Neue Zürcher Zeitung - 18.10.2019

(Barry) #1

22 PANORAMA Freitag, 18. Oktober 2019


ZAHLENRÄTSEL NR. 242

SPIELREGELN «KAKURO»:Die Zahlen 1
bis 9müssenin einer Reihedie Gesamt-
summe ergeben.Diese istin den schwar-
zen Kästchenlinksdavon bzw.darübervor-
gegeben.JedeZahldarfinnerhalbeiner
Summe nur einmalvorkommen.

Auflösung:
Zahlenrätsel Nr. 241

Stressfreier


in die U-Bahn


einsteigen


Erkennungssystem in Berlin zeigt


Auslastungeinfahrender Züge an


JOCHEN SIEGLE


Die U-Bahn in Berlin geht neueWege
bei derWegeleitung amBahnsteig.Ein
automatisches Erkennungssystem soll
in Echtzeit dieAuslastung einfahren-
der Züge anzeigen, damit Fahrgäste
am Bahnsteig schon vor der Einfahrt
einerBahn am richtigen Ort warten,um
einen freien Platz zu finden.Der Be-
treiber der U-Bahn, die BerlinerVer-
kehrsbetriebe (BVG), verspricht sich
von demSystem, dassFahrgäste sich
leicht orientieren, sich auf demBahn-
steig verteilen und diePosition wählen
können, die einen möglichst schnellen
und stressfreienEinstieg erlaubt.
Zunächst wird das automatische Er-
kennungssystem an einer Linie zwischen
Brandenburger Tor und Hauptbahnhof
getestet. Dazu wurde ein Grossteil der
bereits vorhandenen 360-Grad-Kame-
rasinden entsprechendenWaggons mit
neuer Erkennungssoftware ausgestattet.
Damit lässt sich die Zahl derPersonen
in Echtzeit an Haltestationen übermit-
teln und dort auf Displays anzeigen.Der
Testbetrieb beschränkt sich zunächst auf
die Haltestation Bundestag. Insbeson-
deresoll lautBVGvorab erprobt wer-
den, wie zuverlässig dieKommunikation
zwischenKomponenten im Zug und sol-
chen imBahnhof erfolgt.
Im letztenJahr hat auch die Deut-
scheBahn bereits mit einer dynami-
schenWegeleitung experimentiert.Das
getesteteSystem leitetReisende mit-
hilfe von Leuchtstreifen zur richtigen
Warteposition und wurde zunächst in
einem sechsmonatigen Probebetrieb der
S-Bahn Stuttgart eingesetzt. An einem
200Meter langenBahnsteighinterdem
Sicherheitsstreifen desPilotbahnhofs
wurde Lichtfaserbeton mit LEDs ver-
legt. Diese zeigen mit leuchtendenSym-
bolen inAmpellogik an,wo man warten
soll, um direkt in ein Abteil mit freien
Plätzen einsteigen zukönnen.
DazuübermitteltdieSoftwaredesan-
kommenden Zugs vor der Einfahrtrele-
vante Daten wie die Zuglänge und die
Position derTüren an die LED-Streifen
im Boden.Videokameras in denWag-
gons liefern zudem in Echtzeit die Infor-
mation,wie stark einzelneWagen belegt
sind.Zwei Minuten vor der Einfahrt des
Zuges zeigen fast15 000 Leuchtpunkte
mit Rot,Grün oder Gelb, ob man richtig
steht.Je schneller dieFahrgäste einstei-
gen können, desto pünktlicher kann die
S-Bahn abfahren,so d as Ziel der Deut-
schenBahn. In Zukunft sollen nicht nur
freieWaggons, sondern auch freie Sitz-
plätzeschnelleraufzufindensein.Hierzu
können Sensoren in Sitzen zum Einsatz
kommen,dieentsprechendeInformatio-
nen etwa per App liefernkönnen.


Der grosse Vogelzug in den Süden


Jedes Jahr fliegen Milliarden Zugvögel in ihre Winterquartiere – wie orientieren sie sich dabei?


GIAN ANDREA MARTI (TEXT),JONAS OESCH,
EUGENU.FLECKENSTEIN (INFOGRAFIK)

Der Vogelzug ist ein Naturphänomen,
das die Menschen seit je fasziniert. Um
das Verschwinden derVögel im Herbst
und ihrAuftauchen imFrühlingrank-
ten sich früher zahlreiche Mythen und
Legenden. Noch im 18.Jahrhundert
glaubtenWissenschafter, dass Schwal-
ben die kalteJahreszeit im Schlamm von
Teichen und Seen verbringen würden.
Die meisten obskurenTheorien zum
Verbleib derVögel imWinter fanden
1822 dank einem sogenannten Pfeil-
storch ein jähes Ende. In jenemJahr
hielt sich an der mecklenburgischen
Osts eeküste einWeissstorch auf, in
dessenKörper ein langer Gegenstand
steckte. Um dasRätselraten um den
Gegenstand zu beenden, schoss man
den Storch und fand in ihm einenafr i-
kanischen Pfeil. DerVogel war beim
jährlichen Flug nachAfrika durch einen
Jagdpfeil verletzt worden und hatte mit
derWaffe im Körper denRückflug nach
Europa überstanden. Durch diese Ent-
deckungkonnte erstmals belegt werden,
dass Störche denWinter inÄquatorial-
afrika verbringen. DasTier kann heute
in der Zoologischen SammlungRostock
besichtigt werden.
Heute weiss man, dass sich jähr-
lich weltweit etwa 50 MilliardenVögel
im Herbst auf denWeg in den Süden
machen. Allein zwischen Europa und
Af rika sind es fünf Milliarden. Doch
weshalb ziehen vieleVogelarten im
Herbst eigentlich in den Süden? Und
wie finden sie den richtigenWeg? Die
wichtigstenFragen und Antworten im
Überblick.

WeshalbziehenVögel?


Die wichtigste Ursache für denVogel-
zug sind nicht die im Herbst tiefer wer-
dendenTemperaturen,sondern das je
nachJahreszeit extrem unterschiedliche
Nahrungsangebot in den Brutgebieten.
Laut LivioRey von der Schweizerischen
Vogelwarte Sempach ist es deshalbkein

Zufall, dass sich unter den Zugvögeln
viele Insektenfresser befinden. «Im
Winter sind dieTemperaturen in unse-
ren Breitengraden oftzu t ief, als dass
die Insekten nochdraussen aktivsind.»
VieleArten ziehen deshalb im Herbst in
Gebiete, in denen sie wieder ein grosses
Nahrungsangebot finden.
Ob, wann und wohin einVogel im
Herbst in den Süden zieht,ist genetisch
fes tgelegt.Flugrichtung und Flugdauer
sind angeboren. Dies haben unter
anderem die OrnithologenPeter Bert-
hold,Eberhard Gwinner undWolfgang
Wiltschko in Experimenten nachgewie-
sen. So ist der Drang zum Ziehen auch
bei Zugvögeln zu beobachten, die in
Gefangenschaft und ohneKontakt zu
frei lebenden Artgenossen und äus-
seren Umwelteinflüssen aufgewach-
sen sind.

Wie weit ziehendie Vögel?


Je nachdem, wie weit die Distanz ist,
welche dieVögel auf ihrem Zug zurück-
legen, wird zwischenLangstrecken- und
Kurzstreckenziehern unterschieden.
Langstreckenzieher verlassen im
Herbst ihr Brutgebiet vollständig und
überwinden grosse Distanzen, um in
einer gänzlich anderen Klimazone der
Erde zu überwintern. In Europa sind
das in der Regel diejenigen Arten,
derenWinterquartier in denTropen
Afrikas südlich der Sahara liegt. Die
meisten Insektenfresser sindLangstre-
ckenzieher, da ihre Nahrung imWinter
in Europa nicht mehr in ausreichender
Menge aufzufinden ist. Bekannte Ar-
ten unter ihnen sind etwa Gartenrot-
schwanz,Neuntöter, Kuckuck sowie die
meisten in Europa heimischen Schwal-
ben- und Seglerarten.
Kurzstreckenzieher überwintern hin-
gegen in Klimazonen, die jener ähneln,
in der sie brüten. In Europa liegen ihre
Winterquartiere deshalb in derRegel
im südlichen Mitteleuropa und im Mit-
telmeerraum. BekannteVertreter der
Kurzstreckenzieher sind Feldlerche,
Rotkehlchen und Hausrotschwanz.

Daneben gibt es noch die sogenann-
ten Teilzieher. Bei diesen Arten, die oft
auch zu denKurzstreckenziehern ge-
zählt werden, zieht meist nur einTeil
der Population Richtung Süden, wäh-
rend derandere Teil im Brutgebiet über-
wintert.Je nac h Härte desWinters im
Brutgebiet sind dann entweder die zie-
hendenVögel oder die im Brutgebiet
zurückgebliebenen imVorteil. In der
Schweiz sind Amselund Rotkehlchen
typischeTeilzieher.

Welche Routenwählen sie?


Da die Reise in Richtung Süden äus-
serst kräftezehrend ist, versuchen Zug-
vögel in derRegel, die für sie güns-
tigsteRoute abzufliegen. Hindernisse
wie Gebirge und das offene Meer wer-
den, falls möglich, umflogen.
So konzentriert sich derVogelzug
in den Alpen meistauf die Täler und
Pässe.In Afrika überwinterndeTiere
ziehen meist in südwestliche Richtung
über die Meerenge von Gibraltar in
ihr Winterquartier oder in südöstliche
Richtung über den Bosporus und an-
schliessend über die Sinai-Halbinsel.
Eine weitere «populäre»Route unter
europäischen Zugvögeln führt über Ita-
lien und Malta nachAfrika.

Wie orientierensich Zugvögel?


Heute sind mindestens drei Mittel be-
kannt, mit deren Hilfe sich Zugvögel
orientieren: die Sonne, die Sterne und
das Erdmagnetfeld.
Für die Orientierung am Erd-
magnetfeldkommt eine Art «innerer
Kompass», der sogenannte Magnet-
sinn, zum Einsatz. Der deutsche Zoo-
loge WolfgangWiltschkokonnte An-
fang der1960erJahre erstmals nach-
weisen, dassVögel mit Magnetfeld-
Rezeptoren den Neigungswinkel des
Erdmagnetfeldes wahrnehmen und
sich so orientierenkönnen. BeiRot-
kehlchen etwa liegen die Magnetfeld-
Rezeptoren im rechtenAuge.Wird die-
ses abgedeckt, verlieren dieTiere ihre

Fähigkeit,sich am Erdmagnetfeld zu
orientieren.
Auch der Stand der Sonne wirdvon
vielenZugvogelarten zur Orientierung
genutzt.Dies setztvoraus,dass dieVögel
die Position der Sonne zu jederTageszeit
kennen,also eine innere Uhr besitzen.
EinigeVögel können sich auch am
nächtlichen Sternenhimmel orien-
tieren, wobei vor allemdie Gesamt-
rotation des Sternenhimmels beachtet
wird. Diese astronomische Navigation
muss von denVögeln aber erst erlernt
werden. InVersuchen mit Indigofin-
ken konnte der Biologe Stephen Em-
len 1970 zeigen, dass von Hand aufge-
zogeneTiere, die a ls Jungtiere niemals
den Sternenhimmel zu Gesicht be-
kamen,später nicht in derLage waren,
sic hwie ihre frei lebenden Artgenos-
sen zu orientieren.Von Hand aufge-
zogeneTiere, die in einem Planetarium
mit einem um den Nordsternrotie-
renden Sternenhimmel gross wurden,
zeigten später hingegen ein normales
Zugverhalten.

WelcheGefahrengibt es?


Unabhängig von ihrer Dauer ist die
Reise insWinterquartier anstrengend
und gefährlich. Nebst natürlichen Ge-
fahren wie Stürmenstellenauch Strom-
leitung und Strommasten sowie die Zer-
störung vonRastplätzen einen Bedro-
hungsfaktor dar.
Ein grosses Problem ist zudem die
weitverbreitete Wilderei von Zug-
vögeln in denLändern um das Mit-
telmeer. Die Naturschutzorganisation
Birdlife Schweiz geht davon aus, dass
im Mittelmeerraum jährlich rund 25
MillionenVögel illegal getötet werden.
Die Tiere werden geschossen oder mit
Leimruten, Netzen undFallen gefan-
gen. LetztgenannteFangmethoden be-
deuten oft einen qualvollenTod. Über
den Schwarzmarkt werden dieTiere an
Restaurants und Private als Delikates-
sen verkauft.Vor allem bedrohte Ar-
ten werden durch dieWilderei zusätz-
lich unter Druck gesetzt.

QUELLEN: WORLDCLIM.ORG, SCHWEIZERISCHE VOGELWARTE, WIKIPEDIA

März April Mai Juni Juli August September Oktober November Dezember Januar Februar

Weissstorch Langstreckenzieher

Senegal

mehr als 25 °C

20–25 °C

15–20 °C

10–15 °C

5–10 °C

0–5 °C

Unter 0 °C

Durchschnitts-
temperatur

Mauersegler Langstreckenzieher Südafrika

Kuckuck Langstreckenzieher

Zentralafrika

Rotkehlchen Kurzstreckenzieher

Feldlerche Kurzstreckenzieher

Südeuropa
und Nordafrika

Je weiter einVogel in den Süden
zieht, desto früher geht er los. Viele Kurzstrecken-
zieher überwintern
auch in der Schweiz.

Aufenthalt in der Schweiz

Äquator

In Südeuropa und
Nordafrika bleiben die
Durchschnitts-
temperaturen über 10 °C.

Südlich des Äquators ist
es in den Wintermonaten
sommerlich warm
und nahrungsreich.

Wenn es in Mitteleuropa
kühler wird, schwindet das
Nahrungsangebot.

Zugvögel passieren die
nahrungsarmen
Wüstengebiete rasch.

Mauersegler

Kuckuck

Weissstorch

Abug aus den
Winterquartieren

Rotkehlchen

Feldlerche

Je früher derVogelzug begi nnt, destoferner ist das Ziel

Free download pdf