Der Spiegel - 26.10.2019

(backadmin) #1
schon geschafft, die ganze Industrie aufzu-
mischen. Seine Firma liefert mittlerweile
fast 100 000 Batteriefahrzeuge pro Quartal
aus, mehr, als VW oder Mercedes zuletzt
in einem Jahr schafften. Auch deshalb ver-
suchten die Konzerne, den Herausforderer
aus Kalifornien an sich zu binden. Daimler
stieg zeitweilig als strategischer Investor
bei Tesla ein. Später liebäugelte VW-Chef
Herbert Diess mit einem Anteilskauf.
Inzwischen haben die Deutschen ihre
Strategie jedoch geändert. Sie wollen Tesla
nicht mehr umarmen, sondern bekämpfen.
Ob das eine gute Idee ist?

Auf der A 92 im Norden Münchensnimmt
Falk Schubert die Hände vom Steuer eines
silbernen 7er BMW. Das Auto beschleu-
nigt, schwenkt dann wie von Geisterhand
gesteuert auf die Überholspur und wieder
zurück auf die mittlere Fahrbahn. Es nä-
hert sich dabei gefährlich einem Lkw auf
der rechten Spur. Aber Schubert bleibt cool.
Der Ingenieur arbeitet im Kompetenz-
zentrum für autonomes Fahren, das BMW
in Unterschleißheim eingerichtet hat.
Rund 1500 Leute forschen, programmie-
ren und testen dort, um Waymo, Tesla und
Co. Paroli zu bieten. Während es den Ame-
rikanern darum geht, das perfekte Be-
triebssystem zu entwickeln und so den
Standard für voll autonomes Fahren zu
setzen, machen es BMW und Daimler auf
die deutsche Art. »Wir sehen das Auto im-
mer als Ganzes und entwickeln es mit all
seinen Funktionen als Einheit«, sagt Schu-
bert. »Wir wollen nicht fahrende Hüllen
für die Software bauen.« Schritt für Schritt
bauen die Entwickler aus, was es an auto-
matisierten Funktionen bereits gibt.
2021 will BMW den iNext mit einem Bau-
kasten für autonomes Fahren auf Autobah-
nen einsetzen, das entspräche etwa Level 3,
»hoch automatisiertes Fahren«, auf der
sechsstufigen Skala, in die der Weg zum voll-
ständig autonomen Fahren von Experten
eingeteilt wurde. Die »0« steht für null Au-
tonomie des Fahrzeugs, der Mensch am
Steuer muss alles sehen und regeln, die »5«
steht für Vollautomatik, der Mensch wird
Passagier, und es gibt nicht einmal mehr ein
Lenkrad im Wagen. Bisher dominiert auf
öffentlichen Straßen weltweit Level 2.
Die Gefahr, dass Waymo eines Tages al-
lein die Software für autonomes Fahren
liefert und die Autohersteller nur die Hard-
ware, sehen sie auch bei BMW. Aber dort
gibt man sich zuversichtlich, dass es nicht
so kommt, schließlich brauchten die Tech-
konzerne die Hersteller als Partner.
Klingt nach Hoffnung, nicht nach Stra-
tegie. Klar ist, dass die traditionellen Au-
tobauer nicht in der Lage sind, die nötigen
Innovationen aus eigener Kraft zu stem-
men. Die Entwicklung autonomer Fahr-
systeme verschlingt Unsummen, allein bei
BMW gehen die Kosten schon jetzt in die


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PAU BARRENA / AFP / GETTY IMAGES

DDP IMAGES

Modell einer Smart City in China, Autobahn in Los Angeles

China plant aseptisch reine, autonom und elektrisch


befahrene Städte. In Amerika dominieren Abgas und Asphalt.

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