Der Spiegel - 26.10.2019

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Lufthansa

Schlichtung am Esstisch


 Die Lufthansa greift zu ungewöhn -
lichen Mitteln, um Arbeitnehmerver -
tretern der Cateringtochter LSG den
Verkauf ihrer Firma schmackhaft zu
machen: Sie organisiert Treffen zwi-
schen Betriebsräten und Gewerkschaf-
tern mit potenziellen Käufern von LSG,
etwa dem österreichischen Wettbewer-
ber Do&Co und dem schweizerischen
Anbieter Gategroup. Dazu lud die Luft-
hansa-Führung unter anderem zum
Abendessen in die Konzernzentrale.
Ver.di-Funktionäre machen seit Mona-
ten Stimmung gegen die geplante Ab -
spaltung des Cateringablegers (3,2 Mil-
liarden Euro Umsatz, 35 000 Beschäf-
tigte). Prominenteste Kritikerin ist
die Lufthansa-Vizeaufsichtsratschefin
Christine Behle. Die Gewerkschafter
verlangen, dass alle Arbeitsplätze und
Sozialstandards erhalten bleiben. Die
Tellerwäscher, Gemüseschäler oder
Tablettbestücker werden ohnehin
nicht gerade üppig bezahlt. Ihr Gehalt
bewegt sich zwischen 1700 und 3000
Euro brutto. Was die Veranstaltungen
gebracht haben, dürfte sich am kom-
menden Dienstag zeigen. Dann ist eine
Zusammenkunft der Gewerkschafter
mit den für den Verkauf zuständigen
Lufthansa-Managern angesetzt. DID

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Thomas Cook


Zweiklassengesellschaft


nach der Pleite


 Die Insolvenz des britischen Reisever-
anstalters Thomas Cook Ende September
trifft deutsche Urlauber mit stornierten,
aber bereits bezahlten Trips deutlich här-
ter als Kunden in Großbritannien. Das
geht aus einem Schreiben hervor, das die
Betroffenen kürzlich von einem Dienst-
leister der Zurich-Versicherung erhielten.


Sie deckt das Insolvenzrisiko für den
deutschen Thomas-Cook-Ableger ab. Da
der zwischen beiden Firmen vereinbarte
»Haftungsmaximalbetrag« von 110 Millio-
nen Euro »bei Weitem nicht ausreichen
wird, um die Ersatzansprüche aller Kun-
den vollständig zu befriedigen«, heißt es
in dem Infobrief, werde vermutlich nur
eine Quote auf die ursprüngliche For -
derung ausbezahlt. Gleichzeitig bitten die
Verfasser um Geduld. Zunächst müsse
die »voraussichtliche Gesamthöhe aller
Ersatzansprüche« ermittelt werden. Dazu
aber müsse erst feststehen, »in welcher
Höhe gestrandete Reisende Erstattungs-
ansprüche geltend machen werden«.
Dass es auch anders geht, zeigt das Bei-
spiel Großbritannien. Dort ist die Zivil-
luftfahrtbehörde CAA für den Schutz
von Urlaubern im Insolvenzfall und die
Erstattung des Reisepreises zuständig.
Das System funktioniert deutlich besser
als in Deutschland. Die Geschädigten
können ihre Ansprüche online geltend
machen und werden über jeden einzelnen
Schritt detailliert informiert. Außerdem
erhalten sie ihr Geld in voller Höhe
zurück – »innerhalb von 60 Tagen«, wie
auf der Internetseite der Behörde ver -
sichert wird. DID

Klimaschutz

CDU will mit Ticketsteuer


Wasserstoffautos fördern


 Die Erträge aus der Erhöhung der
Luftverkehrsteuer sollen auch in die
Erforschung von synthetischen Kraft-
stoffen und Wasserstoff fließen. Das for-
dern CDU-Abgeordnete wie Christoph
Ploß oder der Parlamentarische Staats-
sekretär Steffen Bilger. Die klimaneutra-
len Treibstoffe, die aus Ökostrom her -
gestellt werden sollen, könnten sowohl
bei Fahrzeugen als auch bei Flugzeugen
eingesetzt werden. »Wenn mit einem
Teil der Einnahmen aus der Luftver-
kehrsteuer Investitionen in klimaneutra-
les Fliegen finanziert werden könnten,
wäre das ein starkes Signal«, sagt Tho-
mas Jarzombek, Luftfahrtkoordinator
der Regierung. Ein Großteil der Einnah-
men aus der Ticketsteuer soll dazu die-
nen, die Mehrwertsteuer auf Fernver -
kehrstickets der Bahn zu senken. Die
übrigen rund 250 Millionen Euro könn-
ten für klimaneutralen Sprit eingesetzt
werden. Die Regelung soll in den Bun-
deshaushalt aufgenommen werden, den
FRANCISCO UBILLA / DPA das Parlament im November berät. GT

Schlammlawine

900 Opfer aus Brasilien


verklagen TÜV Süd


 Neun Monate nach der verheerenden
Schlammlawine in Brasilien mit mehr als
250 Toten verklagen rund 900 Bewohner
des Katastrophengebiets sowie die
Gemeinde Brumadinho den TÜV Süd
auf Schadensersatz. Nach Angaben des
Anwalts wurde die Klage am Montag
beim Landgericht München II einge-
reicht. Die Höhe der Klagesumme wird
von den beauftragten Anwaltskanzleien
SPG Law und Grohmann noch ermittelt.
Sie dürfte in den zwei- oder dreistelligen
Millionenbereich gehen. Am


  1. Januar war der Abraum-
    damm I der Eisenerzmine
    Corrégo do Feijão des Roh-
    stoffmultis Vale nahe der
    Stadt Brumadinho geborsten.
    Die Schlammlawine tötete
    mindestens 252 Menschen.
    19 weitere werden noch immer
    vermisst. In den Monaten vor
    dem Unglück hatten brasilia-
    nische TÜV-Mitarbeiter den
    Katastrophendamm begut-
    achtet und ihn als stabil zerti-
    fiziert – obwohl sie zuvor
    intern massive Zweifel an der
    Sicherheit des Damms geäu-


ßert hatten. »Der TÜV Süd und Vale sind
direkt verantwortlich für den Tod Hun-
derter Menschen«, sagte Angélica Aman-
da Andrade, die Schwester einer getöte-
ten Frau, zum SPIEGEL. Andrade und
vier andere Angehörige hatten in der ver-
gangenen Woche bereits bei der Staatsan-
waltschaft München Strafanzeigen gegen
einen für Brasilien zuständigen TÜV-Süd-
Manager und gegen die Prüforganisation
eingereicht. Im Zivilprozess der 900 An -
wohner geht es nun um Geld. Der TÜV
Süd erklärt, ihm sei keine Klage bekannt.
Der Konzern hat allein für Rechtsver -
teidigungs- und Beratungskosten Rück-
stellungen in Höhe von 33 Millionen
Euro gebildet. CLH, GUD

DOUGLAS MAGNO / AFP?
Katastropheneinsatz in Brumadinho
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