Die Zeit - 03.10.2019

(singke) #1

Anfang der Dreißigerjahre veröffentlichte der japanische Maler, Kunstschullehrer und Kos-


tümdesigner Sanzō Wada (1883-1967) sechs Bücher mit Farben, die gut zueinander passen:


je zwei, drei oder vier verschiedenfarbige Rechtecke nebeneinander, dazu ein Glossar mit allen


ihm bekannten Farbtönen, durchnummeriert und mit Namen wie »Apricot Yellow« und »Nile


Blue« versehen. Wada hatte in Tokio Malerei studiert und für einige seiner Ölgemälde bereits


Preise gewonnen. Aber erst sein Farbenlexikon sollte ihm zu Ruhm verhelfen. Wada hatte ein


Problem identifiziert, dass Künstler wie Dekorateure, Modedesigner wie Grafiker beschäftigte:


Welche Farben harmonieren? Heute ist sein sechsteiliges Werk als handliches Büchlein mit


dem Titel A Dictionary of Color Combinations erhältlich, erschienen 2011 bei Seigensha Art


Publishing in Kyoto. Es enthält ein Vorwort auf Japanisch, 348 Farbkombinationen mit eng-


lischen Bezeichnungen sowie 159 Einzelfarben mit Industriecodes im angehängten Glossar.


Man könnte es als Liebhaberobjekt für Designer und Fans der japanischen Präzision bezeich-


nen. Tatsächlich gehört es in jeden Haushalt. Denn wer hat nicht schon mal gedankenlos die


Wand hinter dem braunen Sofa cremeweiß gestrichen und sich dann gewundert, warum die


Stimmung im Raum plötzlich so drückend war? Wer hat nicht Ewigkeiten über den Farbkar-


ten im Einrichtungsgeschäft gebrütet und am Ende resigniert zu einem Vorhang in Hellgrau


gegriffen, nicht wissend, wie gut ein kräftiges Rot (oder »Pompeian Red«, wie Wada es nennen


würde) neben der ockerfarbenen Kommode ausgesehen hätte?


Obendrein ist A Dictionary of Color Combinations das wohl erste Lexikon, das man auch


abends im Bett noch mit größtem Vergnügen durchblättert. Die Farbkombinationen wirken


so appetitlich wie das Warenregal eines Bonbonladens – Blassolivgrün zu Blaulila! Meerblau


mit Spinellrosa und Auberginenbraun! Rot zu Elfenbeinbeige, Violett, Moosgrün!


Interessant wird es allerdings, wenn man zu zweit in das Büchlein schaut. Dann sieht der eine


in »Apricot Orange« plötzlich ein kräftiges Lachsrosa, während der nächste »Jasper Red« total


orange findet. Wie unterschiedlich zwei Menschen ein und dieselbe Sache sehen können,


wird selten so deutlich wie beim Betrachten von Farben.


Hinzu kommen die Lichtverhältnisse und die Textur des Untergrunds: »Grenadine Pink« wirkt


an einem gewebten Sofakissen ganz anders als auf einem glänzend lackierten Stuhl. Wada ging


bei der Kategorisierung der Farben sehr genau vor, er unterschied sogar zwischen »Yellow Oran-


ge« und »Orange Yellow«. Von solch haarspalterischen Nuancierungen muss man sich aber


nicht verunsichern lassen. Am Ende ist A Dictionary of Color Combinations eine wunderbare


Inspirationsquelle, die einen auch auf Farbtöne aufmerksam macht, von deren Existenz man


noch nicht einmal wusste: »Indian Lake« zum Beispiel, »Old Rose« oder »Venice Green«. Die


gute Nachricht für alle, die keine Farben mögen: »White« ist auch verzeichnet.


Von Claire Beermann


Das Buch »A Dictionary of Color


Combinations« von Sanzō Wada


2 .10.19 N


0
41 Styling Claire Beermann, Set-Design Marina Melentieva, Styling-Assistenz Noelle Konate, Foto-Assistenz Jonas Ribitsch, Mark Simpson
Free download pdf