Handelsblatt - 22.10.2019

(Joyce) #1
„Es ist sehr wichtig,
Kontinuität zu wahren.“
Jennifer Morgan, Co-CEO von SAP

„Putzen, Abwaschen, Gartenarbeiten,
das Einrichten eines Fernsehers,
einen tropfenden Wasserhahn zu
reparieren, Besorgungen zu machen.
Das gehört alles dazu.“
Stacy Brown-Philpot, Task-Rabbit-Chefin. Der schwedische
Möbelriese Ikea will mit seiner US-Tochter Task-Rabbit den
deutschen Markt für Haushaltshilfen erobern.

D


ie Krise um Antibiotika-Resistenzen ist seit Jah-
ren bekannt. Es mangelt auch nicht an politi-
schen Aktionsplänen und Initiativen, um den
Ursachen – wie etwa dem missbräuchlichen Einsatz –
entgegenzuwirken oder die Forschungsaktivitäten mit
Millionengeldern anzukurbeln. Aber noch immer gibt
es zu wenige Forschungsprojekte, in denen überhaupt
Wirkstoffe gegen die gefährlichen Keime entwickelt
werden – und noch weniger Projekte, in denen wirklich
innovative Wirkansätze erforscht werden.
Das wird sich auch nicht ändern, wenn nicht bald Lö-
sungen umgesetzt werden, die denjenigen Firmen, die
noch in der Antibiotika-Forschung aktiv sind, ausrei-
chende Gewinne für ihre Aktivitäten versprechen. Da-
bei geht es nicht um Geldschneiderei. Es geht vielmehr
schlicht um notwendige Anreize, damit Marktmechanis-
men wieder in Gang gesetzt werden.
Weil es keine Aussicht auf angemessene Renditen
gibt, hat sich Big Pharma weitgehend aus der Antibioti-
ka-Forschung zurückgezogen. Mit weitreichenden Fol-
gen auch für die noch aktiven kleinen und mittleren Un-

ternehmen. Denn wenn sich Big Pharma in diesem
Markt nicht mehr engagiert, haben die kleinen Unter-
nehmen wenig Chancen, für ihre Projekte Partner zu
finden, die die teuren Phasen bis zur Marktreife mit -
finanzieren. Und auch Investoren halten sich zurück,
denn aus ihrer Sicht fehlt mit Big Pharma eine zentrale
Möglichkeit für einen erfolgreichen Exit.
Die großen Pharmaunternehmen können dank eines
in der Regel großen Finanzpolsters Rückschläge in der
Medikamentenentwicklung besser verkraften. Sie kön-
nen auch Anlaufverluste beispielsweise für die Produk-
tion und Herstellung eines Medikaments tragen. Kleine
Unternehmen können das nicht. Der Flop eines Medi-
kaments kann sie schnell in den Ruin treiben. Schaffen
sie es bis zur Zulassung, fehlt ihnen dann womöglich
das Geld, die Herstellung zu finanzieren.
Wenn also derzeit vor allem auf den kleinen Unter-
nehmen unsere Hoffnungen für neue Antibiotika liegen,
ist eine Förderung derzeit umso dringlicher. Denn die
Versorgung mit funktionierenden Wirkstoffen gegen
bakterielle Infektionen ist eine Art medizinische Infra-
struktur, die wir uns leisten können und leisten sollten.
Anreizsysteme für den Marktzugang, Bereitstellungs-
prämien für wirksame Mittel gegen die gefährlichen
Krankenhauskeime, aber vor allem auch eine zügige Er-
stattung – die Vorschläge, wie man die Antibiotika-Krise
lösen kann, sind auf dem Tisch. Damit sie aber umge-
setzt werden, muss es wohl auch ein Umdenken bei al-
len Beteiligten geben: Wenn uns etwas so wichtig ist,
darf es auch etwas kosten. Gesundheit hat nun mal ih-
ren Preis.

Antibiotika


Gesundheit hat ihren Preis


Die Antibiotika-Krise ist nicht
zu lösen, wenn die Unternehmen
keine Aussicht auf
ausreichende Gewinne haben,
meint Maike Telgheder.

Der Autorin ist Redakteurin in Frankfurt.
Sie erreichen sie unter:
[email protected]

Die


Vorschläge,


wie man


die Antibio-


tika-Krise


lösen kann,


sind auf


dem Tisch.


Wirecard, dpa, TaskRabbit


Betriebsrenten


Garantiert


unprofitabel


A


ktienmärkte haben aus Sicht
der deutschen Sparer etwas
Undurchschaubares, biswei-
len sogar Bedrohliches. Die Angst,
alle Rücklagen durch einen großen
Crash zu verlieren, lässt viele selbst
in Zeiten anhaltender Niedrigzinsen
lieber zu konservativen Anlagefor-
men greifen. Diese Mentalität
scheint auch bei der Vorsorge für
das Alter durch. Die Beschäftigten
mögen es sicher: Betriebsrenten
sollten für die späteren Auszahlun-
gen eine Mindesthöhe garantieren.
Eine Umfrage zeigt, dass selbst
unter Mitarbeitern von Finanz-
dienstleistern, denen der Zusam-
menhang zwischen Risiko und Ren-
dite möglicherweise eher bewusst
ist, nur 19 Prozent sich für eine ga-
rantiefreie Zielrente erwärmen kön-
nen. Dieses neue Instrument der
betrieblichen Altersversorgung ist
seit fast zwei Jahren möglich, ange-
nommen wird es aber nicht. Die ge-
rade im Gewerkschaftslager verbrei-
tete Skepsis ist unverständlich: Be-
triebsrenten mit festen Garantien
führen in der heutigen Niedrigzins-
welt dazu, dass die zusätzliche Vor-
sorge von Arbeitnehmern für das
Alter am Ende schmaler ausfällt.
Der Aufbau von Ansprüchen in
der betrieblichen Altersversorgung
läuft im Idealfall über das gesamte
Erwerbsleben. Das ist ein Zeitraum
von 40 oder 45 Jahren. Da sind risi-
koreichere Anlagen gerade zu Be-
ginn der Ansparphase vertretbar
und können die Grundlage für eine
höhere Zusatzrente legen. Die Ge-
werkschaften sollten das im Interes-
se der Beschäftigten erkennen –
und sich nicht wie zuletzt die
IG Metall an der garantierten Min-
destleistung festklammern.
Außerdem bietet das sogenannte
Sozialpartnermodell die Chance,
dass mehr Arbeitnehmer eine Zu-
satzrente bekommen. Gerade klei-
ne und mittlere Unternehmen
schrecken bislang wegen Rückstel-
lungen und Haftungsrisiken vor ei-
ner betrieblichen Altersversorgung
zurück. Dazu müssten sich Gewerk-
schaften und Arbeitgeber aber ent-
schlossen auf den Weg machen und
in Tarifverhandlungen vereinbaren,
branchenweite Pensionsfonds für
die neue Betriebsrente zu gründen.

Der Garantiefetisch schadet der
Altersvorsorge. Betriebsrentner
bekommen so nur Minirenditen,
sagt Gregor Waschinski.

Der Autor ist Korrespondent in
Berlin.
Sie erreichen ihn unter:
[email protected]

Unternehmen & Märkte


DIENSTAG, 22. OKTOBER 2019, NR. 203^29


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