ENTDECKEN
I
ch kann maximal 14 Maßkrüge tragen: Ich stelle
zweimal sechs im Kreis auf, mit den Henkeln nach
innen, sodass ich mit der Hand reinkomme. Oben-
drauf kommt jeweils noch ein Krug. Wenn ich da-
mit herumlaufe, mache ich ein Hohlkreuz und stütze das
Bier auf meiner Brust ab. Um meine Handgelenke zu
unterstützen, trage ich Bandagen. Die habe ich mir selbst
gekauft, genauso wie Lederhose, Hemd und Jacke.
Auch das Bier kaufe ich vorab dem Wirt ab. Am Tisch
verkaufe ich es dann einen Tacken teurer. Der Preisunter-
schied plus das Trinkgeld ist mein Lohn. Das erste Mal
habe ich mit 25 auf dem Oktoberfest gekellnert. Ich wuss-
te: Man kann da gutes Geld verdienen, mehrere Tausend
Euro. Und ich hatte schon vorher in der Gastro gearbeitet.
Erfahrung ist wichtig, denn man muss ja 16 Tage durch-
halten, die Menschenmassen, den Lärm, die immer glei-
chen Lieder: Cordula Grün, Atemlos, Hulapalu. Aber ir-
gendwann ertappe ich mich sogar beim Mitsummen.
Jeden Morgen muss ich um halb zehn da sein, am
Wochenende um halb neun. Wenn ich abends um elf
wieder aus dem Festzelt komme, tun mir die Hände
und die Füße weh, und auch die Stimme kann weg sein.
Und ich nehme jedes Mal ab, wenn ich auf der Wiesn
arbeite, weil ich vergesse zu essen.
In meinem ersten Jahr habe ich selbst kein Bier ange-
rührt, bin nach der Schicht direkt nach Hause und habe
Vitamine geschluckt, um bloß nicht krank zu werden. In-
zwischen lasse ich mich auch mal auf einen Schnaps ein-
laden oder teile mir eine Maß mit Freunden. Ich kann sehr
viel Spaß haben mit den Gästen. Und ich versuche, sie ein
bisschen anzuheizen: Wer kein Bier mehr hat, dem biete
ich gleich ein neues an; wer nur ein kleines bestellt, den
ziehe ich auf. Das erwarten die Leute auch ein bisschen.
Manche Gäste trinken einen Maßkrug auf ex. Da kann
ich die Uhr stellen: Nach etwa 15 Minuten taumeln die
raus. Andere kotzen unter den Tisch oder in ihren Maßkrug.
Wieder andere werden aggressiv oder gegenüber den Mädels
in unserem Team auch touchy. Denen sage ich dann: »Für
dich ist’s heute genug.« Meistens gehen sie dann auch. Eine
Schlägerei habe ich höchstens mal am Rande mitgekriegt.
Manche Kollegen reisen von einem Volksfest zum
nächsten. Andere nehmen extra Urlaub, um auf der
Wiesn arbeiten zu können. Es ist aber nicht für jeden das
Richtige. Entweder machst du den Job einmal und nie
wieder – oder er taugt dir irre und du bleibst jahrelang
dabei. So wie ich. Nur dieses Jahr habe ich leider keine
Zeit, weil ich in meiner eigenen Bar arbeiten muss.
... auf dem Oktoberfest
zu kellnern
WIE ES WIRKLICH IST
Niklas Hacker, 29, betreibt unter
anderem die Bar »Le Florida« in München
Beim Radiologen nach Monaten erstmals nichts zu sehen.
Er zeigt mir auf zwei Monitoren die Aufnahmen von 2018
und von letzter Woche. Der Tumor ist verschwunden!
Roger Kutschki, Berlin
Wenn meine fünf Monate alte Enkeltochter die Arme
nach mir ausstreckt, als wollte sie sagen: »Hol mich aus
dem Gitterbett, und zeig mir die Welt.«
Gerhard Hopfgartner, Klagenfurt, Österreich
Meine Frau!!!
Dennis Renk, Wedel
Dass die Fernbedienung für den Fernseher in meiner
Wohngemeinschaft nicht mehr funktioniert und auch
ein simpler Batteriewechsel das »Problem« nicht löste.
#lesenistauchschön.
Luise von Münchhausen, Düsseldorf
Die Zeit ist gekommen, da die Kinder wieder Kastanien
sammeln. Als die kleine Sofie (gerade drei) gefragt wird,
wo sie diese eine, besonders dicke und schöne herhat,
antwortet sie: »Muss mal überlegen.« Pause. Dann, mit
einem breiten Lächeln: »Hab sie Pepe gemopst!«
Hannah Staub, Leipzig
Mit meinem Velomobil – einem vollverkleideten Liege-
fahrrad – durch die Landschaft zu gleiten, Rausch der
Geschwindigkeit (50 Stundenkilometer!!!), fossilfrei und
nachhaltig!
Burkhard Zietz, Uppsala, Schweden
Der Rollstuhlfahrer, der die entkräfteten Marathonläufer
zum Durchhalten anfeuert.
Henri Heiland, Berlin
Mein Mirabellenbaum trägt dieses Jahr so viel wie noch
nie. Ich kann gar nicht alle Früchte verarbeiten. Gerade
hab ich auf nebenan.de sechs Nachbarn (die ich bisher
nicht kannte) zum Ernten eingeladen.
Astrid Raimann, Köln
Die Herbstsonne war schon hinter den Häusern
verschwunden, als ich mit der Astschere einige verwilderte
Sträucher im Garten zurückschnitt. Da ließ sich ein
Rotkehlchen kaum mehr als eine Armlänge entfernt in den
Zweigen nieder. Mit jetzt sehr ruhigen Bewegungen
arbeitete ich weiter. Der Vogel ließ sich nicht stören. So
wurde die von mir geliebte Dämmerstunde im Garten zu
einer besonderen Begegnung.
Michael Burkhardt, Stuttgart
Opernabend im Radio. Ich backe einen Kuchen für meine
Mom. Der Kommentator erklärt mir, warum der Sopran
eine halbe Stunde schreit, bevor er stirbt. Der Teig ist zu
trocken. Blick ins Regal: Oh, Eierlikör! Es duftet. Der Chor
setzt ein. Das Werk ist vollkommen. Tosender Applaus!
Bettina Buchberger, Linz, Österreich
Leben
Wa s mein
reicher macht
(Folge 173)
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Redaktion DIE ZEIT, »Z-Leserseite«, 20079 Hamburg
Aufgezeichnet von Daniel Kastner
»Knüselich«
Wenn man in einer Wohnung Dinge ungern anfassen mag, weil man das Gefühl hat,
sie könnten kleben, dann ist die Wohnung knüselich. Der Begriff beschreibt einen Zustand
genau in der Mitte zwischen unaufgeräumt (das wäre zu schwach) und ekelig (was
wiederum zu stark wäre). Als ich unlängst ein ebensolches Erlebnis hatte und im Freundeskreis
davon erzählte, stellte ich fest, dass die Zuhörer über den Ausdruck stolperten.
Ich finde, das Wort knüselich wird dringend gebraucht, und möchte es hiermit gerne teilen.
Beatrix Seewaldt, Berlin
WORTSCHATZ
Du siehst aus, wie ich mich fühle
Dieser Papageitaucher lebt in Kanada. Wegen ihres bunten Schnabels und traurigen Blicks werden diese Vögel auch Clowns der Meere genannt. Fotografiert von Chris Dodds
Illustration: Eva Revolver für DIE ZEIT
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