Die Zeit - 03.10.2019

(singke) #1
Foto: David Yarrow

Kein anderes afrikanisches Land kämpft seit Jahrzehnten so erfolgreich gegen das Aussterben der Elefanten wie Botswana.


Ausgerechnet hier sollen sie jetzt wieder gejagt werden. Aus gar nicht so schlechten Gründen VON BASTIAN BERBNER


Vor hundert Jahren lebten noch zwölf Millionen Elefanten in Afrika. Heute sind es weniger als 400.


M


it seinen bis zu zehn Ton-
nen Gewicht und vier Me-
tern Schulterhöhe, mit
seinem Rüssel und seinen
Stoßzähnen wirkt ein Ele-
fant wie ein Überbleibsel
aus der Urzeit, und im
Grunde ist er das auch. Als der Mensch einst aus
den Savannen Afrikas auszog, löschte er auf seinem
Eroberungszug um die Welt eine Riesenart nach
der anderen aus. In Nordamerika Säbelzahntiger
und Mammuts. In Südamerika Sechs-Meter-Faul-
tiere und Nagetiere, so groß wie Bären. In Austra-
lien Beutellöwen und Rennvögel, doppelt so groß
wie Strauße.
Übrig geblieben ist der Elefant, ein Tier wie ein
wandelnder Widerspruch: mächtig und verletz-
lich, grobschlächtig und geschickt, niedlich und
ehrfurchtgebietend. Gefährdet und gefährlich.

Gudrun sitzt in einem Boot auf einem Fluss im
Norden Botswanas und beobachtet durch ihren Feld-
stecher eine Bande Paviane, da zeigt Fabian, ihr Sohn,
auf einen kleinen grauen Punkt weiter unten am Ufer,
weit weg noch, vielleicht 300 Meter, aber unverkenn-
bar. Die flatternden Ohren, der Rüssel.
Für Gudrun und Fabian aus Stuttgart, sie Do-
zentin für Steuerrecht an einer Fachhochschule, er
Student der Betriebswirtschaft, ist es der erste Tag
ihres Safari-Urlaubs. In den drei Stunden auf dem
Boot sehen sie Nilpferde, Affen, Büffel und ein
Krokodil, das sich an drei trinkende Antilopen
heranpirscht, aber keine erwischt. Vor allem aber
sehen sie: Elefanten.
Elefanten, die im Matsch baden.
Ein Elefantenbaby, das unbeholfen trinkt.
Eine Elefantenherde, die im Fluss schwimmt.
Als die untergehende Sonne die Landschaft in
goldenes Licht taucht, manövriert die Kapitänin

das Boot bis auf etwa vier Meter an eine am Ufer
grasende Elefantenherde heran. Sie stellt den Mo-
tor ab. Stille. Nur manchmal durchbrochen vom
kräftigen Rupfen, wenn ein Tier mit seinem Rüs-
sel einen Büschel Gras aus dem Boden reißt.
»Wahnsinn, diese Viecher!«, sagt Gudrun.
»Traumhaft«, sagt Fabian.
Als die beiden von Bord gehen, sagt der Sohn,
breit grinsend: »Ich dachte, mit Glück sehen wir
zwei oder drei Elefanten. Man hört ja immer, die
sind vom Aussterben bedroht.«
Sie haben Hunderte gesehen.
In keinem Land der Welt leben so viele Elefan-
ten wie in Botswana, etwa 135.000. In keiner Re-
gion Botswanas leben so viele wie hier am Chobe-
Fluss. Und nirgendwo bezahlen Touristen so viel
Geld, um diese Tiere zu sehen, wie an diesem Ort,
auf der botswanischen Seite des Vier-Länder-Ecks
mit Namibia, Sambia und Simbabwe.

Im ohnehin luxusbestimmten Safari-Markt zieht
Botswana die besonders Luxusverwöhnten an. Prinz
Harry und Meghan Markle. Madonna und Oprah
Winfrey. Die Lodge, in der Gudrun und Fabian
übernachten, wirbt damit, dass die Schauspielerin
Elizabeth Taylor hier geheiratet hat. Ein Doppel-
zimmer kostet jetzt in der Hauptsaison 2000 Dollar.
Pro Nacht.
Gudruns Mann verdient als Vorstandsvorsitzender
eines großen Unternehmens viel Geld. Weil es ihr ein
wenig unangenehm zu sein scheint, sich den Bots-
wana-Luxus öffentlich zu gönnen, bittet sie darum,
in diesem Artikel nur ihren Vornamen zu nennen.
Allerdings sind es nicht nur die Reichen, die in
Botswana Urlaub machen, hatte Caspar Venter in
Deutschland gesagt. Es sind, wenn man so will,
auch die Guten. Venter, gebürtiger Südafrikaner
und Kenner der Re gion, führt ein auf Afrika spe-
zialisiertes Reisebüro in Neubrandenburg. Er ver-

kaufe Reisen in 16 Länder, hatte Venter erzählt.
Keines davon ziehe so viele Kunden an, die die
Wildnis Afrikas möglichst politisch korrekt erle-
ben möchten, wie Botswana.
Nach Simbabwe wollen viele dieser Touristen
nicht, weil es eine Diktatur ist. Südafrika? Wird
immer wieder kritisiert für Toleranz gegenüber
Wilderern. Kenia? Ist verschrien für Kor rup tion.
Botswana aber geht.
Es ist das am wenigsten korrupte Land auf dem
afrikanischen Kontinent. Es hat eine gut funktio-
nierende Demokratie und war noch nie in einen
Krieg verstrickt. Für Öko- und Genderbewusste
gibt es hier sogar Lodges wie die, in der Gudrun
und Fabian wohnen: Die Boote fahren mit Solar-
strom, und als Guides, ein klassischer Männerbe-
ruf, arbeiten ausschließlich Frauen.

Darf


man ihn


töten?


Fortsetzung auf S. 18



  1. OKTOBER 2019 DIE ZEIT N
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DOSSIER 17

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