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war. Obwohl Maria Magdalena so verlockend, mysteriös,
faszinierend zu sein schien, gaben die Lehrer vor, sehr we-
nig über sie zu wissen. Das verstand ich einfach nicht. Im
Unterricht fragte ich immer wieder, was genau Maria Mag-
dalenas Rolle gewesen war. Und die Antwort war stets, dass
sie einfach eine Prostituierte war, zu der Jesus trotzdem, in
all seiner Güte, freundlich war. Schon damals spürte ich,
dass es bei Maria Magdalenas Geschichte um etwas sehr
viel Spannenderes gehen musste – und wollte deswegen
natürlich mehr wissen.
Worin sehen Sie die aktuelle Bedeutung von Maria Mag-
dalena?
In unserer heutigen Gesellschaft gilt immer noch diese
befremdliche Vorstellung, dass eine Frau auch durch den
Mann an ihrer Seite definiert wird. Erst wenn ein Mann
dir seinen Segen gegeben hat, bist du tatsächlich eine be-
merkenswerte Frau. Für Männer gilt das umgekehrt nicht.
Haben Sie das selbst so erlebt?
Klar, ich war als Frau ziemlich erfolgreich, und dennoch
schien es unmöglich zu sein, über mich zu schreiben, ohne
sofort einen direkten Bezug zu irgendeinem Mann herzu-
stellen. Irgendwann dämmerte mir, dass auch Maria Mag-
dalenas Name ausschließlich im Zusammenhang mit Jesus
genannt wird. Ich habe dann angefangen, mich intensiv mit
ihr zu beschäftigen. Dabei wurde mir immer klarer, dass sie
eine tolle Frau gewesen sein muss und dass ihre Geschichte
unter den Teppich gekehrt wurde. In einem der populärs-
ten Bücher aller Zeiten, der Bibel, wurde ihre eigentliche
Geschichte übergangen und ausgelöscht – ein weiteres Bei-
spiel dafür, dass Frauen nicht Heilige und Hure sein dür-
fen. Dabei ist es wichtig, sich klarzumachen, dass eine Frau
beides sein darf: eine Heilige und eine Hure gleichzeitig.
Wir werden aber von der Gesellschaft gezwungen, uns eine
der beiden Rollen auszusuchen und unser Leben nach den
entsprechenden Regeln zu leben, die damit einhergehen.
Und Sie sind ...
... natürlich auch beides, was eine mächtige Mischung ist.
Eine Frau sollte rein, kraftvoll, gefühlvoll, wahrhaftig und
zugleich sexuell sein dürfen. Das sind alles Eigenschaften,
die eine Frau ausmachen. So, jetzt wissen Sie also, dass ich
mir einige Gedanken zu Maria Magdalena gemacht habe!
Eine Pop-Ikone, mit der Sie auffallend oft verglichen wer-
den, ist Kate Bush.
Ich liebe Kate Bush! Sie ist auf jede nur denkbare Art
wunderbar, innerlich, äußerlich, ihre Bewegungen, ihre
Stimme ... Kate Bush ist für viele von uns wie eine Mutter.
Sie ist eine dieser wenigen, kostbaren Künstlerinnen, an
denen einfach alles stimmt. Von Beginn an war sie eine
völlig ausgereifte Künstlerin. So wie auch Elton John oder
Freddie Mercury es gleich von Anfang an waren. Solche
Musiker gibt es nur selten.
Kate Bush ist auch eine Meisterin darin, die Welt auf Ab-
stand zu halten, ihre Privatsphäre verteidigt sie mit aller
Macht. Sie sind ebenfalls eine eher öffentlichkeitsscheue
Künstlerin. Nun waren Sie bis vor Kurzem mit dem Filmstar
Robert Pattinson liiert. Wie sind Sie mit dem Rummel
klargekommen?
Darüber möchte ich eigentlich nicht mehr nachdenken.
Aber es war nicht so schlimm, wie Sie es sich vielleicht aus-
malen. Ehrlich gesagt, es ist ziemlich einfach, der Presse
aus dem Weg zu gehen. Ich glaube, Menschen, die sehr
oft fotografiert werden, haben im Grunde Freude daran –
ist doch toll für sie. Wenn ich mir solche Bilder anschaue,
staune ich darüber, wie selbstbewusst die Fotografierten oft
aus sehen. Vermutlich ist das auch eine aufregende Art, sein
Leben zu leben. Ich habe mich allerdings für einen anderen
Weg entschieden. Und es fällt mir sehr, sehr leicht, mein
Privatleben privat zu halten. Den Rest meines Lebens, also
die Musik, teile ich gern mit der Welt da draußen. Aber
was nach der Show passiert, geht nur mich etwas an.
Auf Plattformen wie Instagram und You Tube sind Sie sehr
präsent. Lesen Sie die Kommentare dort?
Ich müsste lügen, um das abzustreiten. Aber es hält sich
bei mir im Rahmen, weil mich diese Art der Kommunika-
tion schnell langweilt. Es ist doch öde, die ganze Zeit nur
Dinge über sich selbst zu lesen. Außerdem brauche ich die
Meinungen anderer über mich gar nicht – ich habe meine
eigene Meinung über mich, die reicht mir.
Vor zwei Jahren hatten Sie eine Operation, bei der Tumoren
an Ihrer Gebärmutter entfernt wurden. Stimmt es, dass die
Wunden noch nicht ganz verheilt waren, als Sie zustimm-
ten, bei einem aufwendigen Tanzvideo des Regisseurs Spike
Jonze mitzumachen?
Klar, na und? Es war Spike Jonze, der mich dabeihaben
wollte! Wenn Spike Jonze will, dass ich von London zu ihm
nach Los Angeles fliege, dann buche ich sofort den Flug.
Da wären wir dann wieder bei Ihrer katholischen Idee von
harter Arbeit und Dis zi plin, oder?
Vermutlich, ja. Das war auf jeden Fall eine dieser Chancen,
die sich einem nur einmal im Leben bieten. Spike Jonze
hätte nicht noch mal angerufen. Und schlafen kann ich,
wenn ich tot bin. Vier Wochen nach der Operation habe
ich bereits wieder mit dem Ballett-Training begonnen, eine
Woche später startete das Spike- Jonze- Pro jekt. Ja, das war
sehr anstrengend, aber die Quälerei hat sich gelohnt.
Bei den Dreharbeiten hatten Sie angeblich noch Blutungen.
Wusste Ihr Arzt davon?
Natürlich nicht! Und ich kann das auch nicht unbedingt
weiterempfehlen. Nach dem Spike- Jonze- Pro jekt dauerte
es dann noch ein Jahr, bis ich das Gefühl hatte, dass mein
Körper wieder Frieden mit sich geschlossen hatte. Schmer-
zen habe ich bis heute immer mal wieder. Seit der Ope-
ration ist es eben ein anderer Körper geworden. Aber es
wäre doch traurig, wenn es diesen Clip nicht gäbe. Ein paar
aufgeplatzte Wunden kümmern mich da wenig.
Wie oft sagen Sie Nein zu einer Herausforderung?
Angebote von außen lehne ich ständig ab – ich bin die
Königin des Neinsagens. Wenn es aber darum geht, meine
eigenen Träume wahr werden zu lassen, gebe ich alles. Es
ist dann schwer, mich aufzuhalten.
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