Die Zeit - 26.09.2019

(Nandana) #1
VON KATJA BERLIN

Torten der Wahrheit


Schlechte Konditionen
für junge Leute

Handyvertrag
Kfz-Versicherung
Generationenvertrag

wenn sie ehrverletzend ist
wenn sie bedrohlich ist
wenn sie urheberrechtlich geschützt ist

Wann man gute Chancen hat,
eine Beleidigung im Internet
zu ahnden

Wo wir Geld verdienen

auf der Rennbahn
im Kasino
auf dem Sparbuch

A


m Dienstagabend, kurz
vor Redaktionsschluss die-
ser Zeitung, kündigte
Nancy Pelosi, die demo-
kratische Sprecherin des
US-Abgeordnetenhauses,
an, ein formelles Amts-
enthebungsverfahren gegen
Präsident Donald Trump einzuleiten. Die Hin-
weise, dass Trump seine Macht missbraucht ha-
ben könnte, um eine fremde Regierung für seine
eigenen Wahlkampfziele einzuspannen, waren in
den vergangenen Tagen immer erdrückender ge-
worden. Damit beginnt eine dramatische neue
Phase im Kampf um die Macht in Washington.
Der Skandal hatte am Mittwoch vergangener
Woche begonnen, als bekannt wurde, dass ein
Whistleblower den Inspektor der Geheim-
dienste über einen beunruhigenden Vorgang im
Weißen Haus informiert hatte. Der Inspektor
stufte den Vorgang als glaubwürdig ein. Trump
soll, so berichtete es das Wall Street Journal spä-
ter, den neu gewählten ukrainischen Präsidenten
Wolodymyr Selenskyi in einem Telefongespräch
am 25. Juli achtmal aufgefordert haben, Ermitt-
lungen gegen Joe Biden, den Favoriten für die
Präsidentschaftskandidatur der Demokraten,
und dessen Sohn Hunter aufzunehmen. Hunter
Biden saß im Verwaltungsrat des ukrainischen
Gas-Unternehmens Burisma, während sein Va-
ter Vizepräsident war. Schon seit dem Frühjahr
versuchen Trump und sein Anwalt Rudy Giulia-
ni, in den Medien daraus eine Verschwörungs-
theorie zu stricken. Joe Biden ist der demokra-
tische Präsidentschaftsbewerber, der laut Um-

fragen derzeit die größten Chancen hat, Trump
im nächsten Jahr zu schlagen.
Am Sonntag gab Trump dann zu, mit Selen-
skyi über Joe Biden gesprochen und diesen der
Korruption bezichtigt zu haben. Er sehe darin
jedoch kein Problem, sagte Trump. Zeitgleich
spann er im Fernsehen und auf Twitter die Ver-
schwörungstheorie weiter. Joe Biden habe als
Vizepräsident darauf gedrungen, dass die
Ukraine ihren Generalstaatsanwalt entlässt, weil
der gegen den Gas-Konzern ermittelt habe, in
dessen Verwaltungsrat sein Sohn saß. Tatsäch-
lich aber hatte besagter Generalstaatsanwalt die
Ermittlungen gegen die Firma längst eingestellt,
und Biden agierte in Abstimmung mit europä-
ischen Partnern und Antikorruptionsgruppen.
Der Staatsanwalt war als korrupt bekannt.
Laut der Whistleblower-Beschwerde soll
Trump außerdem ein Versprechen gemacht ha-
ben. Vermutet wird, dass es dabei um die Mili-
tärhilfe im Wert von 391 Millionen Dollar ging,
die der Kongress für die Ukraine im Sommer
bewilligt hatte, die Trump aber zurückhielt. Erst
Mitte September, nachdem sich zahlreiche Mit-
glieder des Kongresses beschwert hatten, wurde
das Geld freigegeben.
Am Montagabend berichtete die Washington
Post, dass Trump die Auszahlung des Geldes tat-
sächlich eine Woche vor dem Telefonat persön-
lich bei seinem Stabschef Mick Mulvaney in
Auftrag gegeben hatte. Über die Motivation
wird nun wild spekuliert. War es als Druckmittel
gegen Selenskyi gedacht? Hat Trump versucht,
die US-Außenpolitik zu seinem Vorteil zu nut-
zen? Warum hat er das Geld, zwei Tage nachdem

der Kongress von dem Whistleblower-Fall er-
fuhr, freigegeben? Wollte er Spuren verwischen?
Und ist das überhaupt noch von Belang? Reicht
es nicht, dass Trump versucht hat, Selenskyi zu
Ermittlungen gegen einen politischen Rivalen
anzustiften?
Um den gesamten Vorgang ernsthaft beurtei-
len zu können, wollten die Kongressmitglieder
die Aufzeichnung des Telefonats sehen und die
Beschwerde des Whistleblowers kennen. Genau
das aber verhinderte zunächst das Weiße Haus
mithilfe des Justizministeriums und des Direk-
tors der Nationalen Sicherheitsdienste. Am
Diens tag abend dann twitterte Trump, dass er
zumindest das Protokoll des Gesprächs mit Se-
lenskyi freigeben werde. Die Anschuldigungen
des Whistleblowers, die sich nicht nur auf das
Telefonat beschränken, bleiben jedoch weiterhin
unter Verschluss.
Hier zeigt sich die wahre Macht Donald
Trumps. Der Kongress muss laut Gesetz eigent-
lich über jeden Vorgang, der als »dringlich«
eingestuft wurde, informiert werden. Aber
Trump hat die Regierung mittlerweile an den
entscheidenden Stellen mit Loyalisten besetzt,
die jeden Versuch verhindern, Trumps Macht
durch die verfassungsrechtlichen Checks and
Balances zu beschränken. Sie mauern, berufen
sich auf die Privilegien des Präsidenten und
versuchen damit alle demokratischen Kontroll-
mechanismen zu umgehen. Das System hat die
Macht über Trump verloren. Dem kann jetzt
nur noch die öffentliche Meinung gefährlich
werden. Und auf genau die hoffen die Demo-
kraten nun.

Nancy Pelosi war bislang immer strikt gegen
ein Amtsenthebungsverfahren, weil die ameri-
kanische Öffentlichkeit wenig Interesse an
einem solchen Verfahren zeigte. Die Amerika-
ner waren durch Trumps viele Skandale abge-
stumpft. Sein Verhalten war zur neuen Norm
geworden. Doch die sich in kurzer Zeit ver-
dichtenden Indizien, dass Trump seine Macht
als Präsident missbraucht hat, um eine auslän-
dische Regierung dazu zu bringen, einen politi-
schen Rivalen zu diskreditieren, könnte das nun
ändern. Vor allem aber wurde der Druck aus der
eigenen Partei viel größer. Immer mehr Demo-
kraten sahen es als ihre demokratische Pflicht,
Trump für seinen mutmaßlichen Amtsmiss-
brauch zur Rechenschaft zu ziehen.
Die Demokraten hoffen auf eine öffentliche
Mobilisierung wie bei Richard Nixon. Damals
standen hinter dem Amtsenthebungsverfahren
zu Beginn nur 19 Prozent der Bevölkerung. Ein
Jahr später war es über die Hälfte der
Amerikaner. An diesem Punkt verlor Nixon die
Unterstützung seiner Partei.
Trump, heißt es aus seinem Umfeld, soll vor
einem Amtsenthebungsverfahren keine Angst
haben. Den Zweifel an Joe Biden und seinem
Sohn hat er erfolgreich gesät. Einen hundert-
prozentigen Beweis, dass er die Hilfsgelder als
Druckmittel zurückgehalten hat, könnten die
Demokraten nicht finden. Und offensichtlich
fühlt er sich auch mit der Veröffentlichung des
Anrufprotokolls sicher. Ein Amtsenthebungsver-
fahren werde nicht ihm, sondern den Demokra-
ten schaden, glaubt Trump. Wie schon die
Mueller-Ermittlungen.

Ein Anruf

zu viel

Nach dem Skandal um ein Telefonat des US-Präsidenten mit dem


ukrainischen Staatsoberhaupt greifen die Demokraten zum letzten Mittel –


und gehen damit ein hohes Risiko ein VON KERSTIN KOHLENBERG


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2 POLITIK 26. SEPTEMBER 2019 DIE ZEIT No 40


AbbildungzeigtSonderausst at tungen.


THE 3


Fr eudeamFahren
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