Handelsblatt - 22.10.2019

(Joyce) #1

Astrid Dörner, Martin Kölling New York, Tokio


M


asayoshi Son sieht sich gern als Di-
rigent eines großen Orchesters, in
dem er die besten Musiker um
sich schart und das Tempo vor-
gibt. Nur dass die Musiker in
Wahrheit Start-up-Gründer sind und Son, Chef des
japanischen Technologieunternehmens Softbank,
ihr spendabler Investor. In den vergangenen Jahren
spielte der 62-jährige Milliardär am liebsten fortis-
simo – besonders laut. Schließlich hatte er 100 Mil-
liarden Dollar zur Hand, um in zukunftsträchtige
Start-ups zu investieren.
In kürzester Zeit machte sich Son einen Namen
in Amerikas Start-up-Szene als Geldgeber mit den
tiefsten Taschen. Softbanks Vision Fund „war im-
mer der Investor mit den größten Schecks, der oft
auch andere Kapitalgeber vergraulte“, berichtet ein
New Yorker Investor, der seinen Namen lieber
nicht in der Zeitung lesen will. Son war nicht zu
bremsen. „Wir leben nur ein Mal, also will ich in
großen Zügen denken. Es ist nicht meine Absicht,
kleine Wetten einzugehen“, sagte er vor zwei Jah-
ren vor Investoren. Damals ermutigte er WeWork-
Gründer Adam Neumann, „verrückter“ zu sein,
wie Neumann damals in einem Interview mit dem
US-Magazin „Forbes“ erzählte.
Nun jedoch macht der Softbank-Chef einen Sin-
neswandel durch: Andante statt fortissimo lautet
der neue Stil des Dirigenten, lieber etwas gemäßig-
ter als zu schnell. „In letzter Zeit habe ich den
Gründern gesagt, dass sie ihre Grenzen kennen
müssen“, sagte Son in einem Interview mit der ja-
panischen Zeitung „Nikkei“. Bei einem Treffen sei-
ner Portfoliounternehmen im September in Kali-
fornien soll er Medienberichten zufolge die Grün-
der auch dazu gedrängt haben, mehr auf die
Profitabilität und Compliance zu achten.
Softbank ist unter Zugzwang. Die zwei größten
Investments des Vision Funds, WeWork und Uber,
sind gefloppt. Nach dem geplatzten Börsengang im
September muss WeWork gar ums Überleben
kämpfen. Dabei war der Bürovermittler noch An-
fang des Jahres – dank einer Finanzspritze von Soft-
bank – noch mit 47 Milliarden Dollar bewertet wor-
den. Doch mit dieser Bewertung fand das schnell
wachsende, aber auch hochdefizitäre Unterneh-
men keine Abnehmer an der Wall Street. Nun feh-
len rund neun Milliarden Dollar, die WeWork
durch den Börsengang und zusätzliche Kredite ein-
nehmen wollte. Derzeit verhandelt das New Yorker
Start-up mit Softbank und Geldhäusern über neue
Finanzmittel.

Komplettübernahme als Option
Im Gespräch ist ein fünf Milliarden Dollar schweres
Finanzierungspaket von JP Morgan Chase. Dabei
werden hochriskante Anleihen ausgegeben, wofür
potenzielle Abnehmer aber einen hohen Preis ver-
langen. Der Zinscoupon soll bei 15 Prozent liegen,
den das Start-up jedoch nur zu einem Drittel in bar
zurückzahlen muss. Der Rest kann mit der Ausgabe
weiterer Anleihen beglichen werden.
Alternativ könnte Softbank erneut einspringen
und den Anteil von derzeit rund 30 Prozent deutlich
aufstocken, allerdings zu einer Bewertung von weni-
ger als acht Milliarden Dollar, berichtet der Finanz-
dienstleister Bloomberg. Das würde die Anteile der
bestehenden Aktionäre, inklusive Neumann, deut-
lich verwässern und könnte den WeWork-Gründer
auch privat in finanzielle Schwierigkeiten bringen. Er
hat Kredite von mehreren Hundert Millionen Dollar
aufgenommen und diese zum Teil mit seinen Antei-
len besichert. Sollten diese nun deutlich weniger
wert sein, könnte er neue Sicherheiten hinterlegen
oder die Kredite zurückzahlen müssen. Im Gespräch
ist auch, dass Softbank die Mehrheit oder gar 100
Prozent an WeWork übernehmen könnte. Das wäre
höchst ungewöhnlich. Normalerweise begnügt sich
Son mit 20 bis 40 Prozent der Unternehmensanteile.
In einem Krisenfall wie diesem könnte das jedoch
durchaus sinnvoll sein, glaubt Sven Weber, der den
Risikokapitalfonds Knightsbridge Advisers berät.
„Kredite müssen immer zuerst bedient werden. Und
da WeWork schon hochverschuldet ist, kann es von
Vorteil sein, auf weitere Schulden zu verzichten.“

Son, der über den Vision Fund und über den Kon-
zern insgesamt knapp elf Milliarden Dollar in We-
Work investierte, bleibe nun nur noch die Flucht
nach vorn, glaubt Weber. „Sie müssen zeigen, dass
sie die Verluste minimieren können und das Beste
aus dem Unternehmen rausholen.“ Der Bürovermie-
ter machte im vergangenen Jahr 1,9 Milliarden Dollar
Verluste, der Umsatz lag sogar etwas darunter bei 1,8
Milliarden Dollar.
Auch Softbanks zweites großes Investment ent-
täuschte. Der Fahrdienstanbieter Uber, der im Mai an
die Börse ging, liegt derzeit rund 30 Prozent unter
dem Ausgabepreis. Das wiederum lastet auf Softbanks
anderen Investments in ähnliche Anbieter. So sind die
Japaner auch an Ubers Konkurrenten Didi in China
beteiligt sowie an Ola in Indien und Grab in Singapur.
Uber und WeWork nagen an Sons Image als gro-
ßer, erfolgsverwöhnter Investor. Son zählt mit einem
Vermögen von knapp 19 Milliarden Dollar zu den
reichsten Japanern und verdankt einen Großteil sei-
nes Erfolgs einem Investment in den chinesischen
Onlinehändler Alibaba.

Softbank ist gerade dabei, Geldgeber für einen
zweiten Vision Fund zu gewinnen. Der sollte ur-
sprünglich mit 108 Milliarden Dollar noch größer
sein der erste. Nun jedoch erwägt Softbank eine
deutlich kleinere Neuauflage. „Große Mengen an
Kapital zu investieren ist an sich noch kein Erfolg“,
gibt Claudia Zeisberger, Professorin für Unterneh-
mertum und Private Equity an der Business School
In sead zu bedenken. Erfolg in der Venture-Capital-
Branche „wird daran gemessen, ob Investoren wie
Softbank Start-ups zu erfolgreichen Unternehmen
machen und dabei Renditen erzielen können“.
Wie groß der Vision Fund 2 nun tatsächlich sein
wird, ist immer noch nicht klar. Der Staatsfonds
aus Abu Dhabi, der sich mit 15 Milliarden Dollar an
dem ersten Vision Fund beteiligte, habe noch
nicht entschieden, ob er auch in der zweiten Run-
de mit dabei sein wolle, berichtete der US-Börsen-
sender CNBC. Ursprünglich war von einer Investi-
tion in Höhe von unter zehn Milliarden Dollar die
Rede. Der saudi-arabische Staatsfonds, der mit 45
Milliarden Dollar der größten Investor des Vision

Der Tech-Investor


muss umsteuern


Für den japanischen Softbank-Konzern konnten Start-up-Gründer


bisher gar nicht visionär genug sein. Nach den Flops seiner


großen Investments WeWork und Uber stimmt


Firmenchef Son jedoch leisere Töne an.


Demütige Geste:
Konzernchef Son
bei einer Presse-
konferenz.

Bloomberg


19


MRD. EURO



  • mit einem
    Vermögen in dieser
    Größenordnung
    zählt Son zu den
    reichsten Japanern.


Finanzen


& Börsen


(^30) DIENSTAG, 22. OKTOBER 2019, NR. 203
‹+DQGHOVEODWW0HGLDURXSPE+ &R.*$OOH5HFKWHYRUEHKDOWHQ=XP(UZHUEZHLWHUJHKHQGHU5HFKWHZHQGHQ6LHVLFKELWWHDQQXW]XQJVUHFKWH#KDQGHOVEODWWJURXSFRP

Free download pdf