Handelsblatt - 22.10.2019

(Joyce) #1

Dax-Umfrage


Ausländer setzen auf


Brexit-Entscheidung


Von den Kursgewinnen am
deutschen Aktienmarkt in
den vergangenen Tagen haben
heimische Anleger offenbar
nur wenig profitiert.

Jürgen Röder Düsseldorf


I


nnerhalb von 14 Tagen ist der
Dax um knapp 1000 Punkte ge-
stiegen, auch in der vergange-
nen Woche legte der Index ein Pro-
zent zu. „Diese Rally wurde zu einem
großen Teil von ausländischen Inves-
toren befeuert“, erläutert Stephan
Heibel nach Auswertung der Han-
delsblattumfrage Dax-Sentiment und
weiterer Indikatoren.
Zwei Indizien legen diese Ansicht
nahe: Zum einen ist der Euro gegen-
über dem Dollar in dieser Zeit um
drei Cent gestiegen. Ausländische In-
vestoren haben wahrscheinlich Euro
gekauft, um in Aktien der Euro-Zone
zu investieren. Zum anderen spricht
die moderate Selbstzufriedenheit der
heimischen Anleger für diese These.
Üblicherweise strotzen Investoren
nach solch einer Rally vor Selbstsi-
cherheit. Das ist laut der aktuellen
Dax-Umfrage nicht der Fall.
Das Thema an den Aktienmärkten
ist die Brexit-Tragödie. Premier Boris
Johnson weicht keinen Millimeter
von seinem Versprechen ab, den Bre-
xit-Termin am 31. Oktober einzuhal-

ten, ob mit oder ohne Vertrag. Aus-
ländische Investoren setzen mit ihren
Käufen auf eine Brexit-Entscheidung,
egal, welche. Entsprechend wäre ei-
ne erneute Verlängerung der Frist
negativ für die Aktienmärkte. Die Un-
gewissheit wird derzeit als stärkere
Belastung wahrgenommen als die
Folgen eines harten Brexits.
Und wie geht es weiter? „Ich halte
es für wahrscheinlich, dass die große
Skepsis der inländischen Anleger
kurzfristig nochmals für einen Rück-
setzer sorgen wird“, meint Heibel.
Seine Szenarien: Bei einer Fristver-
längerung würden Ausländer ent-
täuscht verkaufen und heimische In-
vestoren zugreifen, erleichtert über
die Verlängerung. Die Kurse würden
moderat nachgeben, da ausländische
Anleger vermutlich schneller verkau-
fen, als Inländer zugreifen können.
Im Falle eines harten Brexits wür-
den inländische Anleger wenig tun,
da ihre Skepsis im Portfolio mit einer
hohen Cashquote bereits abgebildet
ist. „Auch dann ist ein kurzer Rück-
setzer sehr wahrscheinlich“, meint
er. Nach den Kursgewinnen dürften
sich ausländische Investoren zurück-
halten. Doch es gibt noch ein drittes
Szenario: „Wenn ich mir die Entwick-
lungen der vergangenen Monate an-
schaue, präsentieren die Briten zur
Überraschung aller noch einen weite-
ren Lösungsvorschlag“, meint er.
„Mal sehen, wie der aussieht.“

Credit-Suisse-Studie


Zwei Millionen


Millionäre


Michael Brächer Zürich


D


er Veranstaltungsort war
treffend gewählt: Ihre neues-
te Studie zum globalen Ver-
mögen präsentierte die Credit Suisse
in einem Fünf-Sterne-Hotel am Zür-
cher Paradeplatz – wer hier logiert,
braucht das nötige Kleingeld. Dass es
an Letzterem auf der Welt nicht man-
gelt, zeigt der „Global Wealth Report“
der Schweizer Großbank. Demnach
kletterten die globalen Vermögen im
vergangenen Jahr um 2,6 Prozent auf
360 Billionen US-Dollar. Doch der
Wohlstand ist sehr ungleich verteilt.
Das gilt besonders für Deutsch-
land, wo die Studie 2,2 Millionen Mil-
lionäre zählt. „Die Vermögensun-
gleichheit ist in Deutschland höher
als in anderen westeuropäischen Na-
tionen“, heißt es in dem Bericht. Aus-
gerechnet die Schweizer Großbank,
die wohlhabende Kunden umgarnt,
dürfte Befürwortern der Umvertei-
lung damit neue Argumente liefern.
So schätzen die Studienmacher,
dass ein Prozent der Bevölkerung in
Deutschland rund 30 Prozent der
Vermögen besitzt. Damit ist der Ver-
mögensanteil des obersten Prozents
in Deutschland höher als in Italien
und Frankreich (22 Prozent) und
Großbritannien (24 Prozent). Rund 41
Prozent der Deutschen besitzen da-
gegen weniger als 10 000 US-Dollar,
rechnet die Credit Suisse vor. Einge-
rechnet sind dabei sowohl Finanz-

werte als auch materielle Vermögens-
werte, also etwa Immobilienbesitz.
Weltweit betrachtet hat die Vermö-
gensungleichheit laut Studienautor
Anthony Shorrocks zuletzt abgenom-
men. Dem Ökonomen zufolge besit-
zen die unteren 90 Prozent der Be-
völkerung heute 18 Prozent des Ver-
mögens – im Jahr 2000 waren es
lediglich elf Prozent. „Es scheint, als
habe das Jahr 2016 den Höhepunkt
der Ungleichheit markiert“, sagt
Shorrocks. Dem Ökonom zufolge be-
gann das Jahrhundert mit einem
„goldenen Zeitalter“ für den Vermö-
gensaufbau. „Doch während der Fi-
nanzkrise brach das Vermögens-
wachstum ein und erreichte nie
mehr das Niveau vor den globalen
Verwerfungen im Finanzsystem.“
In der Finanzkrise seien China und
andere Schwellenländer zu Motoren
des globalen Vermögensaufbaus ge-
worden. Die meisten Reichen gibt es
aber weiter in den USA, wo die Stu-
die allein im letzten Jahr rund
675 000 neue Millionäre zählt.
Im Nachteil sehen die Studienma-
cher die Millennials. Wer nach 1980
geboren wurde, sei nicht nur von
der Finanzkrise kalt erwischt wor-
den, sondern muss nun mit hohen
Hauspreisen und niedrigem Einkom-
men kämpfen. Immerhin, einen
Trost haben die Autoren für die Jun-
gen: „Finanzielle Unterstützung
durch die Eltern und Erbschaften
könnten ihnen helfen.“

Pelz und Diamanten:
Laut einer Studie
der Credit Suisse ist
das Vermögen welt-
weit gewachsen.

Stone/Getty Images


HANDELSBLATT • Quelle: Dax-Sentiment


Der Kurvenvergleich zeigt: Erreicht das fünfwöchige durchschnittliche
Sentiment ein extremes Niveau, erfolgt eine Trendwende beim Dax.

Dax-Sentiment


5-Wochen-Durchschnitt Sentiment


Dax


Sept. 2014 Okt. 2019


+30 %


+15 %


±0 %


-15 %


-30 %
Startzeitpunkt der Umfrage: Sept. 2014

14 000


12 500


11 000


9 500


000


DIENSTAG, 22. OKTOBER 2019, NR. 203 Private Geldanlage^37


 
      
 
 



   
 
 


  


 
 

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