DOSSIER
DIE ZEIT: Frau Richter, Sie haben einige Jahre
mit Rudi Carrell zusammengearbeitet, einem der
ganz Großen des Showgeschäfts. Wie war die Ar-
beit mit ihm?
Beatrice Richter: Bitte lassen Sie uns am Anfang
nicht über Rudi Carrell sprechen. Ich bekomme
immer noch Todesangst, wenn ich an ihn denke.
Können wir später über ihn reden, wenn es denn
sein muss?
ZEIT: Einverstanden. Wir kommen noch mal
auf ihn zurück.
Jeder, der in den Achtzigerjahren einen Fern
seher hatte, kennt Bea trice Richter. Sie spielte
mit Rudi Carrell in »Rudis Tagesshow«, mit
Diether Krebs in »Sketch up«. Am Telefon
hatte sie gesagt, dass es ihr egal sei, wo man
sich trifft, nur bei ihr zu Hause passe es ihr
nicht, da wolle sie keine Journalisten haben.
Richter betritt das Café am Berliner
Ku’ damm mit großer Sonnenbrille und sagt:
»Also, was habt ihr euch nur gedacht!
Hier sind ja nur Touristen, und da vorne
sitzt Udo!«
Udo Walz ist der bekannteste Friseur Berlins,
auch Angela Merkel ist seine Kundin. Bea trice
Richter sagt: »Wenn der mich hier sieht, wird
der sofort sagen: Mein Gott, wie schauen denn
deine Haare aus?«
Ein paar Straßen weiter, in einem Café mit
einem kleinen Garten, spricht Bea trice
Richter dann beinah ohne Unterbrechung,
nur manchmal fragt sie: »Hasilein, wolltest
du auch was sagen?« Es ist ein Gespräch über
ihr Leben geplant, über ihre Zeit als eine der
bekanntesten Schauspielerinnen der Bundes
republik. Am Tag vor dieser ersten von drei
Begegnungen war Europawahl.
Richter: Ich habe diese Spaßpartei gewählt. Die
machen sich lustig über sich selbst und über uns.
ZEIT: Sie meinen »Die Partei« des Kabarettisten
Martin Sonneborn?
Richter: Ja. Ich lache nicht viel, auch nicht über
mich, da gibt es nicht viel zu lachen, aber bei
einem Wahlwerbespot von denen musste ich la-
chen. Da saß ein dürrer Mann und präsentierte
einen AfD-Blocker, den man installieren kann,
»Ich war laut, nervig,
manchmal unerträglich«
Beatrice Richter war einmal eine der bekanntesten Schauspielerinnen der Bundesrepublik,
eine herausragende Komödiantin. Im wahren Leben zog sie eher das Unglück an.
Ein Gespräch über eine Biografie der Extreme INTERVIEW: STEPHAN LEBERT UND BRITTA STUFF
Heute ist Beatrice Richter 70. Sie mag die 7 nicht, sie findet, die passt nicht zu ihr
Foto: Stephanie Steinkopf/Ostkreuz für DIE ZEIT
Fortsetzung auf S. 16
1948 geboren. Sie besuchte die Schau-
spielschule Falckenberg in München
In den Siebzigern arbeitete sie zur
Zeit von Zadek und Fassbinder am
Schauspielhaus Bochum
1982 erhielt sie die Goldene Kamera
für ihre Auftritte in »Rudis Tagesshow«
1984 spielte sie in »Sketchup«. Es
folgten zahlreiche Rollen in deutschen
Fernsehproduktionen
2019 war Richter mit ihrer Tochter
Judith in »Zuhause bin ich Darling«
im Berliner Schillertheater zu sehen
Beatrice Richter
wenn man keine AfD-Inhalte sehen will. Das
fand ich super, ich wusste: Die wähle ich. Zu
meiner Tochter habe ich gesagt, wenn sie die
CDU wählt, gebe ich sie zur Adop tion frei.
ZEIT: Wie alt ist Ihre Tochter?
Richter: Vierzig.
ZEIT: Bisschen spät, oder? Wir machen mal
einen Schnitt und gehen weit zurück, zum Ende
der Sechzigerjahre. Sie studierten Schauspiel an
der renommierten Otto-Falckenberg-Schule in
München.
Richter: Hasilein, ihr müsst begreifen, wo ich
herkomme, sonst könnt ihr mein Leben nicht
verstehen. Ich stamme aus sehr einfachen Ver-
hältnissen. Mein Vater hatte eine kleine Buch-
handlung, er interessierte sich nur für seine
Bücher. Das Geld reichte hinten und vorne
nicht, wir waren sehr arme Leute, immer ein
bisschen staatlich unterstützt. Ich wusste, ich
muss punkten, indem ich anders bin als die
anderen. Die anderen waren reich, das waren
für mich Leute, die warm essen und sich mit-
tags warm duschen konnten. Bei uns gab es
selten warmes Wasser und nie genug zu essen.
Ich wusste, um bei den anderen anzukommen,
musste ich ihnen was vorspielen.
ZEIT: Wann wussten Sie, dass Sie Schauspielerin
werden wollen?
Richter: Mein Vater konnte wunderbar Leute
nachmachen, das habe ich mir von ihm abge-
schaut. Wir wohnten in München nicht weit
weg von der Maximilianstraße, da sind die Kam-
merspiele, und da gab es ein sehr bekanntes Café,
die Kulisse, das gibt es heute noch. Ich war jung
und hübsch, dachte, ein bisschen überfreundlich
lächeln, dann gibt’s vielleicht eine Einladung auf
einen Drink und vielleicht sogar noch was zum
Essen. Ich kam mit vielen ins Gespräch und fand
immer jemanden, der mich einlud. Ich war lustig
und trug auch schon mal was aus Kabale und
Liebe vor, denn meine böse Lehrerin aus meiner
Klosterschule hatte gesagt: Richter, das Einzige,
was sie kann, ist Vorlesen und Spielen. Na ja, ir-
gendwann saß in der Kulisse eine Frau, sie sah
aus, als hätte sie was mit Theater zu tun. Ich bin
dann um sie rumgeschwänzelt, und wir kamen
- OKTOBER 2019 DIE ZEIT No 42 15