Die Zeit - 26.09.2019

(Nandana) #1
DIE ZEIT: Für die Schreibschrift interessiert sich
jetzt sogar die Politik. Als Bildungsministerin er-
hoben Sie das Erlernen der Schreibschrift an
Schleswig-Holsteins Grundschulen wieder zur
Pflicht. Warum?
Karin Prien: Weil wir festgestellt haben, dass im-
mer mehr Kinder in der Grundschule, aber auch
in den weiterführenden Schulen keine flüssige
Handschrift beherrschen. Das führt nicht nur
dazu, dass diese Kulturtechnik verloren geht, son-
dern es behindert die Kinder auch in ihrer Schul-
laufbahn.
ZEIT: Unter Experten ist allerdings umstritten, ob
das Erlernen der Schreibschrift etwa die Recht-
schreibung verbessert.
Prien: Wir wissen aber zum Beispiel durch die
Bamberger Handschrift-Studie oder die Studie zur
Handschrift in der digitalen Welt der Mercator-
Stiftung, dass eine flüssige und lesbare Handschrift
das Arbeitsgedächtnis entlastet und damit Raum

schafft für das richtige Schreiben und für die
Textqualität.
ZEIT: Spürten Sie auch Gegenwind, als Sie Ihre
Pläne zur Schreibschrift-Pflicht vorstellten?
Prien: An einigen Grundschulen gab es die Be-
fürchtung, dass schwächere Schüler mit dem Er-
lernen der Schreibschrift überfordert sein könnten.
Insgesamt habe ich aber von der überwältigenden
Mehrheit der Lehrkräfte und auch der Eltern Zu-
stimmung erfahren.
ZEIT: Worum geht es Ihnen in erster Linie, ums
bessere Lernen, um die Ästhetik, die Tradition, das
Trainieren der Feinmotorik?
Prien: All das ist relevant. Vor allem aber geht es
um den besseren Lernerfolg. Ich bin überzeugt da-
von, und viele Studien geben mir recht, dass eine
flüssige und lesbare Handschrift da förderlich ist.
ZEIT: Beschwören Sie nicht die Welt von gestern?
Computer, mit denen der Nachwuchs wie selbst-
verständlich umgeht, bedient man vorwiegend

über die Tastatur. Sprachnachrichten gewinnen an
Bedeutung, die Diktiersysteme werden immer
perfekter. Das Beharren auf der Schreibschrift
wirkt da etwas altmodisch.
Prien: Wir sollten das eine tun, ohne das andere zu
lassen. Die Kinder sollten in der Grundschule,
etwa von der dritten Klasse an, lernen, mit dem
Computer umzugehen. Das Lernen mit digitalen
Medien ist eine gute Ergänzung des Instrumenten-
kastens der Lehrkräfte. Ich bin mir aber sicher,
dass das flüssige Schreiben mit der Hand eine zen-
trale Kulturtechnik bleibt. Sie wird um andere
Techniken ergänzt, aber nicht ersetzt. Teilweise
geht ja sogar das eine in das andere über, wenn ich
etwa mit Stift und per Handschrift etwas in den
Computer eingebe.
ZEIT: Aber die Schrift könnte an Bedeutung
verlieren.
Prien: Das halte ich für eine steile These, die ich
nicht teile. Ich denke, dass viele Menschen weiter

per Handschrift ihre Gedanken formulieren und
ordnen werden.
ZEIT: Es gibt eine Reihe verschiedener Schriftarten


  • welche lernen die Kinder in Schleswig-Holstein?
    Prien: Wir haben uns für die sogenannte latei-
    nische oder Schulausgangsschrift entschieden,
    weil sie die Buchstaben miteinander verbindet.
    Dadurch wird das flüssige Schreiben besonders
    unterstützt. Zunächst lernen aber alle die Druck-
    schrift. Bei jedem Schüler entwickelt sich dann im
    Lauf der Zeit eine individuelle Handschrift. Die
    Frage ist nur, ob sie auch gut lesbar ist, das wollen
    wir fördern. Denn eine Umfrage unter Lehrkräf-
    ten hat gerade gezeigt, dass 37 Prozent der Grund-
    schüler nicht leserlich schreiben. Und sogar
    43 Prozent der Schüler in der weiterführenden
    Schule. Das ist ein beunruhigender Befund.
    ZEIT: Ist nicht die Pflicht zum Schreibschrift-
    Lernen ein weiterer Vorteil für die Mädchen, die
    in der Schule vielfach davon profitieren, dass sie


sorgfältiger arbeiten, ordentlicher und angepass-
ter sind als die Jungen?
Prien: Wir benoten ja nicht mehr wie früher die
Schönschrift. Insofern profitieren auch die Jungs
davon. Nur mit einer flüssigen Handschrift kann
ich etwa schmerzfrei längere Texte, längere Klau-
suren schreiben. Und an diesen Herausforderun-
gen kommt kein Schüler vorbei.
ZEIT: Wie sieht das in Ihrer Familie aus, wie gern
schreiben Ihre Söhne mit der Hand?
Prien: Die Begeisterung ist bei ihnen unterschied-
lich stark ausgeprägt. Aber sie haben alle drei er-
kannt, dass es von Vorteil ist, wenn der Lehrer
lesen kann, was sie schreiben.

Das Gespräch führte Thomas Kerstan

Siehe auch ZEIT LEO Seite 54: Warum die
Schriftstellerin Cornelia Funke ihre Romane lieber
mit Stift und Papier verfasst. Ein Interview

»Schmerzfrei schreiben«


Schleswig-Holsteins Grundschulen sind verpflichtet, Handschrift zu unterrichten. Warum, erklärt Bildungsministerin Karin Prien


TITELTHEMA: HANDSCHRIFT


Und jeder schreibt ein
wenig anders:
Die Signaturen von
Friedrich Schiller,
Franz Kafka
und Hermann Hesse

Abb.: DLA Marbach (farblich verändert)



  1. SEPTEMBER 2019 DIE ZEIT No 40 WISSEN 45


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