die Frau und wedelte aufgeregt mit ihrer laminierten Hausregel-Pappe,
nachdem wir es gewagt hatten, bis 9.20 Uhr auszuschlafen. Nach ein
paar Tagen, an denen wir ständig das Gefühl hatten, gerade wieder
irgendeine Regel übersehen zu haben, verfestigte sich der Eindruck,
nicht der Hund beiße, sondern eher seine Halter.
Man muss dazusagen, dass ich in den meisten dieser Unterkünfte
preiswerter gewohnt habe, als ich es in einem Hotel getan hätte. Aller-
dings bin ich nach so vielen Airbnb-Wohnungen, die überwiegend auf
schnelles Geld ausgelegt zu sein schienen, durchaus gewillt, wieder ins
Hotel zu gehen. Wenn es mehr kostet, verreise ich eben weniger. Lie-
ber logiere ich eine Woche pro Jahr in einem liebevoll eingerichteten
Boutiquehotel mit täglichem Putzservice, Frühstück bis 11 Uhr und
sofortiger Re ak tion, wenn im Badezimmer Shampoo fehlt oder frem-
de Haare auf dem Kopfkissen liegen.
Klar, es gibt auch Inserate auf Airbnb, die Luxus versprechen. Gerade
hat das Unternehmen mit »Airbnb Luxe« sogar eine eigene Katego-
rie für besonders stattliche Unterkünfte ins Leben gerufen. Im An-
gebot sind Penthouses mit Meerblick in Kapstadt, Wohnungen mit
Marmorbad in London-Mayfair, Villen mit Infinity-Pool auf Bali.
Dazu bekommt man einen persönlichen Reiseplaner an die Seite ge-
stellt, der einem Flughafentransfers und einen Privatkoch organisie-
ren kann. Das klingt natürlich spektakulär. Aber ist es nicht auch in
diesem Preissegment viel netter, in einem Hotel zu wohnen? Ich finde
ja, dass mit dem großen Airbnb-Hype ganz in Vergessenheit geraten
ist, was für ein zauberhafter Ort ein gutes Hotel sein kann. Ich liebe
eigentlich alles an Hotels: Den Moment, wenn man die Lobby mit
ihrem geschäftig-glamourösen Treiben, den Schalen voller Granny-
Smith-Äpfel und den aufgefächerten Tageszeitungen betritt. Die zu-
vorkommenden Rezeptionisten. Die Seifenauswahl im Bad. Die mor-
gendlichen Zimmerservicewagen, von denen ich schon öfter heimlich
Extra-Duschgel geklaut habe, wenn es besonders gut roch. Die lan-
gen, teppichgedämpften Flure, bei Nacht von einer geheimnisvollen
Stille erfüllt. All die kleinen Dinge, die man nie in einer normalen
Wohnung vorfinden wird: Minibar, Fernseher am Bett, Pralinen auf
dem Kopfkissen. Obendrein kann man in Hotels, die ja, anders als
Airbnb-Wohnungs-Besitzer, mit professionellen Innenarchitekten ar-
beiten, ausgefallene Einrichtungsstile auf Zeit ausprobieren, an die
man sich zu Hause nie heranwagen würde. Im Hotel Thoumieux in
Paris, das die persische Designerin India Mahdavi eingerichtet hat,
sind die Zimmer mit Leopardenfellen und Blumentapeten dekoriert;
im Soho Grand Hotel in New York frühstückt man auf minzgrü-
nen Ledersesseln. Apropos, Frühstück! Ist das nicht ein herrliches
Spektakel morgens im Speisesaal, bei dem man über das Leben der
anderen Gäste spekulieren kann: die Alleinreisende, das schweigsame
Paar, die Großfamilie mit Pudel? In einer Airbnb-Wohnung kann man
niemanden beobachten. Man ist komplett isoliert von anderen Men-
schen – auch deshalb, weil einen die Nachbarn keineswegs wie einen
local behandeln, sondern einem im Treppenhaus feindliche Blicke zu-
werfen, da man mit seiner Buchung hilft, die Mieten im Viertel hoch-
zutreiben und Einheimische zu verjagen.
Ja, meine Pariser Gastgeberin sollte recht behalten: Am Ende gehe ich
nun doch lieber ins Hotel. Allerdings auch deshalb, weil Unterkünfte
wie ihre, in denen man noch etwas erleben konnte, von Airbnb ver-
schwunden sind. Ich habe neulich aus Spaß noch mal nach ihrer Woh-
nung gesucht. Aber »The Design Appartement« ist nicht mehr buchbar.
2.10.19 N
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Foto
:AlexanderFanslau