Handelsblatt - 22.10.2019

(Joyce) #1
Fund 1 ist, hat lediglich zugesagt, die Gewinne zu
reinvestieren. Auch die Struktur soll anders sein.
Softbank brauchte zweieinhalb Jahre, um 80 Milli-
arden Dollar zu investieren. Beim nächsten Mal
will sich Son vier bis fünf Jahre Zeit nehmen. Der
japanische Konzern selbst wird sich mit 38 Milliar-
den Dollar am Vision Fund 2 beteiligen. Auch App-
le, Microsoft und Foxconn sollen zu den Investo-
ren zählen.
Dass Softbank künftig stärker auf die Profitabili-
tät seiner Portfoliounternehmen achten will, hält
Weber für einen wichtigen Schritt. „Es ist generell
gut, mehr auf die Fundamentaldaten zu schauen.
Gerade wenn es um hohe Bewertungen geht, müs-
sen Unternehmen das auch rechtfertigen.“
Schon jetzt merken Investoren im Silicon Valley,
dass die Enttäuschungen bei WeWork und Uber
Folgen haben. Drei Unternehmen haben in den
vergangenen Wochen wegen schlechter Marktbe-
dingungen ihre Börsengänge abgesagt: die Talenta-
gentur Endeavor, die Delivery-App Postmates und
der Chat-Dienst für Banken, Symphony. Insead-
Professorin Zeisberger geht davon aus, dass auch
die Renditen für Risikokaptalgeber insgesamt sin-
ken werden. Erste Anzeichen dafür gab es in den
vergangenen Wochen bereits, nachdem ein Bericht
des Branchendienstes „The Information“ aus inter-
nen Unterlagen von Andreessen Horowitz zitierte,
einem der bekanntesten Silicon-Valley-Investoren.
Scott Galloway, Professor an der New York Uni-
versity, spricht gar von einer „Epidemie an Selbst-
überschätzung“ in der Welt der Einhörner – Start-
ups, die mehr als eine Milliarde Dollar wert sind.
Son gibt sich derweil voller Tatendrang. Es geht
schließlich um seinen Ruf als Investor. „Meine Er-
gebnisse sind noch nicht sichtbar geworden, daher
bin ich beschämt und ungeduldig“, räumte er ge-
genüber „Nikkei“ ein. Er hat es sich zum Ziel ge-
macht, mit Investments in Unternehmen, die
Künstliche Intelligenz nutzen, die Wirtschaft der
Zukunft maßgeblich mitzugestalten. Am 6. Novem-
ber legt sein Konzern Jahreszahlen vor und beant-
wortet die Fragen der Analysten. Es wird erwartet,
dass er dann auch Details zu seiner weiteren In-
vestmentstrategie verkündet.

Albert Wenger


„Einigen Start-ups fehlte


es an Disziplin“


Wer Albert Wengers Büro in Manhattan be-
tritt, dem fällt sofort das kleine Schmuck-
stück ins Auge: Auf einem Aktenschrank
steht ein Apple II mit europäischer Strom-
versorgung. Auf dem Kultcomputer, der
gut 35 Jahre alt ist, hat der Investor pro-
grammieren gelernt. Derzeit funktioniert
er nicht, doch das soll sich bald ändern.
„Ihn anstellen zu können, das wäre schon
cool“, sagt er.

Herr Wenger, die Krise bei WeWork domi-
niert derzeit die Schlagzeilen aus der
Start-up-Welt. Wie nehmen Sie die Debat-
te wahr?
Hier kommen viele verschiedene Dinge
zusammen. Dass Büroimmobilien lange
Verträge haben ohne Flexibilität, ist nicht
zeitgemäß für eine Wirtschaft, in der Fir-
men oft sehr schnell wachsen oder auch
sehr schnell schrumpfen. Und in der Fir-
men mehr dezentralisiert sind und zehn
Leute hier und 20 Leute dort haben. Hin-
ter WeWork steckt also eine sehr gute
Idee. Und für gute Ideen hat es extrem
viel Kapital gegeben. Besonders, wenn Fir-
men sehr schnell gewachsen sind. Das
führt manchmal zu gewissen
Exzessen.

Die Wall Street ist allerdings nicht bereit,
diese Exzesse mitzutragen.
Das ist auch ein relativ gesunder Prozess.
WeWork ist wie viele andere Start-ups
lange in privaten Händen geblieben. Wie
man bei unseren Portfolio-Unternehmen
Twilio, Mongo DB, Etsy und Cloudflare
gesehen hat, sind wir ein großer Fan
davon, dass die Firmen früher an den
Markt gehen.

Warum?
Die Märkte sind zwar nicht perfekt, aber
sie bringen eine gewisse Disziplin mit sich.

Sehen Sie eine Art Clash der Kulturen,
weil im Silicon Valley andere Maßstäbe
gelten als an der Wall Street?
Ich würde eher sagen, die Firmen waren
undiszipliniert. In ihrem Wachstum und in
dem, was sie bereit waren, für ihr Wachs-
tum zu bezahlen, in der Art der Verträge,
die sie gemacht haben, und der Firmen-
kultur. Gewisse Dinge, die bei diesen Fir-
men mit Hyperwachstum und extrem
viel privatem Kapital passiert sind,
wären bei börsennotierten Unterneh-
men nicht möglich gewesen.

Woran denken Sie konkret?
Zum Beispiel daran, dass We-
Work 5,9 Millionen Dollar für
die Rechte des Namens

„We“ an Gründer Adam Neumann zahlte,
bevor die Transaktion wieder rückgängig
gemacht wurde.

Wird das Debakel bei WeWork Auswir-
kungen auf andere Einhörner haben?
Ich kann mir vorstellen, dass jemand wie
WeWork nicht an den Markt geht oder nur
zu einem viel niedrigeren Preis und dass
Firmen, die gute Geschäfte aufbauen, wei-
ter gute Chancen haben.

WeWork und andere konnten nur so un-
diszipliniert sein, weil die Investoren sie
gelassen haben.
Wir haben es mit einem Prinzipal-Agent-
Problem zu tun: Wenn ich Manager eines
großen Fonds bin, dann denke ich mir:
Wenn ich nicht investiere, dann macht es
ein anderer. Und wenn WeWork tatsäch-
lich die Verwandlung des kommerziellen
Immobilienmarktes vorantreibt, dann
könnte ich mir vorstellen, dass das Unter-
nehmen 500 Milliarden Dollar wert sein
kann. Die Fondsmanager haben sehr we-
nig persönliche Nachteile, daher ist es
leicht zu verstehen, dass wir in diese Situa-
tionen kommen, in denen es keine Preis-
disziplin gibt. Vor allem, wenn man be-
denkt, was bei den Zentralbanken passiert.

Sie meinen die niedrigen Zinsen?
Genau. Es wäre naiv zu sagen, dass die
Dinge im Silicon Valley in einem Vakuum
geschehen. Wir haben in den USA seit der
Finanzkrise allein vier Billionen Dollar an
neuem Geld geschaffen, netto sind wir in
etwa bei 3,5 Billionen. Ähnliches passierte
bei der Europäischen und bei der chinesi-
schen Zentralbank. Wir drucken in der
ganzen Welt Geld, da darf man sich nicht
wundern, dass es eine Asset-Blase gibt.
Hinzu kommen jetzt noch Staatsanleihen
mit negativer Rendite im Wert von 17 Bil-
lionen Dollar. Wachstum und vor allem
schnelles Wachstum ist daher durchaus et-
was wert.

Risikokapitalgeber investieren zuneh-
mend auch in Deutschland. Wie bewerten
Sie die Start-up-Szene dort?
Ich finde Deutschland superinteressant.
Meines Erachtens gibt es ein wirklich gutes
Ökosystem und viele interessante Start-
ups. Wir haben in eine Reihe von Firmen
investiert. Es gibt immer mehr neue
Fonds, die sich auf Europa konzentrieren
und auch viel Geld haben. Deutschland
muss mal aufhören, die Leute ins Silicon
Valley zu schicken. Die Gründer brauchen
nichts zu lernen, sie sollten ihre Zeit lieber
dafür verwenden, eine Firma zu gründen
und sie aufzubauen.

Herr Wenger, vielen Dank für das
Interview.

Die Fragen stellte Astrid Dörner.


Der deutschstämmige Risikokapitalgeber von
Union SquareVentures über die Krise bei WeWork und
warum er deutsche Gründer mag.

v
w

W


Albert Wenger:
„Die Märkte bringen
eine gewisse
Disziplin mit sich.“

Kai Nedd


en/l


aif


Meine


Ergebnisse


sind noch


nicht sichtbar


geworden,


daher bin ich


beschämt


und


ungeduldig.“
Masayoshi Son
Softbank-Chef

Finanzen & Börsen


DIENSTAG, 22. OKTOBER 2019, NR. 203^31


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