Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung - 06.10.2019

(Axel Boer) #1

  1. OKTOBER 2019 NR.40 D2 D56112 4,50 EURO


HERAUSGEGEBEN VON GERALD BRAUNBERGER, WERNER D’INKA, JÜRGEN KAUBE, BERTHOLD KOHLER

Wie der Pfeffi Ost
und West verbindet

Zehnkämpfer Kaul
und der große Coup

WIE EIN TIGER
Bewertungen im Netz
ist nicht zu trauen.

NULL STERNE


Jackie Thomaes


„Brüder“ ist der Roman


der Stunde.Feuilleton


30 JAHRE WENDE


In Hongkong sind auch am Samstag
wieder Hunderte Menschen gegen Poli-
zeigewalt und gegen die Regierung auf
die Straße gegangen. Viele waren mas-
kiert, obwohl die Regierung ein Ver-
mummungsverbot erlassen hatte. In der
Nacht auf Samstag war es zu schweren
Ausschreitungen gekommen, dabei wur-
de abermals ein jugendlicher Demons-
trant von der Polizei angeschossen. Ra-
dikale bauten Straßenblockaden, war-
fe n Brandsätze, demolierten U-Bahn-
Stationen und Geschäfte. Das U-Bahn-
Netz, das sonst täglich Millionen Passa-
giere transportiert, wurde daraufhin vor-
übergehend stillgelegt. Viele Geschäfte
und Banken blieben am Samstag ge-
schlossen. Regierungschefin Carrie
Lam sprach von einer „sehr dunklen
Nacht“. Das prodemokratische Lager
versucht unterdessen abermals, das Ver-
mummungsverbot und insbesondere die
Berufung auf ein fast hundert Jahre altes
Notstandsgesetz anzufechten. Das
Oberste Gericht will sich am Sonntag
mit der Eingabe befassen. F.A.S.


Sport


Jessica Alba ist Schauspielerin
und erfolgreiche Gründerin.
Wirtschaft

Geld & Mehr


BISS UND BIESTIGKEIT


„Dunkle Nacht“


in Hongkong


Wirtschaft


Was der nahende fünfzigste
Geburtstag in uns auszulösen
vermag.Leben

Nach der tödlichen Messerattacke auf
vier Polizisten im Hochsicherheitsbe-
reich der Pariser Polizeipräfektur hat die
rechtsbürgerliche Opposition am Sams-
tag eine parlamentarische Untersu-
chungskommission gefordert. Ziel müs-
se es sein, das „schwerwiegende Versa-
gen im Sicherheitsapparat“ aufzuklären,
um Missstände bei der Terrorismusprä-
vention zu beenden, sagte der Fraktions-
vorsitzende von „Les Républicains“,
Christian Jacob. Innenminister Chris-
tophe Castaner müsse zurücktreten, er
habe jegliche Glaubwürdigkeit verloren.
Der Innenminister hatte bei einem
Besuch am Tatort den Terrorismusver-
dacht heruntergespielt und über den 45
Jahre alten Täter gesagt, der Mann
habe „niemals Verhaltensauffälligkeiten
gezeigt“. Es habe keine Alarmzeichen
gegeben. Die Regierungssprecherin
warnte im Radio davor, die Konversion


des von der Karibikinsel Martinique
stammenden Mickael H. zum Islam als
Verdachtsmoment zu interpretieren.
Doch ist inzwischen bekannt, dass
der Mann schon im Januar 2015 seinen
Kollegen auffiel, weil er nach dem Ter-
roranschlag auf die Redaktion von
„Charlie Hebdo“ sagte: „Ist recht ge-
schehen!“ Der Vorfall wurde dem Vorge-
setzten gemeldet und ist aktenkundig,
zog aber keine Folgen nach sich. In Pa-
ris herrscht Unverständnis, warum In-
nenminister Castaner dies verschwieg.
„Inkompetenz? Vertuschungsabsicht?“,
fragte ein Abgeordneter der Opposition.
Inzwischen werden immer mehr Indi-
zien für eine Radikalisierung des Täters
bekannt, der seit 2003 als Informatik-
fachmann beim polizeilichen Geheim-
dienst in Paris arbeitete. Der 45-Jährige
sei vor rund zehn Jahren zum Islam kon-
vertiert, sagte der ermittelnde Staatsan-

walt Jean-François Ricard am Samstag.
Er besuchte regelmäßig eine Moschee
in seinem Wohnort Gonesse, die wegen
eines islamistischen Imams überwacht
wurde. Am Tatmorgen kaufte er zwei
Messer, eins mit Keramikschneide und
ein Austernmesser. Darüber informier-
te er seine Frau per SMS. Die Frau ant-
wortete: „Nur Gott wird über dich ur-
teilen. Allah Akbar.“ Der Mann stach
den Opfern in Kehle und Hals; der
Staatsanwalt sprach von „extremer Ge-
walt“. Der Täter versuchte außerdem
noch in ein weiteres Büro mit drei Be-
amten einzudringen, das aber verschlos-
sen war. Der für Terrorfälle zuständige
Staatsanwalt ermittelt seit Freitag
Abend, nachdem er zunächst nicht ein-
geschaltet worden war – was angesichts
der Tat ungewöhnlich ist.
Anti-Terror-Fachleute zeigten sich
alarmiert darüber, dass der IT-Mitarbei-

ter nicht als Gefährder aufgedeckt wur-
de, bevor er zur Tat schreiten konnte.
Ein Sprecher der Polizeigewerkschaft
sprach von einer „Riesenpanne im Zen-
trum des Polizeiapparats“. Das Büro
des Mannes war im Hochsicherheitsbe-
reich des polizeilichen Geheimdienstes,
zu dessen Aufgaben es gehört, islamisti-
sche Gefährder zu überwachen. Er be-
obachtete auch die Brüder Kouachi, die
im Januar 2015 die Redaktionsmitglieder
von„Charlie Hebdo“ermordeten. Ei-
gentlich erfordert die Tätigkeit ständi-
ge Sicherheitsüberprüfungen. Mickael
H. soll Zugriff auf die streng vertrauli-
chen Privatanschriften der Polizeibeam-
ten der Geheimdiensteinheit gehabt ha-
ben. Das schockiert die Polizisten. Im
Juni 2016 wurden zwei Polizisten in ih-
rem Wohnhaus in Magnanville von ei-
nem Islamisten ermordet, vor den Au-
gen ihres drei Jahre alten Sohnes. mic.

EINHEITSGETRÄNK


BIN ICH ALT?


Islamist in Uniform


Pariser Polizistenmörder hatte sich radikalisiert. Wollte der Innenminister es vertuschen?


Immer mehr Chirurgen in Deutschland
arbeiten noch, nachdem sie schon das
Rentenalter erreicht haben. Nach den
Gesundheitsdaten der Kassenärztlichen
Bundesvereinigung waren 2018 7,5 Pro-
zent der niedergelassenen Chirurgen in
Deutschland über 65 Jahre alt. Im Jahr
2009 lag dieser Anteil noch bei 2,9 Pro-
zent. Insgesamt waren 2018 gut 2500 nie-
dergelassene und stationäre Chirurgen
im Rentenalter tätig. Ihre Hauptmotive
sind der Wunsch, Anerkennung und
Wertschätzung zu erhalten und weiter ge-
fordert zu sein. Aber auch das Gefühl,
nicht loslassen zu können, lässt sie weiter
in den weißen Kittel schlüpfen. Das er-
gab eine Umfrage des Berufsverbands
der Deutschen Chirurgen gemeinsam
mit dem Konvent der Leitenden Kran-
kenhauschirurgen. In den chirurgischen
Kliniken führt das zu Konflikten zwi-
schen Ärzten unterschiedlicher Genera-
tionen. So berichteten die Jüngeren un-
ter den 1420 befragten Medizinern, dass
die älteren sie in ihrer beruflichen Ent-

wicklung einschränkten. Außerdem be-
mängelten die Jüngeren den immer noch
herrschenden autoritären Umgangston
in den Kliniken. Das kann auch Patien-
ten gefährden. Schlechte Kommunikati-
on unter dem betreuenden medizini-
schen Personal ist eine Ursache für Be-
handlungsfehler.
Einig sind sich alle Generationen dar-
über, dass altersgemischte Teams in der
medizinischen Versorgung erfolgreicher
sind. Die sogenannten „Silver Worker“,
also Arbeitnehmer über 65 Jahre, sehen
ihre Einsatzmöglichkeiten nach dem
Renteneintritt vor allem im Teaching
und Mentoring. Außerdem wären rund
56 Prozent der älteren Ärzte durchaus be-
reit, ihre operative Leistungsfähigkeit
überprüfen zu lassen. Das allerdings ist
bisher in deutschen Kliniken alles andere
als eine Selbstverständlichkeit. „Mir ist
ein solches Vorgehen aus keiner Klinik
bekannt“, sagt Professorin Margit Gei-
ger aus Bochum, die an der Studie mitge-
arbeitet hat.luci. Seite 15

Die EU-Kommission ist nicht bereit, in
ernsthafte Verhandlungen über den
jüngsten Brexit-Vorstoß von Premiermi-
nister Johnson einzutreten. Der soll die
Auffanglösung für Nordirland im Aus-
trittsabkommen ersetzen. Die Vorschlä-
ge seien „keine Grundlage, um ein Ab-
kommen zu schließen“, sagte eine Spre-
cherin der Kommission. Man werde am
Montag wieder zusammenkommen, um
dem Vereinigten Königreich „eine neue
Gelegenheit zu geben, seine Vorstellun-
gen im Detail zu präsentieren“. Am Wo-
chenende wurde nicht verhandelt – ob-
wohl London ausdrücklich darum gebe-
ten hatte, weil die Zeit bis zum nächsten
Europäischen Rat am 17. Oktober drän-
ge. Die europäischen Unterhändler ha-
ben den Briten mitgeteilt, dass Verhand-
lungen bis zum kommenden Freitag ab-
geschlossen sein müssten, wenn die Re-
gierungschefs darüber entscheiden sol-
len. Das ist nun sehr unwahrscheinlich.
Die Unterhändler wollen gleichwohl aus-
loten, ob Johnson zu weiteren Zuge-
ständnissen bereit ist.T.G. Seite 2

Immer der Nadel nach.
Die Reise geht
in den Norden.Reise

Mehr alte Chirurgen


Anteil stark gestiegen. In Kliniken führt das zu Konflikten


Brüssel lässt


Johnson abblitzen


EINGENORDET


Nach Protesten gegen Korruption und
Misswirtschaft gerät die irakische Regie-
rung zunehmend unter Druck. Bei den
Unruhen sind bislang 93 Menschen
ums Leben gekommen. Das teilte die
staatliche Menschenrechtskommission
in Bagdad mit. Demnach wurden auch
fast 4000 Menschen verletzt, die meis-
ten davon Demonstranten. Die Protes-
te in der Hauptstadt Bagdad sowie in ei-
nigen Provinzen richten sich gegen Kor-
ruption, aber auch gegen die häufigen
Stromausfälle und die hohe Arbeitslosig-
keit. Sicherheitskräfte gingen mit Trä-
nengas und Schüssen gegen die De-
monstranten vor. Eine für Samstagnach-
mittag einberufene Parlamentssitzung
wurde verschoben, nachdem die größte
Fraktion zum Boykott aufgerufen hatte.
Die Entscheidung ging auf einen Auf-
ruf des einflussreichen Schiitenführers
Moktada al Sadr zurück. Er hatte ver-
langt, die Regierung von Ministerpräsi-
dent Adel Abdel Mahdi müsse zurück-
treten, „um weiteres Blutvergießen zu
vermeiden“. F.A.S.

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Bei seiner Reise in die Türkei und nach
Griechenland hat Bundesinnenminister
Horst Seehofer weitere Unterstützung
zugesagt, um in der Flüchtlingsfrage zu
Lösungen zu kommen. Mit der Türkei
vereinbarte er, die Küstenwache zu un-
terstützen und bei der Bekämpfung der
Schleuserkriminalität zu helfen. Grie-
chenland soll dabei unterstützt werden,
die Asylverfahren zu beschleunigen und
die Küsten und Grenzen zu sichern.
Seehofer sagte: „Wir müssen feststel-
len, dass sich die Anzahl der Zuwande-
rer in der Türkei und in Griechenland
massiv erhöht hat. Wenn wir diesen
Staaten nicht helfen, ist es eine Frage
der Zeit, bis die Menschen zu uns kom-
men.“ Insofern liege Hilfe im deut-
schen Interesse. Zuletzt hatte der türki-
sche Präsident Erdogan gedroht,
Flüchtlinge einfach weiterzuschicken.
Die Türkei hat allein aus Syrien etwa
3,6 Millionen Flüchtlinge aufgenom-
men. Seehofer war der erste deutsche
Bundesminister, der in diesem Jahr in
die Türkei reiste.F.P. Seite 8

Foto Marina Pepaj


Viele Tote bei


Unruhen im Irak


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Rot heißt: viel Zucker, Fett und
Kalorien. Grün: von allem
weniger. Künftig auch bei uns.

Wirtschaft und Wissenschaft


Seehofer: Wir


müssen helfen


Was essen wir


da eigentlich?


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