Die Zeit - 03.10.2019

(singke) #1
Foto Lucy Laucht

Sonnenuntergangs. Wir dachten einfach, wäre das nicht


cool, wenn die bei Sonnenuntergang sozusagen verschwin-
den würden vor dem Himmel? Daher die Farbe. Für die

Gestaltung des Hotels, das ich im Januar 2019 erworben
habe, hatten wir nur dreieinhalb Monate Zeit. Für die Aus-

wahl der Grafiken, der Teller, der Tapeten, der Düfte, für
das Branding ... Und das wurde alles sehr schnell aus dem

Bauch heraus entschieden.
Warum finden Sie selbst Nebensächlichkeiten wie den Ge-

ruch von Seife wichtig?
Im Grunde erschafft man Hotels wie Filmwelten. Es gibt

die Persönlichkeiten: den Barmann zum Beispiel. Es gibt
das Bühnenbild, also die Anlage, dann die Gerüche – wir

haben im Mezzatorre alle Düfte, also auch Bodylotions
und Shampoos, die man auf den Zimmern findet, mit

Kräutern produziert, die in der Umgebung wachsen. Es
gibt die Kamera: die Sichtachsen. Das alles ist ein sinn-

liches Erlebnis. Es gibt in unserem Ideal fall keinen Aspekt
des Hotels, der nicht kuratiert ist. Nur die Geschichte, die

dort dann erzählt wird: Die bestimmt der Gast. Der Gast
ist der Erzähler, der Autor.

Ist es schwer, so eine Welt aufrechtzuerhalten?
Ja! Beim Pellicano oder im Posta Vecchia, bei den etablier-

ten Hotels, muss man eine Balance finden. Was wir letzt-
lich wollen, ist, den Gästen das Gefühl zu geben, dass die

Gegenwart in dem Hotel eine Rolle spielt. Dass es nicht
aus der Zeit gefallen ist.

Das Erstaunliche am Pellicano ist: Es ist ein sehr teures Ho-
tel, aber es wirkt nie angestrengt oder aufgeblasen.

Es geht bei gutem Geschmack immer um persönliches
Stilempfinden. Man muss versuchen, die eigene Art zum

Ausdruck zu bringen – und darauf muss man sich dann
auch beschränken können, statt zu versuchen, mehr dar-

zustellen oder etwas anderes. Für ein Hotel oder eine
Wohnung bedeutet das: Man muss die Geschichte eines

Ortes respektieren. Wenn du heute versuchst, ein Haus
zu bauen, das aussieht, als wäre es von dem Barock-Archi-

tekten Bernini, wird das im Zweifel missglücken. Wenn
du Versailles-Möbel in einen Raum stellst, der keine Ver-

sailles-Dimensionen hat, funktioniert das nicht. Bleib bei
deiner Wahrheit.

Finden Sie denn, dass die Gäste in unserer rasenden Gegen-
wart den Ort noch voll genießen können?

Ja. Wir haben zum Beispiel vor einer Weile ziemlich auf-
wendige Karten und Vorschläge für Touren in die Umge-

bung des Pellicano entwickelt, kleine Erkundungsfahrten,
aber die meisten Gäste verlassen das Hotelgelände über-

haupt nicht. Irgendwie gibt es etwas Verzaubertes, das die


Leute bei uns hält. Man kann so schön gucken. Die ande-


ren Gäste, das Meer, das Licht.
Stören da nicht die Handys – all die Ablenkung, die es

früher nicht gab?
Klar, da gibt es sozusagen Störsignale. Wir haben am

Pool so ein durchgestrichenes Handysymbol. Manchmal
denke ich auch, wir sollten versuchen, die Leute vom

Fotografieren abzuhalten, damit sie die Umgebung un-
mittelbarer wahrnehmen. Ich habe kürzlich für zehn Tage

mein Smart phone ausgestellt, in Österreich, und mein
Leben war gleich so viel besser. Es wäre schön, wenn man

die Gäste davon überzeugen könnte, mal für eine Weile
Funkstille zu halten. Aber als Luxushotel kannst du ja

niemanden zu irgendwas zwingen. Wir könnten es aber
vielleicht noch etwas ausdrücklicher vorschlagen.

Das Pellicano liegt sehr idyllisch an einer sonst unbe-
bauten Steinküste und ist umgeben von Nadelwäldern.

Machen Sie sich Sorgen, dass der Klimawandel die Natur
dort verändern könnte?

Wir denken im Hotel viel über den Klimawandel nach,
weil wir ihn sehen. Seit drei Jahren regnet es bei uns im

August – früher wäre das sozusagen unerhört gewesen.
Und natürlich hat die Hotellerie, hat der Tourismus eine

besondere Verantwortung, wenn es um diese Fragen geht.
Wir versuchen, im Bereich Kunststoff, Abfall und Re-

cycling alles in unserer Macht Stehende zu tun, wir ver-
suchen unser Bestes. Aber Verzicht und Luxus stehen in

einem komplizierten Verhältnis. Man kann Leute, die ins
Pellicano kommen wollen, nicht dazu zwingen, auf ein

Shuttle zu warten, damit sie nicht in ihren eigenen Autos
zu uns fahren.

Aber wäre das nicht auch ein schöner Luxus: irgendwo
reinen Gewissens sein zu dürfen? Zu wissen, dass es öko-

logisch tragbar ist, was man gerade macht?
Auf jeden Fall. Die Ethik eines Betriebs ist jedenfalls für die

Gäste absolut spürbar.
Wo machen Sie selbst gern Urlaub?

Ich muss ständig reisen, aber wenn ich es mir aussuchen
darf, dann bin ich am liebsten in der Natur. Ich träume von

einer Kunstreise durch die USA, und ich würde wahnsin-
nig gerne eine Pinguinwanderung am Südpol erleben oder

in der Mongolei reiten gehen.
Können Sie es denn selbst noch genießen, in einem Hotel

zu übernachten, ohne ständig die Einrichtung zu bewerten?
Egal, ob ich in einem Fünf-Sterne- oder einem Ein-Stern-

Hotel bin, meistens denke ich: Oh, ist das toll hier! Zu-
gleich wünsche ich, ich dürfte ein paar Sachen ein biss-

chen verändern.


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