Die Zeit - 03.10.2019

(singke) #1
Das Büro von Marie-Louise Sciò in Rom liegt nur einen
Steinwurf von der antiken Engelsburg entfernt. In den

großen Räumen hängen Stoffmuster, Zeichnungen, Mood-
boards an den Wänden: Das hier wirkt eher wie ein De-

signer- Office denn wie die Zentrale einer ebenso kleinen
wie feinen Hotelkette. Die Pellicano-Group betreibt drei

Häuser: das namensgebende Il Pellicano an der toska-
nischen Küste, in dem sich seit Jahrzehnten die Reichen

und Schönen treffen. Das Posta Vecchia an der Küste in
der Nähe von Rom und, seit Neuestem, das Mezzatorre

auf Ischia. Außerdem arbeitet Marie-Louise Sciò auch als
Beraterin für ausgewählte Hotels auf der ganzen Welt: Sie

bietet an, einen eigenen Stil hervorzuheben.
Wir setzen uns mit Marie-Louise Sciò zum Interview in

den Konferenzraum. Die Chefin – petrolblauer Seiden-
kimo no, Apple Watch, viele Goldringe – antwortet auf

jede Frage schnell, präzise und in perfektem Englisch.


Frau Sciò, Sie haben die Sommer Ihrer Kindheit im Hotel
Pellicano verbracht. Es befindet sich in dem kleinen Ort

Porto Ercole auf der Halbinsel Monte Argentario. Verstan-
den Sie damals schon, was für ein spezieller Ort das Hotel

Ihres Vaters war?
Absolut. Mir wird immer klarer, wie bedeutungsvoll die-

se Sommer für meinen Werdegang gewesen sind. Mich
umgab all diese Schönheit, all diese Lebensfreude. Das

Pellicano war ein verzauberter Ort voller sehr schicker,
sehr entspannter Menschen, noch dazu in einer wunder-

schönen Umgebung. Weil die Leute damals, Anfang der
Achtzigerjahre, nicht mit ihrem Nachwuchs verreisten,

war ich dort oft das einzige Kind, und ich streifte wie eine
kleine Spionin durch diese geheimnisvolle Erwachsenen-

welt. Meine Erinnerungen an das Pellicano setzen etwa zu
der Zeit ein, in der sich meine Eltern scheiden ließen. Zu

Hause war es daher also nicht gerade lustig, aber in Porto


Marie-Louise Sciò, 42, ist die Tochter des Unternehmers Roberto Sciò und der Künstlerin Marie-Louise Mills. Sie wuchs in


Italien und der Schweiz auf und studierte in den USA Architektur. Seit 2 0 07 arbeitet sie für die Hotelgruppe ihres Vaters,


deren Leitung sie inzwischen übernommen hat. Sciò ist auch Designerin, zuletzt entwarf sie eine Kollektion für Birkenstock


Foto Laura Sciacovelli

64 Von Alard von Kittlitz

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