Der Spiegel - 26.10.2019

(backadmin) #1
Blutzoll eingepreist
Nr. 43/2019 Die Kapitulation des Westens –
Wie der Sieg der Despoten in Syrien ein Volk
zerstört, den IS stärkt und Europa bedroht

Jeder Einsatz der Kriegsmaschinerie – und
das gilt nicht nur für Trump, Putin und Er-
doğan – ist finanziell gesehen ruinös. Und
jede geostrategische Einflussnahme hat ih-
ren Preis. Insofern geht es auch in Syrien
um wirtschaftliche Ausbeute. Wer sich da
zu risikofreudig aus dem Fenster lehnt,
könnte politisch schneller abstürzen, als
ihm lieb ist. Für Trump gab es offensichtlich
zu wenig zu gewinnen – er ist in diesem
schmutzigen Trauerspiel lieber vorzeitig
von der Bühne abgetreten. Jetzt aber ist
Putin geradezu dazu verdammt, diese ver-
meintliche Steilvorlage erfolgreich zu ver-
wandeln, auch hinsichtlich des von ihm er-
hofften Zerwürfnisses zwischen Erdoğan
und Europa. Erdoğan selbst bleibt quasi
nur die Wahl zwischen einem blauen Auge
und Putins Pfeife! Besonders tragisch für
die wahren Leidtragenden ist das kraftlose
Europa in seiner außenpolitischen Uneinig-
keit. Ich halte es aber für voreilig, von einer
»Kapitulation des Westens« zu reden.
Rüdiger Reupke, Isenbüttel (Nieders.)


Wer im Nahen Osten, dem ewigen Pulver-
fass, aktiv Geopolitik betreiben möchte,
muss bereit sein, einen Blutzoll in unbe-
stimmter Höhe zu entrichten. Bei den im
Artikel genannten Despoten war er immer
schon zynisch eingepreist. Doch welche
europäische Demokratie, die noch halb-
wegs bei Trost ist, würde ihre Soldaten auf
ein ungewisses militärisches Abenteuer in
dieses Gebiet schicken? Ich finde deshalb,
dass »Kapitulation« das falsche Wort ist.
»Weise Zurückhaltung« trifft es wohl besser,
angesichts der undurchsichtigen Lage.
Thomas Herrmann, Anklam (Meckl.-Vorp.)


Trump hat mit seiner außenpolitischen In-
kompetenz den völkerrechtswidrigen Ein-
marsch des Despoten Erdoğan erst ermög-
licht. Der führt vermutlich geopolitisch zur
Instabilität des Nahen Ostens, zu Leid und
Vertreibung der Kurden in die Fänge von
Assad, und gibt Putin die Möglichkeit zum
beliebigen Handeln gegen den Westen. Es
steht zu befürchten, dass durch die Flucht
von Islamisten mittelfristig eine Gefahr
von Anschlägen in Europa besteht. Europa
indes schaut hilflos zu, ist sogar dem Risiko

ausgesetzt, dass sich Erdoğan durch unbe-
dachte Reaktionen bemüßigt fühlt, die
Tore für die rund 3,5 Millionen Flüchtlinge
nach Europa zu öffnen. Die Probleme kön-
nen nur diplomatisch gelöst werden, was
bedeutet, dass sich alle Teilnehmer des

Konflikts an einen Tisch setzen müssen,
um Chaos zu verhindern.
Horst Winkler, Herne (NRW)

Warum wird das gesamte Syriendebakel
derart einseitig nur auf die aktuellen Vor-
gänge mit den »Despoten Putin, Erdoğan
und Assad« reduziert – man soll fast Mit-
leid mit dem armen Trump haben? Was
war im Zeitraum 2011 his 2015 mit den
Hunderttausenden Toten und Millionen
Flüchtlingen? Warum hat Saudi-Arabien,
das ja von den USA unterstützt wird, den
Syrern nicht geholfen? Wir erlebten an-
lässlich einer Studienreise 2010 eine fröh-
liche Bevölkerung in Syrien! Dies dürfte
für Generationen vorbei sein.
Wolf Münz, Mainz

So sieht Schönfärberei aus. Die Über-
schrift müsste eher lauten: Zwei Drittel der
Flüchtlinge seit vier Jahren immer noch
ohne Arbeit. Nur wer eine akademische
Ausbildung aus seiner Heimat mitbringt
oder bereits familiäre Bindung in Deutsch-
land hat, schafft den Sprung. Deren Erfol-
ge können sich sehen lassen.
Detlev Neufert, Bernau am Chiemsee

Ich habe mit großem Interesse den Artikel
über gelungene Integrationen von Men-
schen, die flüchten mussten, gelesen. Was
mich jedoch tatsächlich irritiert hat, ist der
Satz über der Überschrift. Warum kann
da nicht stehen: »Flüchtlinge werden Bau-
leiterin, Unternehmer, Ärztin«? Das wür-
de den geschilderten Lebensläufen ent-
sprechen. Wenn ich »Bauleiter, Unterneh-
mer, Arzt« lese, denke ich lediglich an
Männer und wundere mich über das Bild
darunter.
Renate Kebbedies, Witzenhausen (Hessen)

Solche positiven Artikel über Migranten,
Flüchtlinge und Asylbewerber brauchen
wir. Bitte bringen Sie noch mehr Erfolgs-
meldungen! Was in den Köpfen der Men-
schen hängen bleibt und weitergetragen
wird, sind Negativmeldungen – die nicht
infrage gestellt werden. Dagegen müssen
wir ankämpfen. Dieses Thema spaltet die
Gesellschaft!
Helga Streich, Hünfeld (Hessen)

136

»Trump möchte sich aus militärischen Kriegen herausziehen und


mehr auf Handelskriege setzen, die höhere Gewinne versprechen.«


Dietrich Jesse, Mainaschaff (Bayern)

DER SPIEGEL Nr. 44 / 26. 10. 2019

DELIL SOULEIMAN / AFP / GETTY IMAGES
Fliehende Zivilisten bei Tall Abjad

Schönfärberei
Nr. 42/2019 Vom Flüchtling zum Arbeit -
nehmer – vier Erfolgsgeschichten

Der SPIEGELschreibt sich die Flüchtlings-
probleme schön. Die abgebildeten Statisti-
ken zeigen aber Erschreckendes: Dass erst
ein Drittel der Flüchtlinge eine Beschäfti-
gung, überwiegend mit Helferjobs im Nied-
riglohnsektor, aufgenommen hat, bedeutet,
dass die Mehrzahl der Flüchtlinge, trotz
Milliardenaufwendungen für Sprach- und
Integrationskurse in den letzten vier Jahren,
dies immer noch nicht kann – oder will. Sie
und weiter ankommende Flüchtlinge wer-
den wohl noch für Jahrzehnte unsere Sozi-
al- und dann Rentenkassen belasten.
Dr. Matthias Kießling, Berlin

Die heilige Kuh schlachten
Nr. 42/2019 Der Skandal um
verseuchte Wurst zeigt, wie gefährlich
Billigfleisch sein kann

Ich wundere mich nur, dass man sich
darüber überhaupt noch wundert. Sie ha-
ben in Ihrem Bericht ja alle großen Skan-
dale der letzten drei Jahrzehnte genannt:
von Hormonen bei der Kälbermast über
BSE bis hin zu Gammelfleisch. Und was
hat sich geändert? Beim Verbraucher? In
der Politik? Wenig bis nichts! Weiterhin
wird im Sommer überall fleißig gegrillt,
stehen auf den Speisekarten der meisten
Restaurants seitenweise Fleischgerichte,
aber nur wenige vegetarische. Dabei
kann jeder, der sich ernsthaft mit diesem
Thema auseinandersetzen will, erfahren,
wie schädlich Fleischkonsum in ökologi-
scher, ökono mischer, gesundheitlicher und
ethischer Hinsicht ist. Nur mal so zum
Free download pdf