Handelsblatt - 22.10.2019

(Joyce) #1

Gerd Höhler Athen


N


och vor wenigen Monaten ließen sich
die Anleger den Kauf griechischer
Schuldpapiere mit deftigen Risikozu-
schlägen bezahlen. Am Jahresbeginn
lag die Rendite der zehnjährigen An-
leihe bei fast 4,3 Prozent. Wer damals zugriff, kann
sich über satte Kursgewinne freuen. Spiegelbildlich
zu den steigenden Kursen fallen die Erträge. An-
fang Oktober konnte die staatliche Schuldenagen-
tur PDMA Zehnjahrespapiere im Volumen von 1,5
Milliarden Euro mit einer Emissionsrendite von 1,5
Prozent platzieren. Vergangene Woche rutschte die
Rendite erstmals unter die Marke von 1,3 Prozent.
Das war der niedrigste Stand überhaupt, seit Grie-
chenland 2001 den Euro eingeführt hat.
Bei den kürzer laufenden Geldmarktpapieren
lässt sich Griechenland inzwischen sogar dafür be-
zahlen, dass man ihm Geld leihen darf. Vor zwei
Wochen refinanzierte die PDMA Dreimonatspapie-
re im Volumen von 488 Millionen Euro zu einem
Zins von minus 0,02 Prozent.
Eine erstaunliche Entwicklung, wenn man be-
denkt, wo das Land noch vor einigen Jahren

stand. Auf dem Höhepunkt der Griechenlandkri-
se Anfang 2012 sprachen Anleger und Medien von
griechischen Anleihen spöttisch als „Ouzo-
Bonds“ – eine Anspielung auf die Rendite der
zehnjährigen Anleihe, die damals mit 40 Prozent
fast so hoch war wie der Alkoholgehalt des grie-
chischen Nationalschnapses.
Wer in griechische Schuldpapiere investierte,
brauchte in der Vergangenheit starke Nerven und
viel Risikobereitschaft. Das zeigte sich beim Schul-
denschnitt Ende Februar 2012. Damals bekamen
institutionelle Investoren und private Anleger für
ihre griechischen Bonds neue Papiere, die nur halb
so viel wert waren. Mit dem Schuldenschnitt kam
Griechenland nur vorübergehend in ruhigeres
Fahrwasser. Die nächste Zitterpartie begann An-
fang 2015 mit dem Wahlsieg des radikalen Links-
bündnisses Syriza. Premier Alexis Tsipras und sein
exzentrischer Finanzminister Yanis Varoufakis
führten das Land mit ihrer Konfrontationsstrategie
gegenüber den Gläubigern an den Rand des Staats-
bankrotts. Die Rendite der zehnjährigen Anleihe
stieg wieder auf mehr als 25 Prozent.

Jetzt setzen die Anleger auf einen Politikwechsel
in Athen. Der seit Anfang Juli amtierende konserva-
tiv-liberale Regierungschef Kyriakos Mitsotakis tritt
mit einem wirtschaftsfreundlichen Programm an.
Er will das Land mit Strukturreformen, Privatisie-
rungen und Steuersenkungen auf einen nachhalti-
gen Wachstumspfad führen.
Griechenland hat zwar immer noch die mit Ab-
stand höchste Staatsschuldenquote aller Euro-
Staaten. Sie wird nach Angaben des Athener Fi-
nanzministeriums zum Jahresende bei 184,7 Pro-
zent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) liegen. Das
ist mehr als das Dreifache der im EU-Stabilitäts-
pakt festgeschriebenen Obergrenze von 60 Pro-
zent des BIP. Aber mit den im vergangenen Jahr
beschlossenen Schuldenerleichterungen gelten
die griechischen Staatsschulden bis mindestens
2032 als tragfähig. Überdies ist das Land dank ei-
nes Liquiditätspuffers von rund 34 Milliarden
Euro bis Ende 2022 durchfinanziert. Auch beruhi-
gend aus Sicht der Anleger: Nach den drei Hilfs-
programmen der vergangenen zehn Jahre liegen
rund 80 Prozent der griechischen Staatsschulden

Anleger reißen sich


um Hellas-Anleihen


Die Renditen der griechischen Bonds sind niedriger als je zuvor.


Jetzt hofft Athen auch auf bessere Noten der Ratingagenturen und die


Rückkehr in die Liga der investitionswürdigen Schuldner.


Massenandrang auf der
Akropolis in Athen:
Griechenland ist mittler-
weile nicht nur bei
Touristen angesagt.

NurPhoto/Getty Images


Private


Geldanlage


(^34) DIENSTAG, 22. OKTOBER 2019, NR. 203
‹+DQGHOVEODWW0HGLDURXSPE+ &R.*$OOH5HFKWHYRUEHKDOWHQ=XP(UZHUEZHLWHUJHKHQGHU5HFKWHZHQGHQ6LHVLFKELWWHDQQXW]XQJVUHFKWH#KDQGHOVEODWWJURXSFRP

Free download pdf