Die Zeit - 03.10.2019

(singke) #1

Herr Ropac, woher stammt Ihre Liebe


zur Kunst?


Ich bin in Kärnten aufgewachsen und


stamme aus einer slowenischen Minder­


heit, die nicht gerade von allen umarmt


wurde. Kunst war bei uns zu Hause gar


kein Thema. Es gab aber diese Initialzün­


dung, als ich 1979 nach der Mittelschule


mit der Klasse nach Wien fuhr. Im Mu­


seum der Moderne im Palais Liechtenstein


wurde die berühmte Nasse Wäsche Jung-


frau von Joseph Beuys gezeigt, eine In stal­


la tion aus Blech, Dachrinne, Glühbirne


und Stuhl. Als ich das sah, war ich voll­


kommen sprachlos und verwirrt. Unser


Kunstlehrer meinte nur, das sei einfach


Schrott. Und ich dachte mir, wow, das ist


schon unglaublich, dass der Staat für viel


Geld etwas kauft und es in diesen Prunk­


räumen zur Schau stellt, das Schrott sein


soll. Das hat mich nicht losgelassen, und


ich wollte der Sache auf den Grund gehen.


Wie haben Sie das gemacht?


Ich bin 1981 zu Beuys nach Düsseldorf ge­


fahren. Ich hatte das Glück, dass genau an


dem Tag Helfer für den Aufbau der Aus­


stellung Zeitgeist im Gropius­Bau gesucht


wurden. Beuys verfrachtete sein gesamtes


Atelier von Düsseldorf nach Berlin. Ich


durfte wochenlang ein­ und auspacken.


Beuys war nicht immer da, und wenn,


durfte man ihn nicht ansprechen. Aber


irgendwann fragte er mich, ob er etwas für


mich tun könne. Ich war ein bisserl unver­


schämt und meinte, ich würde gerne mit


ihm eine Ausstellung machen und außer­


dem Andy Warhol kennenlernen. Ich er­


innere mich noch an seinen Gesichtsaus­


druck. Doch er meinte: »Ja, mach mal«,


und schrieb auf eine Serviette: »Dear


Andy, please meet this talented young man.


Joseph«. Das war meine Fahrkarte nach


Amerika. In New York bin ich zu War­


hol und habe tatsächlich später in meiner


Salzburger Galerie eine Ausstellung seiner


Serie Ten Portraits of Jews of the Twentieth


Century gezeigt.


Wie fassten Sie als Galerist Fuß?


Ich wollte in Wien billige Räume für eine


Galerie finden, aber die Stimmung dort


hat mir nicht behagt. Also bin ich 1983


nach Salzburg, hier fand ich die Stimmung


fantastisch – die Sommerakademie für bil­
dende Künstler, die Festspiele, die vielen

Musiker. Für 1000 Schilling im Monat
mietete ich eine Galerie über einem Laden,

der U.­S.­Army­Kleidung verkaufte, und
habe sofort Beuys geschrieben. Ich kann­

te über ihn und Warhol schon ein paar
Künstler, dadurch gab es ein Grundver­

trauen, auch wenn ich ziemlich naiv war.
Die Kunstszene war damals sehr elitär. Am

Anfang habe ich nichts verkauft und gab
daher in der Galerie Englisch­Nachhilfe­

stunden. Eines Tages kaufte ein Journalist
aus München eine Beuys­Zeichnung, und

irgendwann hieß es dann, in Salzburg gibt
es so einen, der zeigt die wirklich interes­

santen Künstler.
Haben Sie jemals einen Rückschlag, eine

Krise erlebt?
Ich wollte mit Warhol in meiner Galerie

eine Ausstellung machen. Wir saßen 1986


in New York zusammen, und ich hatte die
Idee zu einer Serie mit den Musikgenies

des 20. Jahrhunderts, Leonard Bernstein,
Herbert von Karajan, Claudio Abbado.

Warhol war begeistert. Ich konnte eine
Bank überzeugen, mir Kredit zu geben,

habe mir von Freunden Geld geborgt und
auch ein paar Kunden gesagt, sie sollen

vorweg zahlen. Ich habe mich dabei zu 200
Prozent verschuldet.

Die Vision ging nicht auf?
Im Februar 1987 hörte ich im Radio, Andy

Warhol war überraschend verstorben. Ich
war geschockt. Die Werke für Salzburg wa­

ren nicht fertig, die Ausstellung wäre War­
hols nächstes Projekt gewesen. Ich musste

das nicht nur der Bank erklären, sondern
auch meinen Freunden und Sammlern,

ich wäre fast in einen Konkurs geschlittert.
Gerettet hat mich der Kunsthändler Leo

Castelli. Er hatte Warhol vertreten und
sah, wie das Atelier von Warhol mich be­

handelte und wie sehr ich kämpfte.
Wie hat er Ihnen geholfen?

Ich habe mit ihm eine Ausstellung gemacht.
Er gab mir seine Warhol­Meisterwerke,

da hingen Kunstwerke in meiner kleinen
Galerie, das war unfassbar. Es hatte sicher

auch damit zu tun, dass ich Österreicher
war, er stammte selbst aus einer österrei­

chisch­italienischen Familie. Ich konnte
zwei Arbeiten verkaufen, das rettete mich.

Als ich Castelli das erste Bild bezahlte, mit
einem Scheck vom Creditanstalt­Bankver­

ein aus Triest, war er zutiefst gerührt. Sein
Vater war 1905 Direktor der Bank gewesen.

Ich war mit Castelli später sehr eng befreun­
det, er kam jedes Jahr nach Salzburg.

Was ist wichtig für den Erfolg?
Er hat mit Ausstrahlung, mit Begeisterung

zu tun. Es ging mir immer um die Künstler.
Ich erinnere mich noch an die Begegnung

mit Basquiat: Der wusste überhaupt nicht,
wer ich war, woher ich komme, und gab

mir am ersten Tag zwölf Zeichnungen mit.
Später habe ich ihn gefragt, wie er mir das

einfach so anvertrauen konnte, und da sag­
te er: »But Andy brought you« – er hat also

nicht mir vertraut, sondern Warhol. Foto Marco Riebler


Als Andy Warhol starb, wäre der Galerist beinahe in den Konkurs geschlittert


Das war meine Rettung THADDAEUS ROPAC


Das Gespräch führte Louis Lewitan


Im nächsten Heft: Wie Ismail Seralgedin, ehemaliger Direktor der Bibliothek von Alexandria, dem Gefängnis entging.


Und in der Reihe »Ich habe einen Traum« erzählt die Schauspielerin Linda Hamilton von einem »Terminator«-Albtraum


Thaddaeus Ropac, 59, wurde in


Klagenfurt geboren. Hauptsitz


seiner Galerie ist seit 1989 die Villa


Kast in Salzburg. Dort und in


Nieder lassungen in Paris und London


zeigt Ropac, der zu den weltweit


bedeutendsten Galeristen gehört,


internationale zeitgenössische Kunst


114

Free download pdf