Süddeutsche Zeitung - 08.10.2019

(Marcin) #1
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vonborisherrmann

Bamako – Wer auf so stetig sinkende Um-
fragewerte wie Annegret Kramp-Karren-
bauer blickt, dem ist ein wenig Abwechs-
lung vom Berliner Betrieb zu gönnen: Ein-
fach mal in eine Regierungsmaschine set-
zen und sich im Glanz einer Auslandsreise
sonnen (ohne von der Kanzlerin aus Platz-
gründen ausgeladen zu werden) – das
klingt simpel. Aber Kramp-Karrenbauer
wollte das bislang nicht so recht gelingen,
obwohl es in ihrem Zuständigkeitsbereich
als Verteidigungsministerin keineswegs
an öffentlichkeitswirksamen Reisezielen
mangelt. Jetzt also der nächste Versuch, in
Afrika.
Niger, das ärmste Land der Welt, und
Mali, ein von Terrorismus geplagtes Pul-
verfass, stehen auf dem Programm der Mi-
nisterin. Sie besucht ihre Truppen in der Sa-
helzone – dort, wo die Fluchtursachen be-
kämpft werden sollen. Als Kramp-Karren-
bauer in der nigrischen Hauptstadt Nia-
mey landet, herrschen angeblich 38 Grad.

Gefühlt sind es eher 83. Auf dem Weg zur
Residenz von Premierminister Brigi Rafini
rauscht die Kolonne mit Blaulicht an einer
staunenden Rinderherde vorbei. Vor dem
Eingang zur Kaserne muss der einheimi-
sche Fahrer eines deutschen Delegations-
fahrzeugs dann erst einmal die Reifen
wechseln. Er hat das voll besetzte Auto ver-
sehentlich über jene Nagelbretter gesteu-
ert, die eigentlich motorisierte Terroristen
abhalten sollen. Als Wagenheber benutzt
der Mann einen großen Stein.
Eigentlich ist es die perfekte Reise für
Kramp-Karrenbauer: Mal für kurze Zeit
nicht an die lästigen Debatten in der Union
denken, weder an Jens Spahn noch an die
Kanzlerkandidatur oder an Seehofers See-
notrettungsstreit – wo bitte sollte das klap-
pen, wenn nicht hier in Niamey?
Im Kasernencafé „Allemagne“ hält
Oberstleutnant Zecher eine Art Einfüh-
rungsvorlesung zum Einsatz in der Sahel-
zone. Für die Ministerin ist das schließlich
alles Neuland. Zecher spricht über die drei
Standorte der deutschen Mission, vom
Hauptquartier in Malis Hauptstadt Bama-
ko, vom Feldlager im nordmalischen Gao,
vom Logistikzentrum im verhältnismäßig

stabilen Nachbarstaat Niger. Kramp-Kar-
renbauer hört aufmerksam zu, stellt inhalt-
liche Nachfragen und lässt sich am eigenen
Arm vorführen, wie man die Blutung eines
verletzten Soldaten abbindet. Sie scheint
es zu genießen. Doch dann wird die zweite
Seite von Zechers Powerpoint-Präsentati-
on an die Wand geworfen. Und darauf steht
klar und deutlich: „CSU“. Es ist wie ver-
hext. Im Publikum wird gekichert.

Der Oberstleutnant sagt, die Abkürzung
CSU stehe hier im Camp natürlich für „Ca-
sualty Staging Unit“. Damit ist ein Feldlaza-
rett gemeint. Das hält mitgereiste Repor-
ter aber nicht davon ab, das Gespräch we-
nig später auf Horst Seehofer zu lenken.
Kramp-Karrenbauer ist 4500 Kilometer
geflogen, nur um am Ende doch wieder
über Innenpolitik zu sprechen. Nein, sie
könne in der Frage der Seenotrettung kein

Zerwürfnis zwischen dem CDU-Generalse-
kretär Ralph Brinkhaus und dem CSU-In-
nenminister Seehofer erkennen. „Ich sehe
überhaupt keinen großen Unterschied zwi-
schen dem, was da diskutiert wird“, sagt
sie. Gedanklich ist sie da definitiv schon
wieder diesseits von Afrika unterwegs.
Apropos Afrika, da war doch was. Rich-
tig, da war Jens Spahn gerade. Der Gesund-
heitsminister scheint ja überhaupt überall

gleichzeitig zu sein: Kosovo, USA, Mexiko,
Äthiopien, Ruanda, Kongo, Nigeria. Und
nicht nur die Kanzlerin findet: „Der schafft
was weg.“ Für Spahn sind das auch Werbe-
trips – in eigener Sache. Seine Ambitionen
auf die Kanzlerkandidatur versteckt er nur
noch sehr unzulänglich. Zweimal hat er zu-
letzt gegen Kramp-Karrenbauer den Kür-
zeren gezogen, in der Abstimmung um den
CDU-Vorsitz und bei der Neubesetzung
des Verteidigungsressorts. Aber in seiner
selbsterfundenen Rolle als Gesundheitsau-
ßenminister scheinen sich diese Niederla-
gen gerade in süße Siege zu verwandeln.
Dass nun der Eindruck entsteht, Kramp-
Karrenbauer sei ihm quasi hinterherge-
reist nach Afrika, darf man getrost als takti-
sches Geschick verbuchen. Spahn ist mal
wieder einen Schritt schneller und stibitzt
der Parteichefin das ersehnte Rampen-
licht.

Laut Umfragen hätte ihre Kanzlerkandi-
datur derzeit nicht einmal bei Anhängern
der eigenen Partei eine Mehrheit. Dazu
passt, dass Teile der Jungen Union fordern,
über die K-Frage künftig in einer Urwahl
abstimmen zu lassen. Das wäre ein klarer
Bruch mit der Tradition, diese Frage einver-
nehmlich in Gesprächen zwischen CDU
und CSU zu klären.
Ein enormer Druck lastet also auf
Kramp-Karrenbauer, und es ist sicher
nicht leicht, sich davon ausgerechnet im
hochexplosiven Mali abzulenken. Aber sie
versucht es. Sie teilt den angetretenen Sol-
daten mit: „Für mich ist das besonders
spannend hier, weil ich zum ersten Mal in
der Region bin.“
Um das erste Mal geht es auch im unions-
internen Reisewettrennen. Spahn soll ur-
sprünglich versucht haben, auf seiner Afri-
katour auch in Mali Station zu machen,
dann hätte er die deutschen Truppen wohl
wenige Tage vor der eigentlichen Dienst-
herrin begrüßt. LautBildhat Kramp-Kar-
renbauer das verhindert. Das Verteidi-
gungsministerium dementiert den Be-
richt. Ein Soldat in Mali sagt, es sollte doch
eigentlich selbstverständlich sein, dass die
Verteidigungsministerin hier den Antritts-
besuch mache. Aber die Selbstverständlich-
keiten rings um Kramp-Karrenbauer schei-
nen sich rapide aufzulösen.

Die Junge Union fordert,
in einer Urwahl
über die K-Frage abzustimmen

Berlin – Die deutschen Rüstungsexpor-
te steuern in diesem Jahr auf einen
Spitzenwert zu. Bis Ende September
stiegen die Ausfuhrgenehmigungen im
Vergleich zum Vorjahreszeitraum um
75 Prozent auf 6,35 Milliarden Euro.
Damit nähert sich das Exportvolumen
den Rekordwerten aus den Jahren 2015
und 2016 von 7,86 beziehungsweise
6,85 Milliarden Euro an. Die Zahlen
gehen aus einer Antwort des Wirt-
schaftsministeriums auf eine Anfrage
des Grünen-Abgeordneten Omid Nouri-
pour hervor. Die mit Abstand meisten
Exporte wurden mit 1,77 Milliarden Eu-
ro für den EU- und Nato-Partner Un-
garn genehmigt. Dahinter folgt das an
der von Saudi-Arabien geführten Kriegs-
allianz im Jemen beteiligte Ägypten mit
802 Millionen Euro.dpa

Ankara/Berlin – In der Türkei sind in
der vergangenen Woche insgesamt
sieben deutsche Staatsbürger festge-
nommen worden. Vier von ihnen seien
inzwischen wieder auf freiem Fuß, dürf-
ten aber nicht ausreisen, sagte ein Spre-
cher des Auswärtigen Amts am Montag.
Die Vorwürfe gegen sie seien sehr unter-
schiedlich. Trotz der Häufung von Ver-
haftungen könne daher derzeit kein
Zusammenhang festgestellt werden.
Die Situation werde weiter aufmerksam
beobachtet. Zu den sieben zählt eine
58 Jahre alte Hamburgerin, deren Fall
bereits am Freitag bekannt geworden
war. Nach Angaben der kurdischen
Gemeinde Hamburg ist sie die Ehefrau
des Gemeindevorsitzenden. Die Betrof-
fenen werden laut Außenamt konsula-
risch betreut.dpa

Berlin – Nach einer Messerattacke an
der Neuen Synagoge in Berlin hat der
Zentralrat der Juden die Freilassung
des mutmaßlichen Täters kritisiert.
Dieser Schritt sei „unfassbar“, erklärte
der Zentralrats-Präsident Josef Schus-
ter am Montag in Berlin. Jetzt bewege
sich ein Mann auf freiem Fuß, von dem
eine akute Gefahr ausgehe. Am vergan-
genen Freitag war es zu einem Anschlag-
versuch auf die Neue Synagoge in der
Oranienburger Straße gekommen. Da-
bei wurde ein Objektschützer mit ei-
nem Messer bedroht. Schuster zufolge
wurde der mutmaßliche Täter bereits
am Samstag wieder freigelassen. kna

Sie ist 4500 Kilometer geflogen,
um am Ende doch wieder
über Innenpolitik zu reden

DEFGH Nr. 232, Dienstag, 8. Oktober 2019 (^) POLITIK 5
Diesseits von Afrika
Annegret Kramp-Karrenbauer reist als Verteidigungsministerin zu den deutschen Soldaten in Mali und Niger. Falls sie von sinkenden Umfragewerten
ablenken wollte – es gelingt kaum. Ein Rivale war schon vor ihr auf dem Kontinent, und in der Sahelzone trifft die CDU-Chefin sogar auf eine CSU
Die 38 Grad Celsius fühlen sich an wie 83: Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer mit Bundeswehrsolda-
ten in Nigers Hauptstadt Niamey. FOTO: ARNE IMMANUEL BÄNSCH / DPA
Mehr Rüstungsexporte
Deutsche in Türkei verhaftet
Zentralrat kritisiert Behörden

INLAND


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