Die Zeit - 10.10.2019

(Wang) #1

SACHBUCH


Nahe dran an Dirkules


Die Sportler-Biografie »The Great Nowitzki« ist ein mitreißender Fangesang auf den Basketball


VON SINEM KILIÇ

T


ak-ta-damm. Quietsch.
Swish: Basketball lässt sich
am besten mit Comic-
Sounds beschreiben. Bas-
ket-ball, schon in diesen
drei Silben hört man das
sausende Hin und Her, das
Pick-and-Pop, das Blocken und Werfen des
orange far be nen magic ball. Basketball ist
Rhythmus, ist Musik. Ein ständiges Passspiel
von Solo zu Tutti und zurück. Spieler werden
eingewechselt, Spieler werden ausgewechselt.
Dass ein Spieler seine Karriere dort be endet, wo
er sie begonnen hat, passiert so gut wie nie.
Dirk Nowitzki ist die große Ausnahme.
Der deutsche Spieler war immer ein Maverick.
Mavericks, so heißt seine Basketballmann-
schaft aus Dallas, der er für mehr als zwanzig
Jahre treu geblieben ist. Im Amerikanischen
steht maverick für einen Freigeist, einen, der
von der Norm abweicht. Das passt sehr gut
zu Nowitzki, der mit 20 Jahren aus Würzburg
nach Dallas ging. Die Mavericks waren damals
eine Lachnummer, eines der schlechtesten
Teams der NBA. Mit dem 2,13 Meter großen
»German wunderkind« wurde alles anders. 2011
holten die Mavs mit ihm den Meistertitel. White
men can’t jump? Von wegen: Dirkules schaffte es
sogar auf Platz 6 der ewigen Scorer-Liste, direkt
hinter Michael Jordan. Nowitzkis legendärer
Fadeaway-Jump-Shot, eine Sprungwurftechnik
im Rückwärtsfallen, war Kryptonit für jeden

Gegenspieler und mündete regelmäßig in dem
»Geräusch des Balls, wenn er durch das Netz
rauscht: Swish«.
Die Geschichte, wie Nowitzki zu einem
der besten Spieler der Welt wurde, wurde schon
oft erzählt. Doch noch nie hat man sie in solch
einem Tempo gelesen, wie es Thomas Pletzinger
jetzt in seinem Buch The Great Nowitzki vor-
legt. Hier ist man so nah dran am Spieler wie
ein Zuschauer mit Courtside-Ticket, möchte
die fünf hundert Seiten am liebsten lesen mit ei-
nem Riesengummifinger in der einen und bil-
ligem Bier in der anderen Hand. Pletzinger be-
gann seine Recherchen zu Nowitzki vor sieben

Jahren mit einer Reportage fürs Z E I T m a g a z i n.
Dieser Trip wurde für ihn zu einem zweiten
Zauberberg: »Ich wusste nicht, dass meine
Reise zu Dirk Nowitzki sieben lange Jahre dau-
ern würde.« Schnell geriet er in den Sog dieses
Sportlers, wie ein Feldforscher bediente er sich
jahrelang der teilnehmenden Beobachtung,
umkreiste das Phänomen Nowitzki und sprach
mit anderen, die um ihn herumkreisen, darun-
ter sein Entdecker, Mentor und Freund Holger
Geschwindner, der selbst ein großer Spieler war.
Pletzinger traf sogar Geschwindners Mentor,
den 85-jährigen Ernie Butler, von dem die wohl
beste Metapher für Basketball stammt: »Basket-
ball ist wie Jazz. Man kann ein Solo nicht pla-
nen, man muss es spielen.«
Andere Autoren hätten in so einem Sport-
buch vermutlich versucht, die metaphysische
Sprache eines David Foster Wallace zu imitie-
ren, der über den Tennisspieler Roger Federer
einst schrieb, der sei »ein Geschöpf, dessen
Körper aus Fleisch und Licht besteht«. Pletzin-
ger macht diesen Fehler nicht. Zu Nowitzki,
dem jeder Größenwahn fehlt, hätte solche
Metaphysik auch nicht gepasst.

Thomas Pletzinger:
The Great Nowitzki
Kiepenheuer & Witsch, Köln 2019;
512 S., 26,– €, als E-Book 22,99 €

»Superstars sind


zeitlos, sie sind


eingefroren«


THOMAS PLETZINGER

Foto: Juliane Henrich/Ki-Wi Verlag

240 Seiten|Euro 20 ,–(D)
ISBN 978 - 3 - 95614 - 313 - 7
UngekürzteLesung:ISBN 978 - 3 - 95614 - 331 - 1
GekürzteLesungmitMusikvon
UrsulaMauder:ISBN 978 - 3 - 95614 - 333 - 5

Tourdaten: 11.10.Münche n|15.10.Nürnberg |19.10.Frankfurt|04.11.Erfurt|05.11.Magdeburg|
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»AxelHackeistimmer


mittenimLeben,in


seinemeigenenundauch


imLebenderAnderen.


Ersprichtmiraus


demHerzen.«


christinewestermann,ndr
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