Die Zeit - 03.10.2019

Jennifer hat Max in Hamburg kennengelernt

und fand seinen süddeutschen Tonfall charmant.

Sie haben sich ineinander verliebt, wollen zusam-

menbleiben und weihen jetzt die Eltern ein. Das

Treffen mit Jennifers Eltern, die in Hamburg

leben, verläuft unproblematisch. Max kommt

aus einem Dorf südlich von Rosenheim. Jennifer

findet die künftigen Schwiegereltern sehr nett,

aber in der Clique von Schul- und Bergsteiger-

freunden verfällt einer der jungen Männer in

Lederhosen in politische Tiraden mit fremden-

feindlichem Inhalt und schimpft über »Asylan-

ten« und »Arabergschwerl«. Jennifer greift nach

ihrer Handtasche und geht wortlos aus dem

Raum. Max läuft ihr nach. »Das nimmt doch

keiner ernst«, erklärt er. »Ich sag ihm, er soll sein

Maul halten, wenn du dabei bist!« – »So einfach

stellst du dir das vor?«, fragt Jennifer ärgerlich.

Illustration Nadine Redlich

Frag doch den Therapeuten:

Muss sie sich Tiraden anhören?

Die großen Fragen der Liebe (N

0

578): Wolfgang Schmidbauer ist einer der bekanntesten deutschen Paartherapeuten.

Zuletzt erschien sein Buch »Die Geheimnisse der Kränkung und das Rätsel des Narzissmus« (Klett-Cotta)

Schulfreunde binden sich in vorpolitischen

Zeiten aneinander, aber zur Freundschaft Er-

wachsener gehört eine Portion gemeinsamer

Werte. Es gibt leider keinen psychologischen

Trick, der uns über die Mühen der Zivilcourage

hinweghelfen kann. »Halt’s Maul« zu sagen ist

nur der grobe Keil in den groben Klotz primiti-

ver Vorurteile. Max, der vielleicht auch brauch-

barere Seiten seines Kumpels kennt, mag damit

zufrieden sein. Aber Jennifer sieht wegen der

Äußerungen erst einmal nur den Rassisten. Die

Frage, wie viele Araber der Lederhosenträger

schon kennengelernt hat, wäre weniger grob.

Der rassistische Schulfreund ist eine Altlast, mit

der Max klarkommen muss. Jennifer sollte Max

nicht verurteilen, wenn er weiter mit seinem

Freund bergsteigen geht – mitkommen muss sie

deshalb auf keinen Fall.

Wolfgang Schmidbauer

antwortet:

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