Die Zeit - 26.09.2019

(Nandana) #1
Airbus A400M der
Bundeswehr im
niedersächsischen
Wunstorf

Foto: Michael Kappe/dpa

Offenes


Geheimnis


Bundeswehr und Rüstungsindustrie pflegen enge Kontakte. Im Fall


Airbus ist das etwas für die Staatsanwaltschaft VON HAUKE FRIEDERICHS


V


or einer Woche war die Welt bei
Airbus noch in Ordnung. In der
Übung »Cobra Warrior« der bri-
tischen Royal Air Force, bei der
auch Soldaten der deutschen
Bundeswehr sowie der israeli-
schen und italienischen Streit-
kräfte mitflogen, waren Airbus-Flugzeuge stark
vertreten. Die Luftwaffe der Bundeswehr veröf-
fentlichte Videos einer Luftbetankung und erklär-
te, wie Eurofighter von einem Bundeswehr-Airbus
A310 MRTT und einem britischen A330 Voyager
versorgt wurden.
Alle drei Flugzeuge werden von Airbus gebaut
oder mit Partnern gemeinsam produziert. Den
Kampfjet Eurofighter setzen beispielsweise die
Briten, Italiener und Spanier ein. Und bei den
deutschen Streitkräften steigen sowieso kaum
Fluggeräte auf, die nicht aus dem europäischen
Konzern kommen. Airbus stellt in Bayern und
Bremen Flugzeuge, Helikopter, Satelliten und
Kommunikationstechnik fürs Militär her. Doch
während »Cobra Warrior« noch läuft, kommen
für Airbus schlechte Nachrichten.
Die Staatsanwaltschaft München ermittelt ge-
gen Angestellte von Airbus Defense and Space
(ADS). Mindestens 17 Mitarbeitern sollen ge-
heime Dokumente der Bundeswehr vorgelegen


haben, von denen sie gar keine Kenntnis haben
dürften. Es geht dabei um Technik, die Kommu-
nikation per Satellit und Funk im Gefecht er-
möglicht. Die Staatsanwälte ermitteln auch, wer
den Airbus-Leuten das Material gegeben hat. »Ir-
gendwo müssen die das schließlich herhaben«,
sagt ein Staatsanwalt und berichtet: Die Ermitt-
lungen liefen noch, bislang sei noch kein Soldat
oder ziviler Mitarbeiter der Armee als Verdächti-
ger geführt. Anstiftung zum Bruch des Dienstge-
heimnisses steht auch auf der Liste der Straftaten,
derentwegen ermittelt wird, ebenso Ausspähen
von Daten, Daten-Hehlerei und Verwertung
fremder Geheimnisse. Darauf steht Gefängnis.
Auch das Verteidigungsministerium prüft, wo-
her die Zivilisten die vertraulichen Dokumente
haben. »Es besteht der Verdacht, dass sich Mitar-
beiter der Firma ADS diese Unterlagen aus dem
Bereich der Bundeswehr beschafft haben«, berich-
tete das Ministerium dem Verteidigungsausschuss
im Bundestag. Airbus habe »die deutschen Behör-
den proaktiv über den möglicherweise rechtswid-
rigen Umgang einzelner Mitarbeiter mit Kunden-
dokumenten informiert«, teilte das Unternehmen
dazu mit. Die eigene Prüfung laufe noch, ADS
hat eine externe Anwaltskanzlei eingebunden.
Jetzt steht der Verdacht im Raum, dass sich
Airbus-Mitarbeiter mit vertraulichen Planungs-

unterlagen der Bundeswehr beim Kampf um
hoch dotierte Rüstungsaufträge einen illegalen
Wettbewerbsvorteil verschaffen wollten.
Gerade die sichere Kommunikation über Satel-
lit ist für Airbus ein wichtiges Geschäft. Im Sep-
tember hat das Unternehmen angekündigt, ge-
meinsam mit den Rüstungskonzernen Leonardo
aus Italien und Thales aus Frankreich eine Koope-
ration einzugehen, um militärische Telekommu-
nikationsdienste anzubieten.
Der Vorfall mit den vertraulichen Dokumenten
könnte ernste Konsequenzen für den Konzern ha-
ben. »Im normalen Wirtschaftsleben wäre ein Un-
ternehmen im Falle eines solchen schwerwiegen-
den Verdachts sofort von einer Ausschreibung aus-
zuschließen«, sagt Tobias Lindner, sicherheitspoli-
tischer Sprecher der Grünen. Das Verteidigungs-
ministerium »sollte beim Spionage-Vorwurf gegen
Airbus möglichst schnell für Klarheit sorgen«, for-
derte der FDP-Haushaltsexperte Karsten Klein.
Der deutsche Staat ist einer der größten Kun-
den von ADS. Sollte das Vertrauen erschüttert
werden, wären die Aufträge in Gefahr. Auch Kun-
den im Ausland dürften die Ermittlungen genau
verfolgen. Zumal der Konzern selbst von sich auf
der Homepage erklärt: »Unser Ziel ist, als Unter-
nehmen mit ›integrity inside‹ bekannt zu sein.«
Nach Integrität klingt der Vorfall nun nicht.

Die große Nähe zwischen Rüstungsindustrie
und Bundeswehr sorgt immer wieder für Kritik.
Nach ihrer Karriere in der Truppe wechseln Sol-
daten gerne zu Rüstungsunternehmen. Ihre Kon-
takte zu alten Kameraden und Wissen über Be-
schaffungsvorhaben oder zumindest über den Be-
darf an Material bringen sie mit. Das Soldatenge-
setz schreibt vor, dass Berufssoldaten fünf Jahre
lang nach dem Ausscheiden aus der Truppe einen
Wechsel in die Industrie mitteilen müssen – wenn
der neue Job etwas mit ihren alten Aufgaben zu
tun hat. Und weiter: »Die Erwerbstätigkeit oder
sonstige Beschäftigung ist zu untersagen, soweit
zu besorgen ist, dass durch sie dienstliche Interes-
sen beeinträchtigt werden.«
Aber nicht nur beim Personal gibt es einen en-
gen Austausch zwischen Unternehmen und Ar-
mee. In vielen Bereichen pflegt die Bundeswehr
sehr enge Verbindungen zu deutschen Firmen, ei-
nige von ihnen gelten als »Haus- und Hoflieferan-
ten«. So stammen die meisten Feuerwaffen der
Streitkräfte von Heckler & Koch, die U-Boote
von HDW und viele gepanzerte Fahrzeuge von
Krauss-Maffei-Wegmann und Rheinmetall. In die
Weiterentwicklung von Waffen und Rüstungs-
technik sind die Hersteller eingebunden, oft eben-
so in die Wartung und Reparatur – auch in den
Einsatzgebieten. In den Feldlagern sind dauerhaft

Techniker einiger Firmen präsent, oft in eigenen
Werkstätten.
Eine Airbus-Tochterfirma hat Mitarbeiter im
afghanischen Masar-i-Scharif stationiert, die für
die Bundeswehr die Aufklärungsdrohnen vom
Typ Heron steuern. Und Rheinmetall betreibt im
Auftrag der Truppe ein modernes Simulationszen-
trum für die Einsatzvorbereitung. Deutsche Sol-
daten unterstützen die Industrie im Gegenzug
beim Auslandsgeschäft, etwa beim Vorführen von
Waffensystemen auf Rüstungsmessen oder bei der
Ausbildung ihrer Kunden.
So erhalten Besatzungen aus Algerien durch
deutsche Trainer eine Einweisung auf ihren neuen
Kriegsschiffen, bei Panzertests in der arabischen
Wüste waren ebenso Bundeswehrangehörige ein-
gebunden wie beim Ausbilden von saudi-arabischen
Sicherheitskräften an deutschen Drohnen. Da
wächst viel zusammen.
Ob der engen Beziehungen sehen sich andere
Firmen deshalb schon mal benachteiligt. Bei der
laufenden Ausschreibung für das neue Sturm-
gewehr der Bundeswehr protestierte ein Kon-
kurrent von Heckler & Koch öffentlich. Die
Ausschreibung sei allzu klar auf das Unterneh-
men zugeschrieben. Das Verteidigungsministerium
wollte sich zu diesem Fall auf ZEIT-Anfrage
nicht äußern.


  1. SEPTEMBER 2019 DIE ZEIT No 40 WIRTSCHAFT 31


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