Neue Zürcher Zeitung - 18.10.2019

(Barry) #1

6INTERNATIONAL Freitag, 18. Oktober 2019


Thailands König dreht das Rad der Zeit zurück


Der neue Monarch Maha Vajiralongkorn greift nach mehr Macht – sein en Palast sichert er mit mehreren tausend Mann


MANFRED RIST, BANGKOK


Wo die grösste Gefahr für dasKönig-
reich Thailand und die nationale Sicher-
heit liegt, darüber kann es in denAugen
der thailändischen Militärskeinen Zwei-
fel geben. Hinter denRufen nach mehr
Demokratie steckten inTat undWahr-
heit Gegner der Monarchie, die alten
kommunistischen Idealen nacheifer-
ten, sagte der Armeechef GeneralApi-
rat Kongsompong in einerRede vergan-
geneWoche. Die Armee werde solchen
Bestrebungen nicht tatenlos zusehen, er-
gänzte Apirat.
Thailands Bevölkerung ist an auto-
ritären Belehrungen einiges gewohnt.
Während der fünfjährigen Militärdikta-
tur unter Ex-General Prayuth Chan-
ocha hat sie zahlreiche davon erlebt.
Aberkeine hat so geschockt wie die
eineinhalbstündige Philippika des der-
zeit ranghöchsten Generals.Apirat er-
innerte an den Kampf gegenkommu-
nistische Untergrundbewegungen in den
siebzigerJahren, an denen sich während
seiner Militärdienstzeit auch der dama-
lige KronprinzVajiralongkorn beteiligte,
der heutigeKönig. Ein Teil jenerkom-
munistischen Guerilla von damals hat
laut Apirat die einheimischen Universi-
täten unterwandert und wiegelt jetzt die
Studentenauf.


Sie drohen undverdächtigen


Wer in Thailand nach denWahlen vom
März an eine Demokratisierung ge-
glaubt hatte, sieht sich zusehends eines
Besseren belehrt. Für politische Be-


obachter inBangkok ist klar, dass die
Armee sich auch in Zukunft in diePoli-
tik einmischen wird, notfalls mit einem
Putsch – wie 2006 oder 2014. Kritische
Stimmen werden heute umgehend als
Angriff auf die Monarchiegedeutet.
Auch der Zeitpunkt derWarnung an die
Adresse derAkademiker und Studenten
ist brisant: In den Oktoberwochenjäh-
ren sich jeweils die Massaker von 1973
und von1976 an derThammasat-Uni-
versität.Wegenangeblicher Kompli-
zenschaft mitKommunisten richteten
Soldaten damals Blutbäder unter Stu-
denten an. Die Armee ist dafür nie zur
Rechenschaft gezogen worden.
ApiratsRede zielte auch aufPoliti-
ker wieThanathornJuangroongruang-
kit,die sich füreine echte Demokrati-
sierungThailands einsetzen und in die-
sem Zusammenhang eine Anpassung
der während der Militärdiktatur verab-
schiedeten Verfassung anstreben. Des-
sen Future ForwardParty etablierte sich
bei denWahlen im März als drittstärkste
Kraft. Er gilt als der neueThaksin Shi-
nawatra,der etablierte Machtstrukturen
in Thailand infrage stellte: Schon wäh-
rend desWahlkampfs warThanathorn
als verlängerter Arm des heute im Exil
lebenden früherenMinisterpräsidenten
verunglimpft worden.Jetzt hat Gene-
ral ApiratThanathornsKontakte zum
Hongkonger AktivistenJoshuaWong
aufs Korn genommen;Wongs Besuche
in Thailand seien ohnehinsuspekt,gab
der General zum Besten.
Apirats Herkunft lässt tief blicken.
Sei nVater war General und gehörte
der Junta an, dieThailand zu Beginn

der neunzigerJahre regierte. Die Un-
verblümtheit, mit der er nun Stellung
bezogen hat, deutet nicht nur auf die
(politische)Rolle hin, die die Armee in
Thailand weiterhin zu spielen gedenkt.
Sie unterstreicht,dass dieArmeeRufe
nach mehr Demokratie heute als Her-
ausforderung für die nationale Sicher-
heit sieht.Thirayuth Boonmee, einer der
Studentenführer von1973, der nun an
verschiedenen thailändischen Universi-
tätenlehrt , machteine gefährlichePola-
risierung, eine kriegerische Mentalität
und eine Erstarrung desSystems aus.
Dieskönne wie in den siebzigerJahren
in Gewalt umschlagen.

Rochade mit Hintergedanken


Im Hintergrund vollziehen sich inThai-
land derweil Entwicklungen, über die
In tellektuelle imKönigreich nur ver-
klausuliert sprechen: An der Hierar-
chie der Macht hat sich nichts verscho-
ben:Zuerstkommt dasKönigshaus,
dann der Sicherheitsapparat und erst
dann die politischen Institutionen.Doch
noch nie seit der Abschaffung der abso-
luten Monarchie vor 87Jahren hat ein
Staatsoberhaupt so direkt und kühn in
die Ausgestaltung derVerfassung und
der Politik eingegriffen wieKönig Maha
Vajiralongkorn.Dieser lässtkeine Zwei-
fel aufkommen,dass er sich im Zentrum
der Macht sieht.
Die jüngsten Schachzüge desKönigs
betreffen die Streitkräfte. Zwei Infan-
terieregimenter sind seitAnfang Okto-
ber direkt demKommando desKönigs
unterstellt. Militärexperten betonen,

dass derPalast unter Einschluss der
5000 Mann starkenRoyal Command
Guard damit über hervorragend aus-
gerüstete und ausgebildeteTruppen
verfüge, die in strategischerNähe der
Hauptstadt stationiert seien. Offiziell
heisst es , dass die Umpositionierun-
gen mit erhöhten Sicherheitsansprü-
chen desKönigshauses zu tun hätten.
Findige Beobachter sehen diesaber als
Rochade, die sicherstellt, dass Militär-
putsche gegen denWillen desPalastes
fortan nicht mehr möglich sind. Mit der
Reorganisation ist der Armeechef Api-
rat persönlich betraut worden,der als ul-
traroyalistisch gilt.
Ganz generell ist eine grössereRe-
form im Gang, die auf einen engeren
Schulterschluss zwischen demKönigs-
haus und derArmee sowieauf direktere
Kommandostrukturen bis in denPalast
hindeutet. Dabei kommt es zu weitrei-
chenden Umbesetzungen: Die alte Frak-
tion der sogenannten Queen’s Guard,
die seit 2004 fünf Armeechefs stellte, ist
weitgehend ausbootet.Aus ihrenReihen
stammt zwar auch der heutige Minister-
präsident und frühere General Prayuth
Chan-ocha.Zwar steht er der Zivilregie-
rung vor, im neuen Machtgefüge gilt er
aber als abgehalftert.
Wer vor jenemThronwechsel dar-
auf setzte, dass der neue Monarch lange
im Schatten seines als Halbgott verehr-
ten Vaters verharren würde, hat sich
getäuscht.Vielmehr häufen sich seit-
her konkrete Anzeichen, die auf eine
aktive und ultrako nservativeRolle des
Königshauses hindeuten. Diekönig-
liche Anweisung, die 2016 ausgearbei-

tete Verfassung im Sinne des Monar-
chen anzupassen, war ein erstes Signal.
Der direkte Zugriff auf diekönigliche
Vermögensverwaltung, das milliarden-
schwere Crown Property Bureau, war
wenig später ein zweites, die pompöse
Krönungszeremonie ein drittes Zei-
chen.Jetzt tragen Umbesetzungen und
die neuen Strukturen in der Armee die
Handschrift der 67-jährigen Monarchen.

SymbolhafteWortwahl


Auch dieSymbolikkommt nicht zu
kurz. Im April 2017 verschwand am So-
ckel einerKönigsstatue im Zentrum von
Bangkok über Nacht eine Messingplatte,
die auf das Ende der absoluten Monar-
chie imJuni 1932 und den Beginn der
Demokratie hinwies. Sie wurde durch
eine Inschrift ersetzt, die dieVorzüge der
Monarchie preist. Andere Denkmäler,
die an jene Revolution erinnern, sind
Bauprojekten inBangkok zum Opfer
gefallen.Im Gegenzug sind zweikönigs-
treu e Offi ziere, die 1933 beim misslunge-
nen Gegenputschder BoworadetRebel-
lion ums Leben kamen, kürzlich durch
die Armee geehrt worden.
Und dann ist da auch noch der Eid,
den Ministerpräsident Prayuth bei sei-
nerAmtseinsetzung imJuli geleistet hat.
So schwor er protokollarischkorrekt zu-
erst Loyalität gegenüber der Majestät.
Doch dann würde eigentlich ein Satz
folgen, in dem dieRegierung schwört,
auch die thailändischeVerfassung voll-
umfänglich zurespektieren. Doch die-
sen Satz liess Prayuth weg.Angeblich
weil er ihn vergessen hatte.

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