Die Zeit - 03.10.2019

(singke) #1
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draußen steht. So ein Auto mit Fahrer ist eine ungeheu-


re Machtdemonstration. Stellen Sie sich einmal vor, eine
burschikose Sekretärin ruft bei Ihnen im Unternehmen

an und sagt: Der Herr Dittrich kommt morgen zu Ihnen,
und für seinen Fahrer Herrn Schulz brauchen wir eine

Kantinenkarte, der muss was essen! Um den Fahrer wird
eine Riesenwelle gemacht. Das ist wie eine Uniform, um

sich Respekt zu verschaffen. Menschlich sympathischer ist
es, wenn man allein mit dem Auto anreist. Aber im Sys-

tem ist es falsch. Ein enger Freund von mir, der beruflich
erfolgreich ist und einen Fahrer hat, sagt: Lars, du musst

lernen, das auszuhalten! Und er hat recht, aber über diesen
Stein kann ich nicht springen.

Hat er damit denn wirklich recht?
Ja, das steht stellvertretend für eine Verletzbarkeit von mir.

Eine Führungsfigur muss unangreifbar sein. Sobald du Ver-
letzbarkeit zugibst, wirst du weggebissen. Bist du schwach,

wirst du gefressen.
Ist es eine Schwäche, keinen Fahrer haben zu wollen?

Natürlich, es deutet auf fehlende Durchsetzungsfähigkeit,
fehlendes Dominanzverhalten, fehlende Härte hin.

Sie sind jetzt unabhängig. Sie brauchen diese Machtsym-


bole doch gar nicht mehr!
Ja, und am Ende empfinde ich das nicht als Makel. Ich

mache es eben nicht, und das kultiviere ich auch. Denn
sonst wäre ich nicht mehr ich.

Hinter der Geschichte: Lars Dittrich hatte zunächst


keine große Neigung, über sich zu sprechen, und


musste erst davon überzeugen werden, dass seine


Biografie es wert sei, zum Jahrestag der Wie der ver­


eini gung einmal ausführlich diskutiert zu werden.


Bei mehrstündigen Begegnungen entwickelte sich


eine Kontroverse, bei der alle Beteiligten gelegent­


lich vergaßen, dass auch ein Aufnahmegerät mit­


lief. Doch Dittrich stand im Zuge der Autorisierung


des Interviews zu fast allem, was die Aufzeichnung


dokumentiert hatte


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Fr ederickLau+AIRY

SPIELT MIT


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