartungsfahrten
ohne Personal, Lieferungen ohne Liefe-
rant, in dieser neuen Welt fallen keine Löh-
ne, keine Sozialkosten mehr an, und die

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UWE LUDWIG / VINTAGE GERMANY


ULMER PRESSEBILDAGENTUR / IMAGO IMAGES


Tankstelle in Hamburg um 1975, elektrische Ladesäulen

Mehr als 14 000 sogenannte Supercharger hat Tesla


bereits über den Globus verteilen lassen.

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