Spitznamen sind wie Joghurt: Sie altern
nicht gut. Sie fangen sogar mit der Zeit
an zu gammeln. Wenn man zwölf ist,
dann ist es total niedlich, »Tini« oder
»Jojo« oder »Matze« zu heißen. Wenn
man aber 30 Jahre später beim Klassen-
treffen immer noch so genannt wird,
dann ist es so, als tauchte man mit einem
zu kurz geratenen Nickipulli von damals
auf; Menschen verändern sich, doch
Spitznamen wachsen nicht mit.
So geht es auch den Zwillingen Heiko
und Roman L., die im Alter von zwölf
Jahren mit quatschigen You Tube- Videos
berühmt wurden. Sie nannten sich
»Die Lochis«, wegen ihres Nachnamens:
Lochmann. Die Lochis machten so was
wie Alltagssatire aus Teenieperspektive,
ihre Videos hießen »Wir kochen Döner«
oder »Boy vs. Girl – auf Klassenfahrt«
oder »Lochi vs. Lochi: Blind einen Brief
einwerfen« oder »Schlittenfahren ohne
Schnee«, und Millionen von Kindern
und Jugendlichen sahen ihnen zu. Jetzt
sind Heiko und Roman zwanzig – also
quasi erwachsen.
Erwachsen sein kann alles Mögliche be-
deuten: Erwachsene gehen alleine zum
Arzt, Erwachsene können Brot schnei-
den, Erwachsene essen Blauschimmel-
käse und reden dabei über ihre Per-
spektiven in der Firma. Im Fall von
Heiko und Roman bedeutet erwachsen
werden, dass sie jetzt weniger Quatsch
machen. Stattdessen wollen sie sich
auf ihre Musik konzentrieren: Alben
aufnehmen, Konzerte spielen, was ja
im Gegensatz zu »You Tuber« ein lang-
weiliger Durchschnitts-Erwachsenenjob
ist. Damit jedermann kapiert, dass der
Ernst ihres Lebens beginnt, haben sie
ihren Namen geändert. Sie heißen nicht
mehr »Die Lochis«, sondern »Die Loch-
manns«. Das haben sie gerade verkün-
det, am Ende ihrer Abschiedstour.
Wie praktisch, dass ihr kompletter bür-
gerlicher Nachname so gut zu ihrem
neuen Image passt. Wo Mann dran-
hängt, muss schließlich auch Mann
drin sein. Den Lochmanns steht eine
Erwachsenenkarriere bevor: Sie werden
jazzig-nachdenkliche Alben aufnehmen.
Sie werden bei Markus Lanz sitzen. Sie
werden Bärte tragen. Und wir sehen
im Lochmann-Prinzip großes Po ten-
zial, die Karrieren der Stars unserer
Kindheit und Jugend wiederzubeleben.
Justin Biebermann würde nur noch
Songs über Eheprobleme singen, Ben-
jamin Blümchenmann zöge endlich aus
dem Zoo in eine eigene Wohnung. Der
Samsmann würde sich mit den blauen
Punkten wünschen, dass die Kinder
nur mal eine Nacht durchschlafen. Jim
Knopfmann könnte CEO eines Logis-
tikunternehmens werden. Nur für eine
neue Karriere für Pippi Langmann ha-
ben wir noch keine Idee.
Von Anna Mayr
Gesellschaftskritik ÜBER SPITZNAMEN
Diese beiden Jungs kennen viele als »Die Lochis«.
So wollen sie jetzt aber nicht mehr genannt werden
Foto
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